18. März 2014

Harmos: Bedenken endlich ernst nehmen

Der Baselbieter Lehrerverband lvb macht bezüglich der Harmos-Ausstiegsinitiative eine Auslegeordnung. Klar ersichtlich sind dabei die Möglichkeiten, welche ein Ausstieg bieten würde. Doch man will die Türe zu Harmos noch nicht zuschlagen. Gleichzeitig erwartet man vom Kanton und der EDK, dass die anhaltende und fundierte Kritik endlich ernst genommen wird. 


















2006: In BL sagen 91% der Stimmberechtigten Ja zum Harmonisierungs-Verfassungsartikel.
2010: In BL sagen noch 56% der Stimmberechtigen Ja zum HarmoS-Konkordat.
2014: Nur noch 22% der sich an unserer Umfrage beteiligenden LVB-Mitglieder votieren für einen HarmoS-Verbleib. Grafik: lvb

Haltung der LVB-Mitglieder zur angekündigten Harmos-Austrittsinitiative, lvb, 18.3.


Die LVB-Geschäftsleitung ist überzeugt davon, dass die inhaltliche Harmonisierung der schweizerischen Schullandschaft weiterhin ein erstrebenswertes Ziel darstellt, auch für die klare Mehrheit seiner Mitglieder. Das überaus deutliche Verdikt der Umfrage aber zieht die Interpretation nach sich, dass...
  • eine gewaltige Ernüchterung eingetreten ist über die Art und Weise, wie diese „Harmonisierung" angepackt wurde.
  • in den vergangenen Jahren ein tiefgehender Vertrauensverlust den Verantwortlichen gegenüber stattgefunden hat.
  • die Fülle der unter dem Label „Bildungsharmonisierung" angerissenen Reformen ein bewältigbares Mass überschritten hat und auch inhaltlich von vielen Lehrpersonen nicht (mehr) mitgetragen wird.
  • die konkrete Umsetzung von HarmoS als Etikettenschwindel wahrgenommen wird, der zwar „hyperaktiv" Projekt um Projekt startet, aber das entscheidende Versprechen nicht einlöst: die Beseitigung der Mobilitätsprobleme. Im Gegenteil: Die kantonalen Schulsysteme sind seit 2006 weiter auseinandergedriftet als zuvor!
Für die Bevölkerung ist HarmoS bisher primär ein Kostenfaktor: Die Gemeinden investierten in BL 500 Mio. Fr. für Schulhausbauten, der Kanton bewilligte 13 Mio. Fr. für Umschulungen. Wenn der Gegenwert in Form des versprochenen Abbaus der Mobilitätshindernisse ausbleibt, ist Widerstand auf breiter Front wenig überraschend.
Was ein Austritt aus HarmoS nicht bedeuten würde:
  • eine „Bildungsinsel BL": Das Beispiel Aargau zeigt, wie man auch als Nicht-HarmoS-Kanton den Verfassungsartikel erfüllen kann.
  • einen neuerlichen Systemwechsel zurück zu 5/4
  • eine Rücknahme der Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts
  • eine Aufgabe der integrativen Schulung
Was ein Austritt aus HarmoS ermöglichen würde:
  • „Sorgfalt vor Tempo" nicht nur deklarieren, sondern auch umsetzen, z.B. hinsichtlich der Einführung des Lehrplans 21
  • nur jene Harmonisierungs-Schritte mitmachen, die wirklich die Kompatibilität der kantonalen Schulsysteme verbessern
  • sinnvolle Detaillösungen realisieren können, z.B. auf die nicht nachvollziehbare Zusammenlegung von Geschichte und Geographie verzichten oder die leistungsschwächsten Schülerinnen und Schüler von einer Fremdsprache entlasten
Für den LVB ist die HarmoS-Türe noch einen Spalt weit offen: Aber BKSD und EDK müssen nun die Bedenken und Kritikpunkte endlich ernst nehmen und zu Kompromissen bereit sein, anstatt die Skeptiker und ihre Anliegen ins Lächerliche zu ziehen oder unmöglich zu machen. Es braucht ein Bekenntnis dazu, dass die genannten Punkte auch mit HarmoS zu realisieren sind. Ausserdem muss sich der Harmonisierungsprozess endlich dem Kernanliegen des Stimmvolkes, nämlich dem Abbau der Mobilitätshindernisse, widmen, anstatt weiterhin auf den „Bildungsmessbarkeitswahn" zu fokussieren und damit in Zukunft der mächtig gewachsenen Verwaltung noch mehr Beschäftigung zu verschaffen - mit Ressourcen, die dann an den Schulen selber fehlen.

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