Landrat und Lehrer Wiedemann: "Harmos kostet den Kanton 500 Millionen. Geld, welches dann im Schulzimmer fehlt".
Harmos ist gescheitert, Basellandschaftliche Zeitung, 19.4. von Jürg Wiedemann
Ein
Votum, das an Klarheit nicht deutlicher sein könnte: 79.5% der
Sekundarlehrpersonen möchten aus Harmos austreten. Die vom Komitee "Starke
Schule Baselland" durchgeführte Umfrage bei 281 Lehrpersonen an den
Sekundarschulen Liestal, Gelterkinden, Binningen, Oberwil und Allschwil ist
aussagekräftig. Die Stimmbeteiligung betrug hohe 53.7%.
Bevölkerung im 2010 in die Irre geführt
Das
Baselbieter Stimmvolk befürwortete 2010 den Beitritt zum Harmos-Konkordat mit
56%, verleitet durch eine verführerische Argumentation: Jedes Kind solle
künftig von A nach B wechseln können, ohne in der neuen Schule Schwierigkeiten
zu erhalten. Überall würde derselbe Unterrichtsstoff gelernt, ein gemeinsamer
Lehrplan garantiere dies. Und teuer sei die Bildungsreform ebenfalls nicht.
Gemessen an diesen Beteuerungen ist das Resultat ernüchternd. Die
Bildungsdirektion muss sich gar den Vorwurf gefallen lassen, das Stimmvolk 2010
möglicherweise unbewusst in die Irre geführt zu haben.
Schulwechsel wird mit Harmos schwieriger
Nur eine
Minderheit der deutschsprachigen Kantone macht bei Harmos mit und nicht mal
diese konnten sich auf die wichtigsten Eckpunkte einigen:
- Harmos regelt den
Fremdsprachenbeginn nicht. Zahlreiche Kantone (z.B. Baselland) beginnen in
der dritten Primarklasse mit Französisch, andere erst in der fünften (z.B.
Aargau, Zürich). Gleiches gilt auch für die zweite Fremdsprache Englisch.
Vor Hamos lernten die Kinder in fast allen Kantonen ab dem fünften
Schuljahr Französisch.
- In einigen Kantonen
werden Physik, Chemie, Biologie, Hauswirtschaft auch weiterhin als
Einzelfächer unterrichtet und benotet. In anderen werden diese in
Sammelfächer zusammengeführt und marginalisiert. Neu gibt es z.B. in
Baselland die Fächer "Natur und Technik", "Räume, Zeiten,
Gesellschaften", "Wirtschaft, Arbeit, Hauswirtschaft".
- Nicht einmal die
Stundendotation in einigen Kernfächern konnte vereinheitlicht werden. So
geniessen die Schülerinnen und Schüler nach der Umsetzung von Harmos z.B.
in Baselland mehr Mathematiklektionen als in unserem Nachbarkanton
Basel-Stadt.
- Der Lehrplan 21 baut
auf Tausenden von Kompetenzbeschreibungen auf, die dem heterogenen
Leistungspotential der Kinder und den unterschiedlichen
Zukunftsperspektiven nicht gerecht werden. Mit welchen Lerninhalten diese
Kompetenzen erreicht werden sollen, ist kaum definiert. Die 2010
vorgegaukelte Vereinheitlichung wird nicht erzielt.
Harmos verschlingt mehrere Hundert Millionen
Die
Umsetzung dieser Schulreform, die weit über das vom Bund vorgegebene Ziel hinausgeht
und unter dessen Deckmantel eine völlig neue Philosophie eingeführt werden
soll, kostet unseren Kanton 500 Millionen Franken, z.B. für Um- und Neubauten,
Weiterbildungen, neue Lehrmittel. Geld, welches im Schulzimmer fehlt und einen
spürbaren Bildungsabbau zur Folge hat. Wussten Sie, dass Ihnen dafür in
zahlreichen Gemeinden Steuererhöhungen drohen?
Harmos-Ausstiegsforderung ist verständlich
Harmos
ist gescheitert und ein Ausstieg die folgerichtige Konsequenz, auch wenn
dadurch wesentliche Entscheide nicht mehr rückgängig gemacht werden, wie zum
Beispiel die Verlängerung der Primarschule auf sechs Jahre. Die Pädagogen, die
täglich im Schulzimmer mit den Lernenden arbeiten, haben dies erkannt. So ist
das heutige, vernichtende Votum von 79.5% der Lehrpersonen, die sich für einen
Ausstieg aus dem Harmos-Konkordat aussprechen, verständlich.
Der
Bildungsdirektor täte gut daran, die Stossrichtung seiner am Schreibtisch ohne
Praxisbezug ausgetüftelte Reformpolitik zu überdenken. Ob er das will und es
ihm in seiner verbleibenden Zeit bis zu seinem Abgang Mitte 2015 gelingt, ist
fraglich: Zu tief befindet sich die Bildungspolitik in der Sackgasse, zu hoch
der Gesichtsverlust der Verantwortlichen.
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