2. Oktober 2013

Lehrplan 21: "Deprofessionalisierung des Lehrberufs"

Der Berner Erziehungswissenschafter Walter Herzog nimmt erneut prägnant Stellung gegen den Lehrplan 21. Seine Zielscheibe ist Urs Moser, der in einem Artikel die Kompetenzorientierung des LP21 als Grundlage der Überprüfung der nationalen Bildungsziele verteidigt.






Herzog:"Pädagogisch nicht alles in Ordnung". Bild: derstandard.at





Ob sich Urs Moser (NZZ 2. 9. 13) im Klaren ist, wie entlarvend seine Verteidigung des Lehrplans 21 ist? Da wird Satz um Satz beschwichtigt, relativiert und abgewimmelt. Die Stundentafeln würden nicht angetastet. Vieles bleibe, wie es war, und werde lediglich anders bezeichnet. Eine Aktualisierung der Inhalte sei gar nicht das Ziel, die Lehrer würden sich ohnehin «wie bis anhin» an den Lehrmitteln und nicht am Lehrplan orientieren und überhaupt sei eine Schulreform nicht im Gang.
Scheinbar geht es nur darum, «dass der allseits beklagte Anstieg der Vergessenskurve gebremst werden kann». Wenn dies das Ziel des Lehrplans 21 sein sollte, dann hätte der Berg eine weitere Maus geboren. Zudem eine kaum überlebensfähige Maus, denn ein solches Ziel mittels einer Lehrplanreform zu erreichen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein.
Wenn Ziele und Inhalte nicht zur Diskussion stehen (wie es der Beitrag von Hermann Forneck eindrücklich bestätigt) und die Bremsung der Vergessenskurve ins Kapitel unfreiwilliger Humor gehört, dann fragt man sich, was mit dem Lehrplan 21 erreicht werden soll. Auch hier ist die Argumentation von Moser entlarvend. Nachdem er alles, was auch nur den Anschein einer substanziellen Reform erwecken könnte, gehörig eingekocht hat, bleibt als Botschaft nurmehr die Reduktion von Schule und Unterricht auf messbaren Output. Wobei es nicht um die Selbstverständlichkeit geht, dass Lehrerinnen und Lehrer überprüfen, ob ihre Schülerinnen und Schüler gelernt haben oder nicht. Vielmehr geht es darum, dass diese Aufgabe an Expertinnen und Experten (wie Moser selber einer ist) abgetreten wird, die mittels Schulleistungstests flächendeckend überprüfen, ob dem Lehrplan nachgefolgt wird oder nicht.
Beim Lehrplan 21 geht es um mehr Kontrolle der Berufsarbeit der Lehrpersonen durch bessere «Steuerung» des Bildungssystems. Um die damit verbundene absehbare Deprofessionalisierung des Lehrerberufs zu kaschieren, wird der Kompetenzorientierung das Mäntelchen der «fairen Beurteilung» von Schülerleistungen umgehängt, unterstellend, dass die Lehrkräfte zu solcher Fairness nicht fähig sind, und verkennend, dass Fairness nicht darin bestehen kann, dass alle über denselben Kamm geschoren werden. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass mit dem Lehrplan 21 pädagogisch nicht alles in Ordnung ist, dann hat ihn Moser erbracht.
Quelle: NZZ, 2.10. Leserbrief von Walter Herzog

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