2. März 2014

Kinder sind hart im Nehmen

Es tönt grandios: Die heutigen Schüler sollen im Sprachsee baden, drin schwimmen und gleichsam im Spiel bald elegant Französisch parlieren können. Ohne Wörtchen zu büffeln, Grammatik auswendig zu lernen oder sich quälenden Diktaten auszusetzen. Singend, spannenden Geschichten lauschend und durch den Computer beflügelt wird ihnen die Fremdsprache ins Hirn rieseln wie das Manna auf der Wanderung ins Gelobte Land.
Kommentar von Franziska Laur zum Französischlehrmittel "Mille Feuilles", Basler Zeitung, 27.2.

Während es durchaus noch Lehrer gibt, die sich unverdrossen vor ihre Klasse hinstellen und Leistung verlangen, scheuen dies Bildungs­bürokraten wie der Teufel das ­Weih­wasser. Lieber packen sie ­unan­genehme Tatsachen in Watte und servieren ein Gericht aus Spiel, Spass und guter Laune. Doch Schüler wollen gefordert sein, viele fühlen sich erst dann wohl, wenn sie konkrete Aufgaben gestellt bekommen, die sie mit Stolz ausführen können. Doch beim Unterricht mit «Mille feuilles» werden Lernziele gesetzt, wie: «Ich habe gelernt, die Rückmeldungen und Beurteilungen von ­Mitschülern als Chance zum ­Weiterlernen zu nutzen.» Welcher Schwachsinn, welch sozialromantische Vorstellung von Pädagogik!
Gerade schwächere, nervösere Kinder brauchen feste Formen und gute Leitplanken. Sobald die Logik fehlt, brauchen sie Anleitung und Hilfestellungen, um einen Stoff zu erarbeiten und zu gliedern. Diese Kinder sind dann im Nachteil, wenn es um die Arbeit mit «Mille feuilles» geht.
Es gibt jedoch einen weiteren Aspekt: Wir sind zur Spassgesellschaft geworden. Alles soll leicht, locker, spielerisch und freudig über die ­Runden gehen. Doch häufig ist eine ­Leistung, mit Schweiss und Tränen erkämpft, sehr befriedigend und nachhaltig. Diese Erfahrung dürfte der heutigen Generation fehlen, bis sie mit dem Eintritt in die Mittelschule mit den harten Schulrealitäten konfrontiert ist.
Glücklicherweise sind Kinder hart im Nehmen. Wenn man ihnen nicht gerade ein Holzscheit an den Kopf haut oder sie in die Wäschekammer sperrt, so halten sie fast alles souverän aus und passen sich auf geduldige Weise an. Sie werden auch «Mille feuilles» meistern. Problematisch ist vielmehr, dass einmal mehr wertvolle Ressourcen und Kosten in dieses unsinnige Projekt gesteckt werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen