Herzog: "Der Ansatz ist nicht sehr überzeugend, und der Prozess war nicht sonderlich demokratisch." Bild: zvg
"Die Korrekturen sind bloss Kosmetik", Berner Zeitung, 15.4. von Christoph Aebischer
Letzte Woche wurde die Überarbeitung des
Lehrplans 21 angekündigt. Er soll um 20 Prozent kürzer, etwas moderater in den
Ansprüchen und insgesamt wertneutraler werden. Insgesamt bleiben Inhalt,
Struktur und Ausrichtung aber erhalten. Überarbeitet wird der Lehrplan von
denselben Leuten, die bereits den Entwurf zusammenstellten. Kritische Stimmen werden nicht eingebunden.
Der Berner Erziehungswissenschaftler Walter
Herzog ist eine dieser Stimmen. Dem fundier-ten Kritiker des zukünftigen
Schulkompasses für sämtliche Deutschschweizer Kantone erscheinen die
angekündigten Massnahmen als blosse «Kosmetik». Er bleibt bei dem, was er im
Januar in Luzern in einem Referat vor Pädagogen gesagt hatte: «Der Lehrplan 21
ist ein ungenügend legitimiertes Reformprojekt, dessen Scheitern absehbar ist.»
Darauf angesprochen, präzisiert Herzog: «Scheitern wird der Lehrplan wohl nicht
am Widerstand, obwohl auch das nicht ausgeschlossen ist. Scheitern wird er in
der Umsetzung.»
Rankings durch die Hintertür
Für Herzog, der einen schlanken
Rahmenlehrplan bevorzugt hätte, fehlt ein sauberer pädagogischer Aufbau des
dicken Wälzers. Der gewählte Kompetenzbegriff sei unpräzis. Insbesondere bleibe
auch unklar, wie das beabsichtigte Bildungsmonitoring ausgestaltet werden
solle. Als hartnäckiger Mahner warnt er vor Rankings, welche sich durch die
Hintertür einschleichen könnten. «Niemand will sie. Aber niemand sagt, was
dagegen unternommen werden soll», moniert er. Bilden nur Stichproben die Basis
für die Vergleiche, wie dies beabsichtigt ist, halte sich die Gefahr jedoch in
Grenzen, räumt er ein.
Fehlende öffentliche Debatte
Dass er kürzlich von der SVP, die fundamental
gegen den Lehrplan agiert, ohne Anfrage vor den Karren gespannt wurde, behagt
Herzog nicht. «Die Ziele ihres Alternativlehrplans teile ich nicht.» Dennoch
bleibt er kein Freund des Lehrplanprojekts der Deutschschweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz: «Der Ansatz ist nicht sehr überzeugend, und der
Prozess war nicht sonderlich demokratisch.»
Die Schule hätte eine grundsätzliche Debatte
zur Ausrichtung verdient. Herzog stört sich auch an der Geheimniskrämerei über
die Kosten. Allerdings hätte die öffentliche Diskussion viel früher, also vor
der Präsentation eines Entwurfs, erfolgen müssen. «Jetzt über einzelne Fächer
zu debattieren, macht tatsächlich keinen Sinn mehr», pflichtet er den am
Freitag geäusserten Befürchtungen der Bildungsdirektoren bei.
Trotz seiner Bedenken glaubt Herzog nicht,
dass die Schule mit der Einführung des Lehrplans ernstlich Schaden nehmen wird.
Die Erfahrung habe ihn gelehrt, dass die Schule meist pragmatisch umgehe mit
solchen Reformen und sich nicht so leicht beeinflussen lasse.
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