1. Mai 2014

Amsler im Gegenwind

Das Interview des Lehrplan-Chefs Christian Amsler sorgt für Besorgnis. Der umtriebige Schaffhauser spricht von Transparenz und Einbezug der Lehrkräfte, wohl wissend, dass rund um die Erarbeitung des Lehrplans 21 ein Klima von geheimbündlerischer Verschwiegenheit herrschte. Diese Fakten wurden nicht erst von der Gruppe 550 gegen 550 erkannt, sondern bereits früher von Journalisten festgestellt und entsprechend kritisiert.
Die nachfolgende Reaktion auf die Äusserungen Amslers stammt von einer Mitinitiantin der Aktion 550 gegen 550.


Amsler: "Schlecht wäre gewesen, wenn es kein Echo gegeben hätte". Bild: Bockonline.ch


Leserbrief von Eliane Gautschi, Sonderpädagogin, Kindhausen




Herr Amsler macht es sich als Volksvertreter zu leicht in seinen Antworten auf die Kritik am Lehrplan 21 (LP 21). Fakt ist, dass der Lehrplan 21 unter grösster Geheimhaltung ausgearbeitet wurde und dessen Implementierung als ein unserer direkten Demokratie unwürdiger Akt in die Geschichte eingehen wird. Er vertuscht, dass der LP 21 Türöffner zur Zentralisierung und Internationalisierung des schweizerischen Bildungswesens ist und die demokratischen Strukturen der Schweiz aushebelt. Gesteuert wird dieser Prozess von der Wirtschaftsorganisation OECD mit der Absicht, die Bildungswesen ihrer Mitgliedländer den Zielen der weltweiten Finanzindustrie zugänglich zu machen. Verbunden damit ist der Paradigmenwechsel von einer humanistischen Bildung hin zur Bildung als  Humankapital, womit die kulturellen, historischen und nationalen Gegebenheiten ausgeschaltet werden. Soft Governance nennt man die Strategien, die dabei angewendet werden und gemäss internationalen Studien in der Schweiz unerwartet leicht Einfluss gewinnen konnten. Der unsinnige Umfang des LP 21 ist eine Nebelpetarde, die den Blick auf diesen strategischen Hintergrund verhindert und eine Beschäftigungstherapie für die Verfasser der Konsultationsantworten. Er bezeugt übrigens auch die fehlende Praxisnähe der Verfasser (auch wenn ein paar handverlesene Lehrervertreter dabei waren). Ein Bildungspolitiker, der sein Herz und sein Ohr offen hat für die Lehrer (und Eltern), weiss, dass viele von ihnen den LP 21 gar nicht gelesen haben. Wesentlich mehr als 1000 hingegen haben sich die Mühe genommen, das Monsterwerk zu sichten. Sie haben im Rahmen des Memorandums 550gegen550 grundlegende Kritikpunkte aufgeführt und konstruktive Lösungsvorschläge eingebracht. Die Antwort darauf ist Herr Amsler ihnen bis heute schuldig geblieben.


Dr. Eliane Gautschi, Sonderpädagogin , Kindhausen



5 Kommentare:

  1. Im Zusammenhang mit dem LP21 wird immer wieder auf die internationale Vereinheitlichung des Bildungswesens hingewiesen. Dies sei die eigentliche Triebfeder, welche hinter dem Lehrplanentwurf stehe. Kennt jemand Reaktionen von offizieller Seite auf diesen Vorwurf?

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  2. PRESSEMITTTEILUNG DER EDK VOM 11.11. 2002

    11.11.2002 Liberalisierung im Bildungsbereich (GATS):

    EDK fordert öffentliche Diskussion und Transparenz

    Im Rahmen der GATS-Verhandlungen ist die Schweiz offensichtlich bereits Verpflichtungen eingegangen, was die Liberalisierung der Dienstleistungen im Bildungsbereich betrifft. Die EDK kritisiert, dass diese Verhandlungen bisher ohne Einbezug der politisch Verantwortlichen im Bildungsbereich stattgefunden haben.
    An ihrer Jahresversammlung vom 7. und 8. November 2002 in Genf haben die kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren Kenntnis genommen vom Stand der GATS-Verhandlungen. Dieses Abkommen sieht vor, dass grundsätzlich auch die Bildung im Rahmen des GATS als Dienstleistung definiert und entsprechend liberalisiert wird. In ihrer Stellungnahme äussert die EDK:

    - Ihr Unverständnis: Die Verantwortungsträger im Bildungsbereich, sprich Kantone und zuständige Bundesämter, sind seinerzeit in den Verhandlungsprozess nicht einbezogen worden. Die EDK erwartet, dass die Kantone ab jetzt umfassend informiert und regelmässig konsultiert werden, wie dies im Bundesgesetz über deren Mitwirkung in der Aussenpolitik vorgesehen ist.
    - Ihre Kritik an der fehlenden Transparenz: Die bisher von den federführenden Bundesinstanzen (namentlich vom seco) gelieferten Informationen ermöglichen den bildungspolitisch Verantwortlichen keine schlüssige Beurteilung der Bedeutung und Tragweite der bereits eingegangenen Verpflichtungen.
    - Ihre Besorgnis: Die EDK gibt ihrer Sorge über diesen Vorgang Ausdruck, zumal die von der Schweiz für den Bildungsbereich eingegangenen Verpflichtungen anscheinend weiter gehen als jene anderer Staaten. Sie sieht sich in ihrer Sorge bestätigt durch den Umstand, dass auch in anderen Staaten die bildungspolitisch verantwortlichen Instanzen nicht hinlänglich in die Verhandlungen einbezogen waren und sich nun auch im Ausland Widerstand zeigt.
    Vor diesem Hintergrund fordert die EDK:
    - Sämtliche Fragen im Zusammenhang mit den GATS-Verhandlungen müssen Gegenstand eines öffentlichen politischen Meinungsbildungsprozesses sein, in den alle relevanten Partner einzubeziehen sind. Als Voraussetzung hierfür ist eine Detailanalyse über die bisherigen Verhandlungsergebnisse und deren konkrete Bedeutung für das öffentliche Bildungswesen erforderlich. Die EDK hat mit dem Bundesamt für Bildung und Wissenschaft (BBW) vereinbart, dass dieses die notwendigen Schritte für eine solche Detailanalyse unverzüglich einleitet.
    Kontaktperson: Hans Ambühl, Generalsekretär

    Kontaktperson: Gabriela Fuchs, Kommunikationsbeauftragte

    Eine Webseite der EDK / CDIP
    Copyright © 2002, Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, Bern

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  3. http://www.edk.ch/dyn/13577.php

    GATS: Das Schweizer Verständnis vom "Service public" respektieren

    Mit dem WTO-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen GATS (General Agreement on Trade in Services) ist die Schweiz Verpflichtungen auch im Bildungsbereich bei den privaten Bildungsdienstleistungen eingegangen. Auf Initiative der EDK (die bei den entsprechenden GATS-Verhandlungen nicht einbezogen gewesen war) wurden in Zusammenarbeit mit dem Bund Kriterien festlegt, welche im Schweizer Kontext zwei Arten von Bildungsdienstleistungen unterscheiden lassen: im öffentlichen Interesse erbrachte Bildungsdienstleistungen ("Service public") sowie Bildungsdienstleistungen des privatwirtschaftlichen Sektors.

    Bildungsangebote gelten als öffentliche Bildungsdienstleistungen und fallen nicht unter das GATS, wenn der Titel und/oder das Curriculum vom Staat im Rahmen seiner Bildungspolitik vorgegeben werden und wenn die angebotene Dienstleistung der Erfüllung eines öffentlichen Auftrags und einem Bedürfnis entspricht.
    Die Plenarversammlung der EDK hat diesen Kriterien zugestimmt und sie hat die Bundesorgane eingeladen, diese der Welthandelsorganisation WTO offiziell mitzuteilen.

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  4. "Bildungsangebote gelten als öffentliche Bildungsdienstleistungen und fallen nicht unter das GATS, wenn der Titel und/oder das Curriculum vom Staat im Rahmen seiner Bildungspolitik vorgegeben werden und wenn die angebotene Dienstleistung der Erfüllung eines öffentlichen Auftrags und einem Bedürfnis entspricht."
    Danke für diese Klarstellung.

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  5. Ganz so einfach ist es nicht. Das ist Amtsdeutsch und müsste zuerst ausgedeutscht werden, was es im konkreten Fall wirklich bedeutet. Was bedeutet etwa, "der Weltorganisation WTO offiziell mitteilen"? Ist das nur ein Wunsch, eine vertragliche Vereinbarung oder was? usw. usw.

    Weitere erhellende Zusammenhänge sind aus der vorliegenden Dissertation ersichtlich:

    Tonia Bieber - Sanfte Steuerung der Bildung - Schweiz
    www.schulforum.ch/html/Soft.gv.diss.pdf

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