19. März 2014

Harmos-Notbremse?

Der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland stellt sich zwar nicht explizit hinter die beiden Volksinitiativen der Starken Schule Baselland. Dennoch übt der Verband Kritik an der Bildungspolitik von SP-Bildungsdirektor Urs Wüthrich: Es gebe "keinerlei Gesprächsbereitschaft" beim Departement.




Nach nur drei Jahren ist in Sachen Harmos Ernüchterung eingekehrt, Bild: Keystone

Es droht die Harmos-Notbremse, Basler Zeitung, 19.3. von Thomas Dähler


Der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB) stellt sich nicht hinter die beiden Volksinitiativen der Starken Schule Baselland: Weder zum Harmos-Austritt noch zur Sekundarlehrer-Initiative nahm der Verband gestern bei der lange angekündigten Medienkonferenz in Liestal Stellung. Doch der Verband übt geharnischt Kritik an der Reformpolitik von Bildungsdirektor Urs Wüthrich. Es gebe «keinerlei Gesprächsbereitschaft» bei der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD).
«Es wäre wirklich gut, wenn die Ini­tiative für den Austritt aus dem Harmos-Konkordat zustande käme», sagte zwar Michael Weiss, Interims-Präsident des Verbands. Doch dies sei keine Abstimmungsempfehlung. Weiss sieht in der Initiative eher «eine Notbremse», wenn alle Bemühungen scheiterten, Harmos darauf zu beschränken, die Schulsysteme der Kantone einander anzunähern. Roger von Wartburg, designierter Nachfolger des Interims-Präsidenten, bezeichnete die von der BKSD aufgegleisten Umsetzungspläne für die Harmonisierung als «Etikettenschwindel». Die Schulsysteme der Kantone würden mit den Reformen sogar weiter auseinanderdriften. Von Wartburg befürchtet zudem, dass das «Dauerreformieren immer weitergeht».
Nur 22 Prozent für Harmos
Gemäss einer Umfrage bei den LVB-Mitgliedern sind nur noch 22 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer für den Verbleib beim Harmos-Konkordat. 2006 sei der Harmonisierungsartikel auf Bundesebene noch auf 91 Prozent, der Baselbieter Harmos-Beitritt 2010 auf 56 Prozent Zustimmung gestossen. «Etwas muss mit der Art und Weise, wie hier harmonisiert wird, falsch laufen», sagte Weiss zu dem Sinneswandel. «Das Umfrageergebnis zeigt einen tief reichenden Vertrauensverlust unserer Mitglieder in die Bildungspolitik.» Bildungsdirektor Wüthrichs Versprechen, die Finanzierung von Harmos sei gesichert, habe sich als Irrtum herausgestellt. Die Lehrkräfte glaubten nicht mehr an den Sinn der derzeitigen Reformen. Weiss: «Schulreformen, hinter denen die Lehrkräfte nicht stehen, scheitern.»
Die Harmos-Reformen würden unter Ausschaltung der Sozialpartnerschaft umgesetzt, versuchte der LVB-Präsident den Vertrauensverlust zu erklären. Zurzeit müssten sich die Primarlehrer ohne jede zeitliche Entlastung auf die Übernahme des 6. Schuljahrs vorbereiten. Ausserdem würden viele Lehrer unbezahlte Zeit für den raschen Erwerb einer Fremdsprache einsetzen.
Für die Sekundarlehrer seien Schnellbleichen geplant, die sie für die neu erfundenen Kombifächer im Eiltempo vorbereiteten. Die neue Stundentafel sieht ab 2015 die Fusion mehrerer Fächer vor: Aus Biologie, Chemie und Physik wird «Natur und Technik», aus Geografie und Geschichte neu «Räume, Zeiten, Gesellschaften» und aus Hauswirtschaft und Wirtschaft neu «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt».
Kurskorrektur bei der Ausbildung
Auch bei der umstrittenen Sekundarlehrerausbildung stellt sich der Lehrerinnen- und Lehrerverband nicht hinter die Initiative «für kompetent ausgebildete Lehrpersonen» (vgl. Text unten). Dennoch ist der Verband für eine Kurskorrektur. 1156 Lehrerinnen und Lehrer unterstützten eine Neuausrichtung der Ausbildung angehender Lehrkräfte, erklärten Lukas Aerni und Nadine Berger als Vertreter des Komitees «Qualität an den Schulen und in der Ausbildung der Sek-I-Lehrkräfte», das die Unterschriften gesammelt hat.
Gefordert wird, dass die neuen Kombifächer nur von fachwissenschaftlich adäquat ausgebildeten Lehrpersonen unterrichtet werden, dass der fachwissenschaftliche Anteil der Ausbildung angehender Sekundarlehrer an der Pädagogischen Hochschule massiv erhöht wird und dass auch in Zukunft bei den Teilfächern eigenständige Ausbildungen verlangt werden. Ausserdem sollen der Studiengang an der Fachhochschule und der konsekutive Studiengang an Universität und Fachhochschule gleichwertig anerkannt werden.
Lehrkräfte wollen Misstände beheben
Der LVB unterstützt auch ausdrücklich zwei moderate Vorstösse im Landrat und im Basler Grossen Rat. Marc Joset (SP, BL) und Daniel Goepfert (SP, BS) verlangen mit den Vorstössen, dass die Regierungen Synergien zwischen der Fachhochschule und der Universität prüfen und sich bei der FHNW und der Erziehungsdirektorenkonferenz dafür einsetzen, dass 60 Prozent der Ausbildung auf das Fachstudium entfallen.
Bei der Starken Schule Baselland zeigte man sich gestern auf Anfrage nicht enttäuscht, dass sich der LVB nicht ausdrücklich hinter ihre Volksinitiativen stellt. Geschäftsleiterin Saskia Olsson erklärte, die über 1100 Unterschriften würden belegen, dass eine grosse Mehrheit der Lehrkräfte die Missstände ebenfalls beheben wolle.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen