In den
Schweizer Schulen hat eine seltsame Mode Einzug gehalten: Die Sucht nach
Perfektion und das Eifern im internationalen Wettbewerb. So warteten gestern
die Schweizer Bildungsdirektionen mit Bangen und Hoffen auf die Resultate der
Pisa-Studie und jubelten begeistert, weil sie heuer näher an die Finnen
gerückt sind, die ihnen vor Jahren schnöde den Rang abgelaufen hatten. Doch was
sagen diese Studien schon aus? Das jetzt herabgestufte Finnland hatte schon bei
seinem exzellenten Abschneiden in der Pisa-Studie eine Jugendarbeitslosigkeit
von mehr als zwanzig Prozent, in der Schweiz liegt sie seit Jahren um die drei
Prozent. War nun Finnland tatsächlich jemals besser als die Schweiz, die mit
ihrem dualen Bildungssystem seit Jahren in ganz Europa viele Neider hat?
Trotz
dem diesjährigen – natürlich erfreulichen – Pisa-Ergebnis sollte man um die
Qualität des Schweizer Bildungswesens besorgt sein. Denn die Perfektionskultur
und die Panik, im internationalen Wettbewerb nicht mithalten zu können, töten
die Motivation unserer Lehrer. Sie leiden darunter, dass sich jeder Bildungsdirektor
einen Innovationspreis verdienen will und daher an der Schule rumdoktert,
reformiert und evaluiert. Dafür holt er ständig mehr Leute in die Verwaltung,
die ebenso emsig planen, doktern und verändern, während sich die Lehrer an der
Basis im herben Schulalltag mit Kindern herumschlagen müssen, die noch in die
Hose machen oder keine Viertelstunde still sitzen können.
Bildungsdirektoren
und ihre Crew könnten bei den Lehrpersonen wieder Vertrauen aufbauen, wenn sie
Ruhe bewahren und beobachtend abwarten würden, anstatt ständig Neues zu
lancieren. Man sehe sich nur schon die nächste Reform, den Lehrplan 21, an. Auf
557 Seiten wird den Lehrern vorgeschrieben, wie sie die Schüler zu umweltbewussten,
nachhaltig handelnden und friedfertigen Personen erziehen können.
Kompetenzorientierung ist das neue Zauberwort, das Wissen rückt in
den Hintergrund. Dabei drohen uns diejenigen Länder bildungsmässig den
Rang abzulaufen, die den Fokus aufs Büffeln setzen.
Nicht dass wir uns
nun unreflektiert in den Wettbewerb mit den Asiaten stürzen müssten, doch mit
Kompetenzerwerb allein ist nun einmal kein fundiertes Wissen zu gewinnen. Und
vor allem müssen wir darauf achten, dass die Pädagogen nicht durch immer verbürokratisiertere
Vorgaben die Lust am Beruf verlieren. Das wäre fatal. Denn nur ein
motivierter, begeisterter Lehrer ist ein guter Lehrer. Und nur von ihm können
unsere Kinder wirklich viel lernen.Kommentar von Franziska Laur in der Basler Zeitung, 4.2.
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