13. September 2012

Frühsprachenlernen, ein kostspieliger Fehlentscheid

"Wenn Millionen von Menschen eine Dummheit behaupten, wird sie deswegen nicht zur Wahrheit" (nach Somerset Maugham)
Es gilt als allgemein bekannt, dass man Sprachen je jünger desto besser lernt. Leider bedarf diese Erkenntnis einer wichtigen Einschränkung: Wenn man die Sprache in der Schule lernt, lernt man sie umso schneller, je älter man ist. 
Die ersten Kinder lernen nun flächendeckend neben Hochdeutsch noch zwei Fremdsprachen an der Primarschule. Ein Grossteil der Lehrerschaft war schon vor Einführung dieses Experiments sehr skeptisch. Mit den sich ansammelnden Erfahrungen aus dem praktischen Sprachenlernen wird auch der Widerstand der Eltern zunehmen. Die Bildungspolitiker ihrerseits haben das Thema abgehakt, sie wollen nicht mehr darüber diskutieren. Es wurde ja schon so viel Geld hineingesteckt in Lehrerausbildung, Lehrmittel, zusätzliche Lektionen, Lehrpläne und Evaluationen. Doch unabhängig von der Menge Geld, die in das Projekt gesteckt worden ist, es ist weg. Und es ist ein Fehler, noch auf Jahre hinaus weiter Geld aus dem Fenster zu werfen, nur weil man sich aus taktischen Gründen weigert, die Dinge beim Namen zu nennen. Dass sich in dieser Situation Politiker noch getrauen, auf die fehlenden Kleider des Fremdsprachen-Kaisers hinzuweisen, ist mutig und ein Kampf gegen übermächtige Gegner. Gerade deshalb verdient der folgende Beitrag einer Berner Politikerin unsere Aufmerksamkeit.

Als Lehrpersonen und Kantonspolitiker haben wir uns intensiv mit dem Thema „Frühsprachenlernen“ für Zweit-, resp. Drittklässler und mit den finanziellen Auswirkungen dieses Reformprojektes auseinandergesetzt. Interessant sind vor allem die Studien zum frühkindlichen Lernen, welche immer wieder zum selben Schluss kommen: Es ist möglich, Fertigkeiten in verschiedensten Bereichen früh zu erlernen, aber bei späterem Beginn wird dieser „Vorsprung“ wieder eingeholt.
Mit dem neuen Lehrmittel sollen die Drittklässler über das Ohr an Computer-, CD-, und Videoarbeitsplätzen die französische oder englische Sprache erwerben, wie dies sonst in einer fremdsprachigen Umgebung geschieht. Doch Fachleute sagen ganz klar, dass dies mit drei Lektionen pro Woche unmöglich zu bewerkstelligen sei. Auch muss man bedenken, dass vielen, vor allem fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern, die Standardsprache grosse Probleme bereitet.
Obschon die Lehrpersonen nach Abschluss der Pädagogischen Hochschule im Kanton Baselland oder im Kanton Bern acht Jahre lang Französischunterricht genossen haben, wird für den Frühfranzösischunterricht an einer dritten Klasse eine anspruchsvolle Weiterbildung verlangt. Das bedeutet, dass sie eine Sprachkompetenz eines Niveau C1 erreichen müssen, was eine  zweijährige, intensive (2 Wochenlektionen und zusätzliche Hausarbeiten) Weiterbildung mit sich bringt. Daneben muss noch eine methodisch-didaktische Weiterbildung im Umfang von 12 Tagen, verteilt auf ein Jahr, absolviert werden. Es kann doch nicht sein, dass Lehrpersonen nur für ein Fach eine dermassen intensive Weiterbildung zur Fachlehrkraft absolvieren müssen, dafür musische Fächer wie Singen/ Musik, Werken/ Gestalten oder Bewegung/ Sport abgewählt werden können. Unseres Erachtens sollten an Unterstufenschulklassen idealerweise Allrounder- Lehrkräfte unterrichten und nicht Fachspezialisten.
Für diese Weiterbildung „Frühfranzösisch“ wird im Kanton Bern jährlich mit 4 Millionen CHF und für die neue Dotation an Lektionen mit  jährlich wiederkehrenden Kosten von ca. 14 Millionen CHF gerechnet. Auch sind die Kosten für die neuen Lehrmittel einiges höher als diejenigen für die bisherigen, und sie müssen für jedes Kind wieder neu angeschafft werden.
Es muss berücksichtigt werden, dass mit dem Frühsprachenunterricht das Wochenpensum in der 3. Klasse erhöht wird, obschon auch dafür auch Lektionen in Werken/Gestalten oder Naturkunde gestrichen werden.
Aus all diesen Gründen verlangen wir SVP- Kantonspolitiker einen Abbruch dieses kostspieligen, unnützen Frühsprachenunterrichtes oder mindestens eine Langzeitstudie, welche den Nutzen dieses Sprachenunterrichtes auf der Unterstufe, die umstrittene Lehrmethode und die Lehrmittel auch mit Berücksichtigung der Kosten evaluieren.
Sabina Geissbühler-Strupler, SVP-Grossrätin, Herrenschwanden

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