25. April 2014

Was läuft falsch in Baselland?

Die Bildungspolitik im Baselbiet sei gescheitert. Dies sagt der Grüne Landrat und Bildungspolitiker Jürg Wiedemann und deutet an, dass das Stimmvolk möglicherweise beim Beitritt zum Harmos-Konkordat in die Irre geführt worden sei.








Landrat und Lehrer Wiedemann: "Harmos kostet den Kanton 500 Millionen. Geld, welches dann im Schulzimmer fehlt".


Harmos ist gescheitert, Basellandschaftliche Zeitung, 19.4. von Jürg Wiedemann



Ein Votum, das an Klarheit nicht deutlicher sein könnte: 79.5% der Sekundarlehrpersonen möchten aus Harmos austreten. Die vom Komitee "Starke Schule Baselland" durchgeführte Umfrage bei 281 Lehrpersonen an den Sekundarschulen Liestal, Gelterkinden, Binningen, Oberwil und Allschwil ist aussagekräftig. Die Stimmbeteiligung betrug hohe 53.7%.
Bevölkerung im 2010 in die Irre geführt
Das Baselbieter Stimmvolk befürwortete 2010 den Beitritt zum Harmos-Konkordat mit 56%, verleitet durch eine verführerische Argumentation: Jedes Kind solle künftig von A nach B wechseln können, ohne in der neuen Schule Schwierigkeiten zu erhalten. Überall würde derselbe Unterrichtsstoff gelernt, ein gemeinsamer Lehrplan garantiere dies. Und teuer sei die Bildungsreform ebenfalls nicht. Gemessen an diesen Beteuerungen ist das Resultat ernüchternd. Die Bildungsdirektion muss sich gar den Vorwurf gefallen lassen, das Stimmvolk 2010 möglicherweise unbewusst in die Irre geführt zu haben.
Schulwechsel wird mit Harmos schwieriger
Nur eine Minderheit der deutschsprachigen Kantone macht bei Harmos mit und nicht mal diese konnten sich auf die wichtigsten Eckpunkte einigen:
  • Harmos regelt den Fremdsprachenbeginn nicht. Zahlreiche Kantone (z.B. Baselland) beginnen in der dritten Primarklasse mit Französisch, andere erst in der fünften (z.B. Aargau, Zürich). Gleiches gilt auch für die zweite Fremdsprache Englisch. Vor Hamos lernten die Kinder in fast allen Kantonen ab dem fünften Schuljahr Französisch.
  • In einigen Kantonen werden Physik, Chemie, Biologie, Hauswirtschaft auch weiterhin als Einzelfächer unterrichtet und benotet. In anderen werden diese in Sammelfächer zusammengeführt und marginalisiert. Neu gibt es z.B. in Baselland die Fächer "Natur und Technik", "Räume, Zeiten, Gesellschaften", "Wirtschaft, Arbeit, Hauswirtschaft".
  • Nicht einmal die Stundendotation in einigen Kernfächern konnte vereinheitlicht werden. So geniessen die Schülerinnen und Schüler nach der Umsetzung von Harmos z.B. in Baselland mehr Mathematiklektionen als in unserem Nachbarkanton Basel-Stadt.
  • Der Lehrplan 21 baut auf Tausenden von Kompetenzbeschreibungen auf, die dem heterogenen Leistungspotential der Kinder und den unterschiedlichen Zukunftsperspektiven nicht gerecht werden. Mit welchen Lerninhalten diese Kompetenzen erreicht werden sollen, ist kaum definiert. Die 2010 vorgegaukelte Vereinheitlichung wird nicht erzielt.
Harmos verschlingt mehrere Hundert Millionen
Die Umsetzung dieser Schulreform, die weit über das vom Bund vorgegebene Ziel hinausgeht und unter dessen Deckmantel eine völlig neue Philosophie eingeführt werden soll, kostet unseren Kanton 500 Millionen Franken, z.B. für Um- und Neubauten, Weiterbildungen, neue Lehrmittel. Geld, welches im Schulzimmer fehlt und einen spürbaren Bildungsabbau zur Folge hat. Wussten Sie, dass Ihnen dafür in zahlreichen Gemeinden Steuererhöhungen drohen?
Harmos-Ausstiegsforderung ist verständlich
Harmos ist gescheitert und ein Ausstieg die folgerichtige Konsequenz, auch wenn dadurch wesentliche Entscheide nicht mehr rückgängig gemacht werden, wie zum Beispiel die Verlängerung der Primarschule auf sechs Jahre. Die Pädagogen, die täglich im Schulzimmer mit den Lernenden arbeiten, haben dies erkannt. So ist das heutige, vernichtende Votum von 79.5% der Lehrpersonen, die sich für einen Ausstieg aus dem Harmos-Konkordat aussprechen, verständlich.

Der Bildungsdirektor täte gut daran, die Stossrichtung seiner am Schreibtisch ohne Praxisbezug ausgetüftelte Reformpolitik zu überdenken. Ob er das will und es ihm in seiner verbleibenden Zeit bis zu seinem Abgang Mitte 2015 gelingt, ist fraglich: Zu tief befindet sich die Bildungspolitik in der Sackgasse, zu hoch der Gesichtsverlust der Verantwortlichen.

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