30. Oktober 2012

Ohrfeige für Frühfremdsprachler

Man muss dem Kanton Luzern eines zu Gute halten: Mut. Nach vier Jahren Englischunterricht wollte man wissen, was die Schüler können. Das ist korrekt und gehört entsprechend gewürdigt. Das Bildungsdepartement hat also die Englischkompetenzen der Schüler am Ende der 6. Klasse mit den Lernzielen des Lehrplans verglichen. 
Die Resultate sind nicht wirklich überraschend: Im Bereich Hören schaffen 53,9 Prozent die Lehrplanziele nicht. Im Lesen sind es gar 65,3 Prozent, die unter den gesetzten Zielen liegen. Besser sieht es im Sprechen (3,2 Prozent unter den Lehrplanzielen) und im Schreiben aus (25,3 Prozent unter den Lehrplanzielen). Dabei handelt es sich wohlverstanden um Minimalanforderungen, die grundsätzlich von allen Schülern erreicht werden sollten. Ausserdem legt das Lehrmittel im Anfängerunterricht noch besonderes Gewicht auf die Rezeption (Hören und Lesen) gegenüber der Produktion (Sprechen und Schreiben). 
Konkret können die Schüler nach vier Jahren also sagen, in welchen Farben sie ihre Kleider am liebsten tragen oder aus wievielen Buben und Mädchen ihre Schulklasse besteht. Ausserdem können sie ihre Familie und Hobbys kurz schriftlich vorstellen.
Die Schlussfolgerungen, die Luzern nun aus dieser Evaluation zieht, sind alles andere als beruhigend. Anstatt sich die Frage über den Sinn eines offensichtlich verfehlten Fremdsprachenexperimentes zu stellen, wird munter weitergewurstelt. Dabei sucht man bezeichnenderweise die Mängel nicht im Konzept, sondern bei den Lehrkräften. Diese sollen noch mehr Weiterbildungen besuchen und systematisch Lernstandserhebungen in ihrer Klasse durchführen. Die Promotoren des frühen Fremdsprachenunterrichts haben die Lage noch im Griff: Sie schieben den Schwarzen Peter einfach den Lehrkräften zu!
Grosse Defizite im Hören und Lesen, Bild: NZZ
Englischkompetenzen am Ende der 6. Klasse: Überprüfung der Lernziele, von Christina Gnos, Kanton Luzern, September 2012

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