14. November 2012

Wohin führt der Kurs der EDK?

Die EDK beruhigt besorgte Gemüter, die angesichts der Einführung der nationalen Bildungsstandards und des Lehrplans 21 eine Testwelle befürchten. 
Es werde keine "Testitis" und keine Rankings geben, versichert deren Präsidentin, Isabelle Chassot. So ganz glauben mag man ihr nicht. Schliesslich verkündete die EDK kürzlich, man werde bei PISA nur noch reduziert mitmachen und auf Kantonsvergleiche verzichten. In Zukunft werde voll auf die Erhebung von Daten im Zusammenhang mit den Bildungsstandards gesetzt. Was will die EDK genau? In einem Leserbrief kommt zum Ausdruck, dass über die Ziele der EDK keine Klarheit herrscht.

Sie wolle keine «Testitis» und keine Rankings, versichert uns die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) (NZZ 9. 11. 12). Regelmässig werden zwei Ziele verkündet, welche mit der Einführung einer «Testkultur» (was für ein scheussliches Wort) an unseren Schulen erreicht werden sollen, nämlich einerseits die Überwachung (Monitoring) des Bildungssystems und andererseits die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler. Tests, die im Rahmen von Stichprobenerhebungen schweizweit eingesetzt werden, um zu überprüfen, «ob die in den Bildungsstandards definierten Grundkompetenzen . . . erlangt werden», lassen sich auf aggregierter Ebene statistisch auswerten. Ihre Messqualität kann vergleichsweise gering sein; jedenfalls eignen sie sich nicht, um «auch der individuellen Standortbestimmung von Schülern» zu dienen. Letzteres kann nur mittels Tests erreicht werden, die eine hohe Qualität aufweisen, eine langwierige Entwicklungsarbeit voraussetzen und ein breites Spektrum an Leistungen (und nicht nur «Grundkompetenzen») abzudecken vermögen.
Entweder werden die von der EDK in Aussicht gestellten Tests für das System-Monitoring entwickelt, dann lassen sie sich nicht für Individualdiagnosen nutzen (jedenfalls nicht in einem ethisch vertretbaren Sinn). Oder sie lassen sich für Individualdiagnosen nutzen, dann ist nicht zu sehen, wie man vermeiden will, dass sie (angesichts der enormen Entwicklungskosten) nicht auch für Schul- und Lehrer-Rankings eingesetzt werden. Selbst wenn sich die EDK gegen Letzteres ausspricht, wird es auf kantonaler oder eidgenössischer Ebene genügend Stimmen geben, die genau dies fordern werden, falls die Tests einmal verfügbar sein sollten.
Es ist bedauerlich, dass die EDK einmal mehr die Chance verpasst, über ihre bildungspolitischen Ziele offen, klar und glaubwürdig zu informieren. Dass die Lehrerinnen und Lehrer einer Reformpolitik, die unsere Schulen ins Ungewisse führt, zunehmend skeptischer gegenüberstehen, kann ihnen niemand übelnehmen.
Walter Herzog, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Bern
Quelle: NZZ, 14.11.

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