17. November 2013

LCH für eine Primarfremdsprache

Der Druck der Basis der Lehrerschaft in den Kantonen sorgt dafür, dass sich auch beim Dachverband LCH etwas bewegt. Die Forderung nach nur einer obligatorischen Fremdsprache in der Primarschule gehört zu einer der Hauptforderungen im Zusammenhang mit der Konsultation des Lehrplans 21. Dieser sei in der jetzt vorliegenden Form unbrauchbar und müsse entschlackt werden.





Bald ein Ende mit dem Frühfranzösisch? Bild: Keystone
  





Die Schweizer Lehrerverbände sind sich einig: Das Obligatorium für zwei Fremdsprachen an der Primarschule gehört abgeschafft. Dies hat die Präsidiumskonferenz des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) am Freitag an ihrer Versammlung beschlossen, wie Präsident Beat Zemp bestätigt. An der Tagung haben die über 80 Vertreter von 33 Mitgliederorganisationen des LCH ihre Stellungnahmen zum Lehrplan 21 auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Nächste Woche werden die 10 Forderungen publiziert. Die Reduktion auf eine obligatorische Fremdsprache gehört dazu.
Damit verschärft der LCH seine Haltung in der Sprachenfrage. Noch im Frühling hat er eine Reduktion des Obligatoriums nur für den Fall gefordert, sollten sich die Bedingungen des Sprachunterrichts nicht verbessern, insbesondere die personellen Ressourcen in diesem Bereich. Nun reagiert der LCH auf die Entwicklung in mehreren Schweizer Kantonen, in denen das Frühfranzösisch mit Initiativen oder parlamentarischen Vorstössen bekämpft wird - etwa im Thurgau, in Graubünden, in Nidwalden und Luzern. Auch im Zürcher Kantonsrat wurde das Frühfranzösisch infrage gestellt.
Die Präsidentin des Zürcher Lehrerverbands, Lilo Lätzsch, kann sich eine Reduktion des Sprachenobligatoriums auf Primarstufe ebenfalls vorstellen. «Wenn man eine Sprache fakultativ macht, muss aber die gewonnene Zeit in den Deutschunterricht investiert werden», fordert sie. Entscheidend sei vor allem, was die Schüler am Ende der Schulzeit können. Da gehöre Französisch dazu, weil es in der Hälfte aller Berufe vorausgesetzt werde: «Man darf die Jungen nicht von fünfzig Prozent der Berufe ausschliessen», sagt Lätzsch.
Die Luzerner Lehrerinnen und Lehrer hatten der Präsidiumskonferenz des LCH am Freitag sogar den Antrag gestellt, die Reduktion der Fremdsprachen an der Primarschule mittels Volksinitiative durchzusetzen. Dies wurde abgelehnt. «Dazu ist es noch zu früh», sagt Zemp. Er will zuerst schauen, inwieweit die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) die LCH-Stellungnahme zum Lehrplan 21 berücksichtigt. Zudem läuft derzeit noch die Übergangsfrist für die Umsetzung des Harmos-Konkordats. Diese dauert bis 2015. Laut Zemp muss bis dann auch die Sprachenfrage gelöst sein. Ihn stört, dass nicht alle Deutschschweizer Kantone mit der gleichen Fremdsprache beginnen, nahe der Sprachgrenze kommt das Französisch zuerst, in der Ostschweiz das Englisch. «Sollte sich die Situation nicht bessern, schliessen wir eine nationale Volksinitiative nicht aus», sagt er.
Kritisch äussern sich die Lehrer in ihrer Stellungnahme auch zum Umfang des Lehrplans 21. Dieser listet mehrere tausend Kompetenzen auf, welche die Kinder und Jugendlichen bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit erwerben müssen. «Es sind zu viele und zu anspruchsvolle Ziele», sagt Zemp. «Der Lehrplan muss entschlackt werden, sonst verkommt er zum Papiertiger.» Denkbar wäre etwa, nur einen Teil der Ziele für obligatorisch zu erklären. Man müsse nicht gerade zurück auf Feld eins, doch brauche es eine gründliche Überarbeitung des Lehrplans.
Zumindest diese Forderung scheint nicht chancenlos. Christian Amsler, der Schaffhauser Erziehungsdirektor und Präsident der D-EDK, sagt: «Sollte sich tatsächlich zeigen, dass der Lehrplan überladen ist, müssen wir noch einmal über die Bücher.» Grundsätzlich wäre er offen für eine Unterteilung in sogenannte A- und B-Stoffe. Dann aber könnte der ehrgeizige Zeitplan nicht eingehalten werden. Dieser sieht vor, dass der Lehrplan im Herbst 2014 den Kantonen zur Einführung übergeben wird. «Zuerst aber müssen wir die Konsultation abwarten und Bilanz ziehen.»
Kein Verständnis hat Amsler für die Haltung der Lehrer in der Sprachenfrage. «Wir befinden uns noch immer in der Einführungsphase der beiden Fremdsprachen an der Primarschule.» Er plädiert für Gelassenheit. Man könne nicht schon wieder alles über den Haufen werfen. Und: «Es sind doch gerade die Lehrer, die mehr Ruhe und weniger Reformen fordern», sagt der D-EDK-Präsident.
Quelle: Kampfansage der Lehrer, NZZaS, 17.11. von René Donzé

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