Das Bürgerkomitee Graubünden "Nein zu HarmoS" stellt deshalb fest, dass der Lehrplan 21 nicht mit dem Volkswillen vereinbar sei.
Stellungnahme des Bürgerkomitees GR zum Lehrplan 21
Als Komitee gegen den Harmos-Beitritt haben wir uns
mit dem LP21 befasst. Wir können diesen Lehrplan nicht unterstützen:
1.Mit einer Einführung des Lehrplan 21 würde das
Stimmvolk in unserem
Kanton übergangen. Das Stimmvolk hat sich deutlich
gegen den Beitritt zum
Harmos-Konkordat ausgesprochen. Darum ist der Kanton
Graubünden dem
Konkordat nicht beigetreten. Der Lehrplan 21 ist aber
nichts anderes als die
inhaltliche und pädagogische Grundlage für die Schule
im Sinne des Harmos-
Konkordats.
2. Mit dem Nein
zu Harmos haben die Stimmbürger sich auch für die
Beibehaltung des Kindergartens als eigenständige
Institution und deren
freiwilligen Besuch ausgesprochen. Dem Wunsch nach
Freiwilligkeit wird im
Gesetz entsprochen, der Eigenständigkeit des
Kindergartens nicht. Der
Kindergarten ist neu im Schulgesetz als 2 jährige
Kindergartenstufe in die
Volksschule integriert. Dies wurde bereits bewusst auf
den LP 21 ausgerichtet!
Nach dem Lehrplan 21 würde die Schule in 3 Zyklen
eingeteilt. Zwei
Kindergartenjahre und die erste und zweite Klasse sind
im Zyklus 1
zusammengefasst. Damit wäre der Kindergarten
inhaltlich (ohne Stundentafel)
als Teil der Schule verbindlich festgelegt und als
bewährte eigenständige
Einrichtung abgeschafft. Auch damit werden die
Stimmbürger übergangen!
Dem klaren demokratischen Entscheid zum Trotz versucht
die EDK, auch den Nicht-Harmos-Kantonen den Harmos-Lehrplan aufzuzwingen. Dies
ist ein
undemokratischer und rechtswidriger Prozess, den man
nicht akzeptieren muss.
Die allgemein gehaltene Formulierung im Schulgesetz
Artikel 62 zur Harmonisierung des Schulwesens erfordert diesen LP 21 nicht.
Aus den genannten Gründen widerspricht die Einführung
des Lehrplans 21
grundsätzlich dem Volkswillen in unserem Kanton.
Es spricht aber auch genug dafür diesen Lehrplan auch
in den anderen Kantonen
nicht einzuführen. Dazu sollen nur einige Punkte zum
Überdenken angeregt werden:
1. Abschaffung des Kindergartens in der bewährten Form
Alle Kinder würden neu ihre Schullaufbahn mit dem
ersten Zyklus beginnen der sich über 4 Jahre erstreckt. Darin ist der
„Kindergarten“ integriert und auch inhaltlich festgelegt. Inbegriffen ist die
Früherfassung von Kindern mit diversen „Problemen“, betreffend
Zahlenverständnis, Sprache Motorik u.a. Bereits in diesem frühen Stadium werden
Voranalysen für die Begleitung durch Stützkräfte oder Therapeuten geschaffen. Eine
gut ausgebildete Kindergärtnerin ist heute spezialisiert auf ihre Stufe. In
zwei Jahren ruhiger Arbeit hat sie bei den Kindern grundlegende Fertigkeiten
spielerisch so geschult, dass sie gut gerüstet sind, in der Schule mit geringem
Aufwand Lesen und Schreiben zu lernen. Die konstante Beziehung zur
Kindergärtnerin und die mit der Zeit gewonnene Sicherheit in der vertrauten
Kindergruppe wirken stärkend auf die Kinder. Defizite, meistens kleine
Unsicherheiten, können so behoben werden. Manche „Therapie“ und „Begleitung“
wird damit hinfällig.
2. Selbstentdeckendes Lernen statt Üben und Können
Die Kinder werden nicht mehr unterrichtet. Das
Schreiben, Lesen, Rechnen usw.
muss vom Kind selber erforscht, erraten, erahnt,
erfahren und im Experiment erkannt werden.
Kinder, die nicht über einen immensen eigenen Antrieb
verfügen, würden
untergehen, stofflich und seelisch. Der Zeitaufwand
ist riesig und bringt das Kind in Sachen Lerninhalten nicht wirklich weiter.
Das demoralisiert! Wertvolle Zeit wird vertrödelt. Das Kind ist angewiesen auf
aufbauende altersgerechte und schrittweise Anleitung, in allen Fächern. Der
Stoff muss erklärt werden und logisch nachvollziehbar sein. Anschliessend kann
das Kind durch Üben am Stoff arbeiten, bis es die Sache kann. So sollen
möglichst alle Kinder in den Genuss grundlegender Bildung kommen. In den
Bildungszielen des Schulgesetzes ist dies als Aufgabe der Schule klar festgehalten.
Der LP 21 erfüllt dies nicht!
3. Auflösung des Unterrichts und des
Klassenunterrichts
Die ganze Schule soll anstatt in Jahrgangsklassen in
Zyklen organisiert werden. Dabei wird nicht klar definiert, wie diese bunte
Schar sich im vier Jahre dauernden Zyklus organisieren wird. Immerhin sind im
ersten Zyklus vier, fünf, sechs, sieben und acht-jährige Kinder integriert.
Mittels LP21 soll die Schule so geöffnet werden, dass jedes Kind seinen eigenen
Lernweg macht, unabhängig von Jahrgang und Aufenthaltsdauer in der Schule. Alle
Übergänge sollen fliessend sein. Die Art des Lernens ist gerade im
Altersbereich von vier- bis achtjährigen Kindern enorm unterschiedlich. Die
stufenspezifische Ausbildung der Lehrer bzw. der Kindergärtnerinnen sind der
Garant für eine gute Schulqualität.
Die Schulklasse als Modell für ein konstruktives
Zusammenleben und -arbeiten in einer demokratischen Gesellschaft würde wegfallen.
Damit fällt zugleich auch eine der schönsten Gelegenheiten weg, bei Kindern Zusammengehörigkeitsgefühl,Freundschaften, Mitverantwortung und Mitgefühl zu
entwickeln, gerade auch für Schüler aus den verschiedensten familiären und
kulturellen Hintergründen. Anteilnahme am Befinden des Mitschülers, an der
Entwicklung des anderen und die Freude am gemeinsamen Fortschritt gehen
verloren. Stattdessen werden Ich-Bezogenheit und Eigenbrödlerei kultiviert.
4. Keine konkreten Lernziele
Nicht mehr Lernziele sondern „Kompetenzen“ sind zu
erreichen. Die Umstellung auf „Kompetenzen“ klärt nicht wirklich, was Kinder in
welchem Jahr an Grundfertigkeiten können müssen. Die über 550 Seiten lang
beschriebenen Kompetenzen, die zu erwerben seien, sind fast unendlich weit
gefasst. Was in der zur Verfügung stehenden Stundentafel und der Schulzeit
möglich sein wird, kann nur ein Bruchteil von alldem sein. Da aber alle
formulierten Kompetenzen
gleichwertig sind, ist nicht klar, was die Kinder
schlussendlich gelernt haben müssen.
Damit ist die Sicherheit, dass jedes Kind die
Grundtechniken unserer Kultur lernt, nicht mehr Ziel und nicht mehr gegeben. Wie viele
Kinder würden für das Berufsleben unvorbereitet die umgestaltete Schule
verlassen? Lehrlingsausbildner machen schon jetzt darauf aufmerksam, dass es
schwer ist, fähige Lehrlinge zu finden.
5. Der Lehrer wird zum Coach
In diesem Kompetenzenkuddelmuddel und
selbstentdeckendem Lernen ist es die Aufgabe der „Lehrperson“, Anreize zu geben,
Materialien zur Verfügung zu stellen und die individuellen Lernwege zu
begleiten.
Die Beziehung zum Lehrer ist der erste Schritt zum
Lernen. Ein Lehrer als
Bezugsperson, der Freude hat, Kinder zu unterrichten,
sie fördert und fordert, hat Erfolg. Er kann Schüler menschlich und fachlich
voranbringen. Neuere Studien wie die von John Hattie “visible learning“ nicht
auch gerade dieser zwischenmenschliche Aspekt, warum viele von uns Lehrer wurden.
Weder Lehrer noch Schüler werden in einer Schule Freude und Erfolg haben, wenn
die zwischenmenschliche Beziehung bewusst heruntergefahren wird.
6. Keine Klarheit, wie der Stand eines Schülers
erfasst werden soll
Die verbindlichen Kompetenzen sind erst am Ende eines
Zyklus festgelegt. (nach vier Jahren). Was ein Kind aber wirklich kann und
vertieft gelernt hat, wird nicht deutlich und ist oftmals auch nicht gefordert. Das
Einmaleins können; oder lediglich erkennen können, dass eine Zahl in die
Fünferreihe passt, ist eben ein grosser Unterschied, auch wenn beide Male von
Können die Rede ist. „Kennen Produkte aus dem Einmaleins, insbesondere jene mit
den Faktoren 2,5,10“. (LP21 Mathematik S11, 2.2e, Beginn Zyklus 2). Eine
Standardüberprüfung auf deutschschweizerischer Ebene ist angekündigt. Wie eine
solche organisatorisch und inhaltlich aussehen soll, entzieht sich bisher
unseres Wissens.
Das Einmaleins ist die Grundlage für jeden weiteren
Fortschritt in der Mathematik. Wer dies den Kindern unterschlägt, kann nicht
das Ziel unserer Volksschule verfolgen, möglichst vielen Kindern gute
Grundlagen in den Kulturtechniken zu ermöglichen! Ein Klassenlehrer weiss wo
seine Kinder stehen und kann gezielt Defizite auffangen. Schüler erstarken in
ihrer Persönlichkeit nicht zuletzt daran, dass sie in einem Fach Schritt für
Schritt weiterkommen und Erfolg haben. Das aufbauende Vermitteln von Wissen
macht den Stoff für das Kind nachvollziehbar und ermutigt es für die nächsten
Lernschritte. Es kann abschätzen, wo es persönlich steht und sein Engagement
darauf ausrichten. Das Wissen um den eigenen Stand im Lernen, auch im Vergleich
zu den Gleichaltrigen gibt Orientierung und Sicherheit.
7. Keine Harmonisierung
Die auf 550 Seiten beschriebenen Kompetenzen können
unmöglich alle erreicht
werden, sprich, es ist Zufall, es unterliegt den
individuellen Vorlieben des Coach oder es hängt vom Material ab, was ein Kind
letztendlich lernt. Der gerademal zuständige Lernbegleiter bietet Themen an.
Was die Kinder daraus machen, bestimmen sie, sie gehen ihre eigenen Lernwege.
Jahresziele gibt es nicht mehr. So steht nicht nur jede Gruppe, jede Schule,
jeder Kanton an einem anderen Ort, sondern auch noch jedes Kind. Was macht da
ein zugezogenes Kind?
Genau betrachtet ist dieser Zustand der
weitentfernteste Zustand von Harmonie zwischen den Kantonen. Er führt zu massiver
Ungerechtigkeit und löst die Chancengleichheit auf. Oder spielt es für ein
zugezogenes Kind keine Rolle mehr, womit es schulisch ausgestattet wurde, weil sowieso
alle woanders stehen? Wer umzieht, muss sich an nichts mehr anpassen und sich in
nichts mehr einfügen? Seinem individuellen Lernweg steht weiterhin nichts im
Wege. Das ist aber nicht das, wofür sich die Stimmbürger
einsetzen wollten, als sie dem Artikel 62 über die Harmonisierung der Volksschule
zugestimmt haben. Im heutigen System sind die Jahresziele bekannt. Der
Fächerkanon ist klar. Und der Lehrer hat die Aufgabe, die Kinder in jedem Fach zum
Ziel zu führen, worauf die Gesellschaft sich verlässt. Das heisst, die Diskrepanz
zwischen den Kantonen ist heute nicht so gross, wie uns weisgemacht wird. Die
Unterschiede wären unkompliziert zu beheben.
Der Lehrplan 21 erfüllt das geforderte Ziel der
Harmonisierung der Kantone
nicht.
8. Wer soll das bezahlen?
Umschulung der Lehrer, vom Pädagogen mit Herzblut zum
Coach, mehr
Lehrpersonen, weil Fächerlehrkräfte, Umrüsten der
Schulhäuser, Errichten einzelner Arbeitsplätze à la Grossraumbüros, Bildschirme
und Computeranschlüsse für jeden Schüler, dazu die entsprechenden Netzwerke mit
Wartung und Reparaturen. Dann Massen von neuen Lehrmitteln und buntgedruckten
Wegwerfheften, Arbeitsgruppen, zur Erarbeitung der schweizerischen Prüfungen
und entsprechendem Material. Dazu Verarbeitung und Verwaltung der daraus
resultierenden Daten. Dazu die Heilpädagogen und Stützkräfte, die zunehmend
mehr die gestrandeten Kinder „therapieren„ oder begleiten sollen. Daneben die
Einrichtungen für die Hochbegabten. Und. Und. Und.
Nach den erheblich höheren Kosten, mindestens tausend
Franken zusätzlich pro Kind, allein mit dem neuen Schulgesetz, stellt sich
doch die Frage, wie dieser weitere immense Kostenaufwand bewältigt werden soll.
Die ersten Gemeinden haben ihre Schulen an private, aussenstehende Firmen
abgetreten. Dies weil sie Ihre Schule nicht mehr finanzieren konnten!
9. Ideologische Vorstellungen
Es ist im LP 21 viel die Rede von nachhaltiger
Entwicklung, vom Erkennen von Machtstrukturen, vom Umgehen mit der Macht,
selber Führungsposition einnehmen, Regierungsformen unterscheiden und
beurteilen, Daten erheben können usw. Sollen solche Themen Inhalte eines
Lehrplans sein? Die Kinder werden damit ideologisiert, weil sie weder sachlich
noch ethisch reif dazu sind, solche Fragen zu beurteilen. Ihnen solche Fragen
ernsthaft zur Beurteilung zu geben, ist irreführend und verleitet zur
Selbstüberschätzung und Überheblichkeit. Es ist Aufgabe einer Volksschule diese
Reife bei den ihr anvertrauten Kindern fachlich und menschlich zu entwickeln.
Gerade unser Bildungssystem auf der Basis der christlich–abendländischen Kultur
und der Demokratie hat den freien Geist gefördert und die Bürger kritisch gegen
Ideologien gemacht. Die Orientierung an diesen Werten ist im Schulgesetz festgelegt
und die Bürger vertrauen darauf, dass ein Lehrplan frei von ideologischen
Inhalten ist.
Kopf, Hand und Herz, diese Pädagogik hat sich in
unserem Land bis heute bewährt. Erst der unabhängige Geist in diesem Sinne ist
in der Lage, sich über
gesellschaftliche Fragen in der Sache kundig zu machen
und im Rahmen des
Gemeinwohls und der Demokratie kreative Lösungen
vorzuschlagen.
Zum Schluss:
Es ist niemandem entgangen, dass viele der „Reformen“,
die hier angesprochen wurden nicht nur neu sind. Im Gegenteil, wir haben
schon mit ihren Folgen zu kämpfen. Es sei hier nur eine, für die Schweizer
Wirtschaft aber weitreichende Folge erwähnt:
Lehrstellenbewerbern mangelt es, so die Lehrbetriebe,
an Kenntnissen der
Rechtschreibung, Mathematik, aber auch an Engagement,
Einsatzbereitschaft und Disziplin. Auffallend viele Schulabgänger bringen nicht
mehr das nötige Rüstzeug mit, um eine Berufslehre machen zu können. Dies ist
nur eine Auswirkung der im Geist und Sinne dieses jetzt vorgelegten Lehrplans
schon schleichend umgesetzten „Reformen“. Mittels neuem Schulgesetz, der
Lehrerausbildung und heimlich implantierten neuen Methoden und den dazu
entwickelten Schulmaterialien wurde unserem bewährten
Schulsystem schon grosser Schaden zugefügt.
Mit der Einführung des Lehrplan 21 würde die ganze
Fehlentwicklung forciert und gesamtschweizerisch zementiert.
Es ist jetzt an der Zeit und durchaus möglich, diese
Entwicklung endgültig zu
stoppen! Wir sind niemandem verpflichtet. Dieser
Lehrplan ist nicht verbindlich, er kann lediglich von der EDK vorgestellt
werden. Die Kantone allein bestimmen über die Bildung. In einer so
grundsätzlichen Frage wie der hier diskutierten geht der Weg nur über eine
offene Diskussion und gegebenenfalls über die Volksabstimmung.
Kommen wir zurück auf das Bewährte unserer Schweizer
Volksschule!
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