19. Dezember 2012

Neue Lehrmittel-Politik


Sie heissen «First Choice», «Explorers» und «Voices» und haben trotz ihren exotischen Namen Eingang in die Stammtischgespräche gefunden: Die in den letzten Jahren im Kanton Zürich obligatorisch eingeführten Lehrmittel des kantonalen Lehrmittelverlags für den Englischunterricht sind berühmt geworden, weil sich viele Lehrer an ihnen die Zähne ausbissen. Das Urteil der Schulsynode vom Frühsommer 2011 über sie fiel auch nach Überarbeitungen vernichtend aus.
Im Kantonsrat wurde darauf die Aufhebung des Obligatoriums gefordert, das der Bildungsrat zuvor abgelehnt hatte. Jetzt, eineinhalb Jahre später, hat der Bildungsrat beschlossen, an den drei Lehrmitteln für die Unter- und Mittelstufe sowie die Sekundarstufe I festzuhalten, aber ab dem Sommer 2013 weitere Lehrmittel zuzulassen. Auf der Unter- und Mittelstufe kann neu auch das Lehrmittel «Young World» aus dem Verlag Klett und Balmer in Zug eingesetzt werden, auf der Sekundarstufe I «New Inspiration» von Macmillan Education in London/Oxford oder «English Plus» der Oxford University Press in Oxford. Alle erwähnten Lehrmittel erhalten den Status «alternativ-obligatorisch». Welche Lehrmittel in ihren Gemeinden eingeführt werden, müssen die Schulpflegen beschliessen.
Die Kritik an den Lehrmitteln ging am Bildungsrat nicht vorbei. Er entschied sich aber für ein sorgfältiges, wenn auch zeitraubendes Vorgehen. Im September 2011 definierte er zunächst eine neue Politik der Lehrmittelbeschaffung für alle Fächer, die den Schulgemeinden mehr Wahlfreiheit lässt und die Lehrkräfte früher in die Beschaffung einbindet. Vor genau einem Jahr beauftragte er eine Projektgruppe unter Bildungsrat und Pädagogikprofessor Lucien Criblez, eine Auslegeordnung aller vorhandenen Englisch-Lehrmittel zu machen und unter Einbezug der Lehrerschaft die Ablösung der kritisierten Unterrichtswerke vorzubereiten.
Criblez' Gruppe erarbeitete zunächst ein Anforderungsprofil und evaluierte nach vielen Kriterien in zwei Durchgängen 37 Englisch-Lehrmittel, von denen 8 als geeignet beurteilt wurden. Die Projektgruppe verabschiedete schliesslich vier gut abgestützte Empfehlungen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie in der Lehrerschaft Akzeptanz finden.
Die drei ersten hat der Bildungsrat jetzt übernommen. Erstens verzichtet er vorerst auf eine Neubeschaffung. Erst nach dem Vorliegen des Lehrplans 21 soll 2015/2016 eine neue Beurteilung der Lehrmittel-Situation vorgenommen werden. Zweitens wird an den gegenwärtigen Unterrichtswerken aus dem Lehrmittelverlag Zürich festgehalten. Sie haben in der Evaluation durchaus gut abgeschnitten, sind weiter ergänzt und verbessert worden; viele Lehrkräfte wollen nicht auf sie verzichten.
Drittens werden weitere Lehrmittel zugelassen, aber befristet bis 2021/2022. Das schafft die gewünschte Rechtssicherheit, lässt aber später - nach dem geplanten Ersatz der Französisch-Lehrmittel ab 2017/2018 - Handlungsspielraum offen. Die in Frage kommende Auswahl definiert der Bildungsrat aber - viertens - enger als die Projektgruppe. Diese wollte alle acht tauglichen Lehrmittel zulassen. Der Bildungsrat entschied sich für die engere Auswahl, um Klassenwechsel und die Übertritte in die nächsthöhere Schulstufe nicht zu komplizieren. Reibungslose Übergänge sollen auch Minimalstandards gewährleisten, die für Mitte des sechsten und achten Schuljahrs noch zu definieren sind.
Quelle: NZZ, 19.12. von Walter Bernet

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