3. April 2014

Staatsstreich im Schulzimmer

Der Spruch «Die Schule wäre so schön, wenn es die Schüler nicht gäbe» zirkuliert manchmal – ironisch gedacht – unter Lehrkräften. Durchaus sarkastisch gemeint ist die bildungsbürokratische Variante: «Bildungspolitik wäre so schön, wenn es die Lehrer nicht gäbe.»
Der Lehrplan 21 ist ein Staatsstreich im Schulzimmer, Die Weltwoche 14/2014 von Alain Pichard


Zumindest hat dies ein Schulleiter erfahren, dessen Verdienst es war, mit seinem Kollegium den Lehrplan 21 zu durchforsten. Die nicht sehr schmeichelhafte Beurteilung der Praktiker sandte der Vorsteher an die Vernehmlassungsstelle. Dazu brauchte es einen Code. Ohne es zu wissen, verstiess der gute Mann gegen die Hierarchie und wurde gemassregelt. Was ihm denn einfalle, die Antwort direkt an die Lehrplan-Verantwortlichen zu schicken. Die richtige Adresse wäre der Kanton gewesen, welcher alle Antworten sammeln und zusammengefasst an die Lehrplan-Zentrale schicken würde. Immerhin konnte der Schulleiter darauf verweisen, dass er ja den Zugangscode erhalten habe, was – so die Antwort von oben – natürlich nie hätte passieren dürfen. Die Antwort war die Aktion «550 gegen 550». Sechzehn initiative Lehrkräfte aus verschiedenen Kantonen formulierten ihre Kritik an dem monumentalen Regelwerk in einem Memorandum, mit der Absicht – gemäss der Seitenzahl des Lehrplans – 550 Unterschriften zu sammeln. Innert zweier Wochen waren diese von den Unterstützenden beisammen, und bald einmal waren es über tausend Lehrkräfte, welche sich der ­Kritik angeschlossen hatten. Nun traten die Vertreter dieser aufmüpfigen Praktiker an die Öffentlichkeit, um mit Nachdruck noch einmal ihre Forderungen für die Überarbeitungsphase zu formulieren:Sie verlangten einen sofortigen Stopp der Geheimhaltung zugunsten eines offenen Dialogs, eine effizientere Organisationsform, in welcher die Verantwortlichkeiten zugewiesen sind, den Einbezug der Kritiker und eine breite Diskussion über den Paradigmenwechsel, weg von den Inhalten in Richtung Kompetenz­orientierung. Vor allem aber verlangten sie eine Kostentransparenz. Die Verantwortlichen müssten klarmachen, welche Neuerung wie viel kostet und woher das Geld kommen soll. Der Gymnasiallehrer und ehemalige Grossratspräsident von Basel-Stadt, Daniel Goepfert (SP), formulierte es so: «Das Vorgehen der Lehrplanverantwortlichen ist geheimbündlerisch, autistisch und einer Demokratie unwürdig.» Dem ist nichts beizufügen.

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