9. Februar 2014

Mathelehrer wollen strengere Matur

Wer in einem Fach sehr schwach ist, soll die Maturität nicht mehr bestehen. Es gibt Gymi-Schüler, die leben nach dem Optimum-Prinzip: Gelernt wird nicht etwa, was wichtig und nötig wäre, sondern vor allem, was mit geringstem Aufwand die besten Resultate bringt. Für sie ist das heutige Maturitätssystem perfekt. Durch eine geschickte Auswahl von Fächern können sie die Maturität bestehen, obwohl sie sich aus einem Fach faktisch verabschieden.








Der Druck für eine Anpassung steigt


Keine Matur mehr für Faulpelze, NZZaS, 9.2. von René Donzé




Das geschieht oft in der Erstsprache - vor allem aber in der Mathematik. «Rund 20 Prozent der Maturanden haben grob ungenügende Mathematikkenntnisse», sagt der Präsident der Berner Maturitätskommission, Jürg Schmid: «Das ist extrem bedenklich.» Schmid stützt sich auf eine Auswertung von Berner Maturanoten. «Grob ungenügend» heisst Note 2,5 oder tiefer. In anderen Kantonen dürfte es nicht anders sein. In der Studie Evamar II der Universität Zürich von 2008 waren 41 Prozent der schriftlichen Mathe-Maturaprüfungen ungenügend. Regelmässig kommen Klagen aus Hochschulen, zum Beispiel von ETH-Rektor Lino Guzzella und Michael Hengartner, Rektor der Universität Zürich.
Ein leeres Prüfungsblatt genügt
Es kursiert sogar die Geschichte eines Schülers, der an der Prüfung ein leeres Blatt abgab und die Matura dennoch bestand. Möglich ist dies dank dem System, wonach jeder Tiefpunkt (Notenpunkt unter 4) durch zwei Hochpunkte (Notenpunkte über 4) kompensiert werden kann. Die an sich sinnvolle Regel wurde verwässert, indem die Zahl der Maturitätsfächer auf 13 erweitert wurde (inklusive Maturaarbeit). So kann beispielsweise eine 2,5 in Mathe mit je einer 5,5 in Sport und Musik wettgemacht werden.
Damit soll nun Schluss sein, fordern die Deutschschweizer Mathematiklehrer (DMK). Sie fordern in einem Brief an die Schweizerische Maturitätskommission die Einführung einer zusätzlichen Bestehensnorm für die Maturität, welche die Kompensation ganz schwacher Leistungen erschwert. Neu soll die Summe der fünf tiefsten Noten mindestens 19 betragen. «Damit streben wir eine Regelung an, mit der die Schüler angehalten werden, vermehrt an ihren Schwächen zu arbeiten», sagt DMK-Präsidentin Daniela Grawehr.
Die Idee kommt nicht von ungefähr. Die Kantonsschule Solothurn hat eine solche Bestimmung bereits vor zehn Jahren ins Promotionsreglement eingebaut - und gute Erfahrungen gemacht, wie Rektor Stefan Zumbrunn sagt. «Damit sind die Exoten, die mit einer 2 in einem Fach durchs Gymi kommen, verschwunden», sagt er. «Wir haben keine tiefen Ausreisser mehr nach unten.» Auch die Rückmeldungen seitens der Hochschulen seien besser geworden. Dem Vernehmen nach liebäugelt auch Neuenburg mit einer solchen Regel, in Bern wird sie ebenfalls diskutiert. Die Promotionsreglemente können die Kantone in Eigenregie anpassen. Eine Änderung der Maturitätsanerkennungsverordnung hingegen müsste von der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) und vom Bundesrat genehmigt werden.
Druck für eine Anpassung steigt
Die EDK weiss um die mangelhaften Mathematik- und Sprachkenntnisse der Maturanden. Sie lässt beim Zürcher Professor Franz Eberle einen Katalog der grundlegenden Kompetenzen in diesen beiden Bereichen erstellen, die für ein Hochschulstudium vorhanden sein müssen. Diese sollen dann in den Rahmenlehrplan der Gymnasien aufgenommen werden. Inzwischen steht aber auch eine Veränderung der Bestehensnorm zur Diskussion. Laut EDK-Präsident Christoph Eymann steigt der Druck seitens der Lehrer und Rektoren für eine Anpassung. «Es gibt aber noch keinen konkreten Auftrag für eine Revision der Maturitätsverordnung», sagt er. Persönlich sei er indes gegen eine 19-Punkte-Regel, weil sie Schüler mit einseitigen Begabungen ausschliessen würde: «Gymnasiale Bildung sollte nicht auf Durchschnitt ausgelegt sein», sagt der Basler Erziehungsdirektor.
Positive Signale kommen vom Bund. Mauro Dell'Ambrogio, Staatssekretär für Bildung, Forschung und Innovation, sagt: «Ich bin sehr dafür, dass die Maturitätsprüfungsverordnung so angepasst wird, dass sehr schlechte Noten nicht mehr so einfach kompensiert werden können.» Laut Franz Eberle würde die Regelung zwar nicht alle Probleme lösen. «Sie würde aber weniger Ungleichgewichte im Notenbild bewirken», sagt er. «Aus diesem Blickwinkel sollte man sie diskutieren.»


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