19. Februar 2014

Lehrplan 21 widerspricht dem Volkswillen

Graubünden hat den Beitritt zum Harmos-Konkordat in einer Volksabstimmung abgelehnt. Der Lehrplan 21 basiert jedoch auf diesem Konkordat. Es stellt sich also die Frage, ob Nicht-Harmos-Kantone überhaupt zum Lehrplan 21 verpflichtet werden können. Ein wichtiger Aspekt bei der Bündner Abstimmung war die Beibehaltung des Kindergartens. Dieser wird nun im LP21 zusammen mit der 1. und 2. Primar in den Zyklus 1 verschmolzen. Ob darum noch von einer eigenständigen Kindergarten-Stufe gesprochen werden kann, ist also ebenfalls fraglich. 
Das Bürgerkomitee Graubünden "Nein zu HarmoS" stellt deshalb fest, dass der Lehrplan 21 nicht mit dem Volkswillen vereinbar sei. 
Stellungnahme des Bürgerkomitees GR zum Lehrplan 21


Als Komitee gegen den Harmos-Beitritt haben wir uns mit dem LP21 befasst. Wir können diesen Lehrplan nicht unterstützen:

1.Mit einer Einführung des Lehrplan 21 würde das Stimmvolk in unserem
Kanton übergangen. Das Stimmvolk hat sich deutlich gegen den Beitritt zum
Harmos-Konkordat ausgesprochen. Darum ist der Kanton Graubünden dem
Konkordat nicht beigetreten. Der Lehrplan 21 ist aber nichts anderes als die
inhaltliche und pädagogische Grundlage für die Schule im Sinne des Harmos-
Konkordats.

2. Mit dem Nein zu Harmos haben die Stimmbürger sich auch für die
Beibehaltung des Kindergartens als eigenständige Institution und deren
freiwilligen Besuch ausgesprochen. Dem Wunsch nach Freiwilligkeit wird im
Gesetz entsprochen, der Eigenständigkeit des Kindergartens nicht. Der
Kindergarten ist neu im Schulgesetz als 2 jährige Kindergartenstufe in die
Volksschule integriert. Dies wurde bereits bewusst auf den LP 21 ausgerichtet!
Nach dem Lehrplan 21 würde die Schule in 3 Zyklen eingeteilt. Zwei
Kindergartenjahre und die erste und zweite Klasse sind im Zyklus 1
zusammengefasst. Damit wäre der Kindergarten inhaltlich (ohne Stundentafel)
als Teil der Schule verbindlich festgelegt und als bewährte eigenständige
Einrichtung abgeschafft. Auch damit werden die Stimmbürger übergangen!

Dem klaren demokratischen Entscheid zum Trotz versucht die EDK, auch den Nicht-Harmos-Kantonen den Harmos-Lehrplan aufzuzwingen. Dies ist ein
undemokratischer und rechtswidriger Prozess, den man nicht akzeptieren muss.
Die allgemein gehaltene Formulierung im Schulgesetz Artikel 62 zur Harmonisierung des Schulwesens erfordert diesen LP 21 nicht.

Aus den genannten Gründen widerspricht die Einführung des Lehrplans 21
grundsätzlich dem Volkswillen in unserem Kanton.

Es spricht aber auch genug dafür diesen Lehrplan auch in den anderen Kantonen
nicht einzuführen. Dazu sollen nur einige Punkte zum Überdenken angeregt werden:

1. Abschaffung des Kindergartens in der bewährten Form

Alle Kinder würden neu ihre Schullaufbahn mit dem ersten Zyklus beginnen der sich über 4 Jahre erstreckt. Darin ist der „Kindergarten“ integriert und auch inhaltlich festgelegt. Inbegriffen ist die Früherfassung von Kindern mit diversen „Problemen“, betreffend Zahlenverständnis, Sprache Motorik u.a. Bereits in diesem frühen Stadium werden Voranalysen für die Begleitung durch Stützkräfte oder Therapeuten geschaffen. Eine gut ausgebildete Kindergärtnerin ist heute spezialisiert auf ihre Stufe. In zwei Jahren ruhiger Arbeit hat sie bei den Kindern grundlegende Fertigkeiten spielerisch so geschult, dass sie gut gerüstet sind, in der Schule mit geringem Aufwand Lesen und Schreiben zu lernen. Die konstante Beziehung zur Kindergärtnerin und die mit der Zeit gewonnene Sicherheit in der vertrauten Kindergruppe wirken stärkend auf die Kinder. Defizite, meistens kleine Unsicherheiten, können so behoben werden. Manche „Therapie“ und „Begleitung“ wird damit hinfällig.

2. Selbstentdeckendes Lernen statt Üben und Können
Die Kinder werden nicht mehr unterrichtet. Das Schreiben, Lesen, Rechnen usw.
muss vom Kind selber erforscht, erraten, erahnt, erfahren und im Experiment erkannt werden.

Kinder, die nicht über einen immensen eigenen Antrieb verfügen, würden
untergehen, stofflich und seelisch. Der Zeitaufwand ist riesig und bringt das Kind in Sachen Lerninhalten nicht wirklich weiter. Das demoralisiert! Wertvolle Zeit wird vertrödelt. Das Kind ist angewiesen auf aufbauende altersgerechte und schrittweise Anleitung, in allen Fächern. Der Stoff muss erklärt werden und logisch nachvollziehbar sein. Anschliessend kann das Kind durch Üben am Stoff arbeiten, bis es die Sache kann. So sollen möglichst alle Kinder in den Genuss grundlegender Bildung kommen. In den Bildungszielen des Schulgesetzes ist dies als Aufgabe der Schule klar festgehalten. Der LP 21 erfüllt dies nicht!

3. Auflösung des Unterrichts und des Klassenunterrichts
Die ganze Schule soll anstatt in Jahrgangsklassen in Zyklen organisiert werden. Dabei wird nicht klar definiert, wie diese bunte Schar sich im vier Jahre dauernden Zyklus organisieren wird. Immerhin sind im ersten Zyklus vier, fünf, sechs, sieben und acht-jährige Kinder integriert. Mittels LP21 soll die Schule so geöffnet werden, dass jedes Kind seinen eigenen Lernweg macht, unabhängig von Jahrgang und Aufenthaltsdauer in der Schule. Alle Übergänge sollen fliessend sein. Die Art des Lernens ist gerade im Altersbereich von vier- bis achtjährigen Kindern enorm unterschiedlich. Die stufenspezifische Ausbildung der Lehrer bzw. der Kindergärtnerinnen sind der Garant für eine gute Schulqualität.

Die Schulklasse als Modell für ein konstruktives Zusammenleben und -arbeiten in einer demokratischen Gesellschaft würde wegfallen. Damit fällt zugleich auch eine der schönsten Gelegenheiten weg, bei Kindern Zusammengehörigkeitsgefühl,Freundschaften, Mitverantwortung und Mitgefühl zu entwickeln, gerade auch für Schüler aus den verschiedensten familiären und kulturellen Hintergründen. Anteilnahme am Befinden des Mitschülers, an der Entwicklung des anderen und die Freude am gemeinsamen Fortschritt gehen verloren. Stattdessen werden Ich-Bezogenheit und Eigenbrödlerei kultiviert.

4. Keine konkreten Lernziele
Nicht mehr Lernziele sondern „Kompetenzen“ sind zu erreichen. Die Umstellung auf „Kompetenzen“ klärt nicht wirklich, was Kinder in welchem Jahr an Grundfertigkeiten können müssen. Die über 550 Seiten lang beschriebenen Kompetenzen, die zu erwerben seien, sind fast unendlich weit gefasst. Was in der zur Verfügung stehenden Stundentafel und der Schulzeit möglich sein wird, kann nur ein Bruchteil von alldem sein. Da aber alle formulierten Kompetenzen
gleichwertig sind, ist nicht klar, was die Kinder schlussendlich gelernt haben müssen.
Damit ist die Sicherheit, dass jedes Kind die Grundtechniken unserer Kultur lernt, nicht mehr Ziel und nicht mehr gegeben. Wie viele Kinder würden für das Berufsleben unvorbereitet die umgestaltete Schule verlassen? Lehrlingsausbildner machen schon jetzt darauf aufmerksam, dass es schwer ist, fähige Lehrlinge zu finden.

5. Der Lehrer wird zum Coach
In diesem Kompetenzenkuddelmuddel und selbstentdeckendem Lernen ist es die Aufgabe der „Lehrperson“, Anreize zu geben, Materialien zur Verfügung zu stellen und die individuellen Lernwege zu begleiten.
Die Beziehung zum Lehrer ist der erste Schritt zum Lernen. Ein Lehrer als
Bezugsperson, der Freude hat, Kinder zu unterrichten, sie fördert und fordert, hat Erfolg. Er kann Schüler menschlich und fachlich voranbringen. Neuere Studien wie die von John Hattie “visible learning“ nicht auch gerade dieser zwischenmenschliche Aspekt, warum viele von uns Lehrer wurden. Weder Lehrer noch Schüler werden in einer Schule Freude und Erfolg haben, wenn die zwischenmenschliche Beziehung bewusst heruntergefahren wird.

6. Keine Klarheit, wie der Stand eines Schülers erfasst werden soll
Die verbindlichen Kompetenzen sind erst am Ende eines Zyklus festgelegt. (nach vier Jahren). Was ein Kind aber wirklich kann und vertieft gelernt hat, wird nicht deutlich und ist oftmals auch nicht gefordert. Das Einmaleins können; oder lediglich erkennen können, dass eine Zahl in die Fünferreihe passt, ist eben ein grosser Unterschied, auch wenn beide Male von Können die Rede ist. „Kennen Produkte aus dem Einmaleins, insbesondere jene mit den Faktoren 2,5,10“. (LP21 Mathematik S11, 2.2e, Beginn Zyklus 2). Eine Standardüberprüfung auf deutschschweizerischer Ebene ist angekündigt. Wie eine solche organisatorisch und inhaltlich aussehen soll, entzieht sich bisher unseres Wissens.

Das Einmaleins ist die Grundlage für jeden weiteren Fortschritt in der Mathematik. Wer dies den Kindern unterschlägt, kann nicht das Ziel unserer Volksschule verfolgen, möglichst vielen Kindern gute Grundlagen in den Kulturtechniken zu ermöglichen! Ein Klassenlehrer weiss wo seine Kinder stehen und kann gezielt Defizite auffangen. Schüler erstarken in ihrer Persönlichkeit nicht zuletzt daran, dass sie in einem Fach Schritt für Schritt weiterkommen und Erfolg haben. Das aufbauende Vermitteln von Wissen macht den Stoff für das Kind nachvollziehbar und ermutigt es für die nächsten Lernschritte. Es kann abschätzen, wo es persönlich steht und sein Engagement darauf ausrichten. Das Wissen um den eigenen Stand im Lernen, auch im Vergleich zu den Gleichaltrigen gibt Orientierung und Sicherheit.


7. Keine Harmonisierung
Die auf 550 Seiten beschriebenen Kompetenzen können unmöglich alle erreicht
werden, sprich, es ist Zufall, es unterliegt den individuellen Vorlieben des Coach oder es hängt vom Material ab, was ein Kind letztendlich lernt. Der gerademal zuständige Lernbegleiter bietet Themen an. Was die Kinder daraus machen, bestimmen sie, sie gehen ihre eigenen Lernwege. Jahresziele gibt es nicht mehr. So steht nicht nur jede Gruppe, jede Schule, jeder Kanton an einem anderen Ort, sondern auch noch jedes Kind. Was macht da ein zugezogenes Kind?
Genau betrachtet ist dieser Zustand der weitentfernteste Zustand von Harmonie zwischen den Kantonen. Er führt zu massiver Ungerechtigkeit und löst die Chancengleichheit auf. Oder spielt es für ein zugezogenes Kind keine Rolle mehr, womit es schulisch ausgestattet wurde, weil sowieso alle woanders stehen? Wer umzieht, muss sich an nichts mehr anpassen und sich in nichts mehr einfügen? Seinem individuellen Lernweg steht weiterhin nichts im Wege. Das ist aber nicht das, wofür sich die Stimmbürger einsetzen wollten, als sie dem Artikel 62 über die Harmonisierung der Volksschule zugestimmt haben. Im heutigen System sind die Jahresziele bekannt. Der Fächerkanon ist klar. Und der Lehrer hat die Aufgabe, die Kinder in jedem Fach zum Ziel zu führen, worauf die Gesellschaft sich verlässt. Das heisst, die Diskrepanz zwischen den Kantonen ist heute nicht so gross, wie uns weisgemacht wird. Die Unterschiede wären unkompliziert zu beheben.
Der Lehrplan 21 erfüllt das geforderte Ziel der Harmonisierung der Kantone
nicht.

8. Wer soll das bezahlen?
Umschulung der Lehrer, vom Pädagogen mit Herzblut zum Coach, mehr
Lehrpersonen, weil Fächerlehrkräfte, Umrüsten der Schulhäuser, Errichten einzelner Arbeitsplätze à la Grossraumbüros, Bildschirme und Computeranschlüsse für jeden Schüler, dazu die entsprechenden Netzwerke mit Wartung und Reparaturen. Dann Massen von neuen Lehrmitteln und buntgedruckten Wegwerfheften, Arbeitsgruppen, zur Erarbeitung der schweizerischen Prüfungen und entsprechendem Material. Dazu Verarbeitung und Verwaltung der daraus resultierenden Daten. Dazu die Heilpädagogen und Stützkräfte, die zunehmend mehr die gestrandeten Kinder „therapieren„ oder begleiten sollen. Daneben die Einrichtungen für die Hochbegabten. Und. Und. Und.
Nach den erheblich höheren Kosten, mindestens tausend Franken zusätzlich pro Kind, allein mit dem neuen Schulgesetz, stellt sich doch die Frage, wie dieser weitere immense Kostenaufwand bewältigt werden soll. Die ersten Gemeinden haben ihre Schulen an private, aussenstehende Firmen abgetreten. Dies weil sie Ihre Schule nicht mehr finanzieren konnten!

9. Ideologische Vorstellungen
Es ist im LP 21 viel die Rede von nachhaltiger Entwicklung, vom Erkennen von Machtstrukturen, vom Umgehen mit der Macht, selber Führungsposition einnehmen, Regierungsformen unterscheiden und beurteilen, Daten erheben können usw. Sollen solche Themen Inhalte eines Lehrplans sein? Die Kinder werden damit ideologisiert, weil sie weder sachlich noch ethisch reif dazu sind, solche Fragen zu beurteilen. Ihnen solche Fragen ernsthaft zur Beurteilung zu geben, ist irreführend und verleitet zur Selbstüberschätzung und Überheblichkeit. Es ist Aufgabe einer Volksschule diese Reife bei den ihr anvertrauten Kindern fachlich und menschlich zu entwickeln. Gerade unser Bildungssystem auf der Basis der christlich–abendländischen Kultur und der Demokratie hat den freien Geist gefördert und die Bürger kritisch gegen Ideologien gemacht. Die Orientierung an diesen Werten ist im Schulgesetz festgelegt und die Bürger vertrauen darauf, dass ein Lehrplan frei von ideologischen Inhalten ist.
Kopf, Hand und Herz, diese Pädagogik hat sich in unserem Land bis heute bewährt. Erst der unabhängige Geist in diesem Sinne ist in der Lage, sich über
gesellschaftliche Fragen in der Sache kundig zu machen und im Rahmen des
Gemeinwohls und der Demokratie kreative Lösungen vorzuschlagen.

Zum Schluss:
Es ist niemandem entgangen, dass viele der „Reformen“, die hier angesprochen wurden nicht nur neu sind. Im Gegenteil, wir haben schon mit ihren Folgen zu kämpfen. Es sei hier nur eine, für die Schweizer Wirtschaft aber weitreichende Folge erwähnt:
Lehrstellenbewerbern mangelt es, so die Lehrbetriebe, an Kenntnissen der
Rechtschreibung, Mathematik, aber auch an Engagement, Einsatzbereitschaft und Disziplin. Auffallend viele Schulabgänger bringen nicht mehr das nötige Rüstzeug mit, um eine Berufslehre machen zu können. Dies ist nur eine Auswirkung der im Geist und Sinne dieses jetzt vorgelegten Lehrplans schon schleichend umgesetzten „Reformen“. Mittels neuem Schulgesetz, der Lehrerausbildung und heimlich implantierten neuen Methoden und den dazu
entwickelten Schulmaterialien wurde unserem bewährten Schulsystem schon grosser Schaden zugefügt.
Mit der Einführung des Lehrplan 21 würde die ganze Fehlentwicklung forciert und gesamtschweizerisch zementiert.

Es ist jetzt an der Zeit und durchaus möglich, diese Entwicklung endgültig zu
stoppen! Wir sind niemandem verpflichtet. Dieser Lehrplan ist nicht verbindlich, er kann lediglich von der EDK vorgestellt werden. Die Kantone allein bestimmen über die Bildung. In einer so grundsätzlichen Frage wie der hier diskutierten geht der Weg nur über eine offene Diskussion und gegebenenfalls über die Volksabstimmung.


Kommen wir zurück auf das Bewährte unserer Schweizer Volksschule!

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