6. Februar 2014

Richtungskampf an der PHNW

An der PH der Nordwestschweiz tobt offenbar ein Richtungskampf. Kürzlich bezogen die Anhänger von mehr Fachunterricht Stellung. Sie beklagten den Mangel an fachlichen Kompetenzen der Junglehrer. Nun treten die Befürworter von mehr Praxisunterricht an die Öffentlichkeit. Die Politiker verschiedenster Parteien sind sich aber in einem Punkt einig: Die Ausbildung ist ungenügend! Mit einem Postulat fordern nun Landräte die Regierung auf, Korrekturen am Leistungsauftrag vorzunehmen. Explizit wird verlangt, dass die Theorie- und Forschungsteile bei der Ausbildung "drastisch reduziert" werden sollen. 



Ein höherer Praxisanteil würde das Studium verlängern, Bild: Colourbox

Junglehrer in der Praxis überfordert, Basler Zeitung, 6.2. von Thomas Dähler



Frisch ausgebildete Lehrpersonen, die fachlich überfordert sind und Mühe haben, ihren Schülerinnen und Schülern die erforderlichen Fähigkeiten zu vermitteln: Die neu konzipierte Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule (PH) ist keine Erfolgsgeschichte. Jetzt verlangen Baselbieter Landräte aus allen Parteien, dass die Ausbildung der Primarlehrer mehr Gewicht auf die Praxis legt. Mit einem Postulat fordern Landrat Jürg Wiedemann (Grüne) und sieben Mitunterzeichnende die Regierung auf, bei den Verhandlungen für den Leistungsauftrag der Fachhochschule Korrekturen zu verlangen.
Die Politikerinnen und Politiker verschiedenster politischer Couleur sind sich einig: Die PH bildet die angehenden Lehrkräfte ungenügend aus. Bereits letzten Herbst hat eine Mitarbeiterumfrage an der PH Nordwestschweiz ergeben, dass zwei Drittel der Dozierenden sich gegen mehr Forschungsarbeit wehren. Wiedemanns Vorstoss im Landrat verlangt jetzt explizit, dass die Theorie- und Forschungsteile bei der Ausbildung angehender Primarlehrkräfte «drastisch reduziert» werden. «Die Studierenden müssen während ihres Studiums zu viele Studien durcharbeiten», sagt Wiedemann. Als Folge davon fehle beim Abschluss der Praxisbezug.
Dass theoretische Studien bei der Ausbildung der Lehrkräfte einen hohen Stellenwert erhalten haben, ist das Ergebnis der Verlagerung der Lehrerausbildung von den Seminaren weg an die Fachhochschulen. Hochschulen profilieren sich mit Forschungsarbeit.
Die PH weiss um die Kritik, verweist aber auf den geringen Anteil der Forschung beim Studiengang. Tatsächlich beträgt im Ausbildungsprogramm für Primarlehrkräfte der Forschungsanteil nur 4,4 Prozent des gesamten Studiums. Doch im Studienalltag liegt der Schwerpunkt dennoch nicht auf der Praxis. Auch die pädagogische und didaktische Ausbildung ist theorielastig. Es wäre auch nicht einfach, die Zahl der Praktika zu erhöhen: In der Schweiz gibt es zu wenig Praktikumsplätze, wie diese Woche in der Sendung «10 vor 10» des Schweizer Fernsehens SRF zu den steigenden Zahlen der Studierenden zu erfahren war.
Am oberen Rand der Vorgaben
Junge Lehrerinnen und Lehrer kritisieren ihre Ausbildung allerdings nur hinter vorgehaltener Hand – sie fürchten sich vor Nachteilen bei Stellenbewerbungen. Wiedemann indes bestätigt: «Junge Lehrpersonen sagen, sie fühlten sich nicht auf den Berufsalltag vorbereitet.» Dass die Studierenden Mühe haben, einen Praktikumsplatz zu finden, erstaunt Wiedemann nicht. Auf der Sekundarstufe I jedenfalls habe er als Lehrer entsprechende Erfahrungen auch schon machen müssen: «Ich habe schon mehrmals erlebt, dass auch sehr engagierte Praktikantinnen oder Praktikanten fachlich Mühe hatten, vor der Schulklasse zu bestehen.»
Der praktische Teil der Primarlehrer-Ausbildung lässt sich nicht so leicht erhöhen. Der Studiengang ist von der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) anerkannt. «Unsere berufspraktischen Studien bewegen sich bereits am oberen Rand der EDK-Vorgaben», sagt Christian Irgl, Leiter Marketing und Kommunikation der PH. «Das Einhalten der Rahmenbedingungen ist nicht nur sinnvoll, sondern sichert den Absolvierenden auch eine schweizweit gültige Lehrberechtigung.»
Ein grösserer praktischer Ausbildungsteil würde das Studium verlängern. In Diskussion ist deshalb auch die Variante, das heutige Bachelor-Studium zu einem Master-Lehrgang auszubauen. Dieser Variante steht Wiedemann positiv gegenüber. Das würde es ermöglichen, sowohl das Fachstudium als auch die praktische Ausbildung auszubauen. Auf der Primarschulstufe werde heute – beispielsweise – während vier Jahren Französisch unterrichtet. «Das setzt bei den Lehrkräften sehr gute Französischkenntnisse voraus», sagt Wiedemann. Auch wenn das Studium teurer wird, sei dies gerechtfertigt: «Ausgebildete Lehrpersonen müssen insbesondere fachlich hoch qualifiziert sein und auch methodisch-didaktisch ihr Handwerk verstehen. Ansonsten sind disziplinarische Probleme im Klassenzimmer ­programmiert.»

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