7. März 2014

"Klassengrösse als alleiniges Steuerungsinstrument ablösen"

Der Kanton Bern muss die Klassengrösse von durchschnittlich 19,2 auf 19,7 anheben. Dies soll "mit Augenmass" geschehen, wie Erziehungsdirektor Bernhard Pulver erklärte. Neben der Klassengrösse seien für die Kosten aber auch die Anzahl Lektionen pro Schüler massgebend. Deshalb wird damit gerechnet, dass das Wahlfachangebot verringert werden wird.



Bevor Klassen gestrichen werden, wird das Wahlfachangebot gekürzt, Bild: Keystone

Aderlass bei den Wahlfächern, Berner Zeitung, 7.3. von Christoph Aebischer



Normalerweise ist die Mitgliederversammlung des Verbands der Berner Schulbehörden Formsache. Am Donnerstagabend zog das Referat von Erziehungsdirektor Bernhard Pulver aber deutlich mehr Gemeinderäte und Schulleiter in die Aula des Berner Gymnasiums Kirchenfeld. Es ging um die Umsetzung der umstrittenen Sparmassnahme bei den Klassengrössen.
Die aktuell laufende Klassenorganisation für das nächste Schuljahr steht unter diesem Zeichen: Der Grosse Rat verlangte im November, dass die durchschnittliche Klassengrösse von 19,2 auf 19,7 angehoben wird. Doch weil die Erziehungsdirektion (ERZ) ihre eigenen Ziele bisher verfehlte, liegt sie aktuell erst bei etwas mehr als 18,5 (wir berichteten).
Im Dezember 2013 ist die ERZ mit Planungsgrundlagen auf die Schulen und Gemeinden zugegangen. Würden die darin enthaltenen Zielgrössen erreicht, stellt Bernhard Pulver auf Anfrage fest, werde der Schnitt von 19,2 erreicht, nicht aber die anvisierten 19,7. «Wir geben ihnen aber sicher zwei Schuljahre Zeit dafür», sagt Pulver.
Druck auf Wahlfachangebot
Schon das Erreichen des ersten Zwischenschritts für Sommer 2014 ist aber offenbar schwierig: «Das ist Knochenarbeit für die Schulinspektorate», betont Erwin Sommer, Leiter des kantonalen Volksschulamts. Zusammen mit den Gemeinden werde derzeit nach den verträglichsten Lösungen gesucht. Wo möglich würden Klassen geschlossen, wo nicht, einzelne Lektionen gestrichen. In Köniz etwa laute die Vorgabe 1,1 Lektionen weniger pro Klasse. «Absehbar ist, dass viele Gemeinden das Angebot an Wahlfächern reduzieren. Das wollten wir unbedingt vermeiden», bedauert Sommer. Im nächsten Jahr werde die Sparübung dann wohl Entlassungen zur Folge haben.
Einen Überblick über die Umsetzungsstrategien fehlt Sommer derzeit. Die Pensenmeldungen aus den Gemeinden müssen Mitte Juni bei den Schulinspektoraten deponiert sein. Die Zentrale wird erst Ende August wissen, wie die Auswirkungen im Detail aussehen.
Der Prozess sorgt aber nicht überall für Kopfzerbrechen. Die Stadt Bern wird sogar neue Schulklassen eröffnen: «Bei uns steigt die Schülerzahl», begründet Jörg Moor, stellvertretender Leiter des Schulamts. Die Vorgabe, den Klassenschnitt von heute 19,7 auf 20 anzuheben, wird trotzdem erfüllt. Gespart werde in der Stadt Bern unter dem Strich nichts. Man befinde sich aber innerhalb der kantonalen Richtwerte: Im Kindergarten sollen pro Kind nicht mehr als 1,5 Lehrerlektionen pro Woche aufgewendet werden. Pro Kindergartenklasse macht das im Schnitt 27 Lektionen. In der Primarschule sind es 1,7 Lektionen und auf der Sekundarstufe 2 Lektionen pro Schüler.
Das Anheben der durchschnittlichen Klassengrösse senkt nicht per se die Kosten, bestätigt Sommer. Entscheidend sei auch die Anzahl Lektionen pro Schüler, und diese hänge eben auch von anderen Faktoren wie abteilungsweisem Unterricht ab. Darum wolle man die Klassengrösse als alleiniges Steuerungsinstrument mittelfristig durch ein neues System ablösen. Pulver will dieses aber vorher in einem Schulversuch testen.
Pulver: «Mit Augenmass»
Pulver betonte gestern Abend vor den Schulbehörden, er wolle kein Chaos anrichten an den Schulen und die Sparvorgabe mit Augenmass umsetzen. Letztlich sei das auch der Grundtenor gewesen, den er im Grossen Rat vernommen habe. Insbesondere sollen nicht kurzfristig Klassen geschlossen werden, wenn wachsende Schülerzahlen im Jahr darauf deren Wiedereröffnung verlange. Rücksicht solle auch genommen werden, wenn Schulstandorte gefährdet sind oder bei schwierigen Verhältnissen in einer Klasse. Die Frage ist also nicht, ob für das laufende Jahr ein Nachkredit nötig ist – offen ist nur, wie hoch er ausfallen wird.


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