11. Mai 2014

Eltern sollen Kinder vom Primarfranz befreien dürfen

Die Thurgauer Regierung möchte, dass die Eltern "unter gewissen Bedingungen" ihr Kind vom Primarfranzösischen befreien können. Dieser Vorschlag ist gegen die Motion gerichtet, welche das Französisch an der Primarschule ganz streichen möchte. Nicht von dieser Abwahlmöglichkeit hält die Präsidentin der Thurgauer Lehrer, Anne Varenne: "Damit ist das Problem nicht gelöst".


Abwahlmöglichkeit koordiniert mit der Einführung des Lehrplans 21? Bild: Reto Martin

Französisch-Pflicht wankt, St. Galler Tagblatt, 10.5. von Sebastian Keller


Thurgauer Primarschüler sollen weiterhin Französisch und Englisch lernen. Der Regierungsrat lehnt den Vorstoss «Französisch erst auf der Sekundarstufe» ab. In der Antwort auf den Vorstoss schlägt er aber vor, wie er überforderte Schüler entlasten will: mit einer Abwahlmöglichkeit. «Dabei sollen die Eltern die Möglichkeit haben, für ihr Kind unter gewissen Bedingungen die Abwahl von Französisch auf der Primarschule zu erklären», schreibt die Regierung. Die Abwahlmöglichkeit richte sich explizit an die Minderheit der klar überforderten Schüler. Diese sollen erst ab der Sekundarstufe mit Konjugieren französischer Verben beginnen.
Eine zeitliche Vorstellung hat die Regierung bereits: Die Abwahlmöglichkeit soll bis spätestens mit dem Lehrplan 21 eingeführt werden – also wahrscheinlich auf das Schuljahr 2017/2018.
«Interessanter Vorschlag»
«Eine Abwahlmöglichkeit finde ich einen interessanten Vorschlag», sagt Kantonsrat Urs Schrepfer (SVP, Busswil). Er ist Miturheber der Motion, die den Französischunterricht an der Primarschule abschaffen will. Diesen haben 62 Kantonsrätinnen und Kantonsräte unterzeichnet. Von «gewissen Bedingungen» hält Schrepfer aber nichts. Er fordert, dass die Eltern entscheiden sollen, ob ihr Kind das Primarschulfranzösisch besuchen muss oder nicht. «Wenn, dann richtig», betont Schrepfer. Gar nichts von einer Abwahlmöglichkeit hält Anne Varenne. Sie präsidiert Bildung Thurgau, die Berufsorganisation der Lehrerinnen und Lehrer des Kantons Thurgau. «Damit wird das Problem nicht gelöst.» Und dieses sei, dass die Fächer Deutsch und das bildnerische, textile und technische Gestalten in der Mittelstufe zu kurz kämen – wegen der Fremdsprachen. Die Delegierten von Bildung Thurgau hatten im Oktober 2013 einen entsprechenden Antrag deutlich genehmigt. Darin forderten sie, dass nur eine Fremdsprache – Französisch oder Englisch – in der Primarschule zu unterrichten sei. Dabei sei zu gewährleisten, dass am Ende der Schulzeit die Kompetenzen in beiden Fremdsprachen gleich zu bleiben haben wie heute.
Fragliche Mitsprache
SVP-Kantonsrat Urs Schrepfer will am Vorstoss vorderhand festhalten. «Bevor nicht klar ist, wie der Regierungsrat die Bedingungen ausgestalten will.» Die Behandlung im Grossen Rat steht noch aus. Eine Diskussion dazu dürfte es geben. Aber, ob die Kantonsrätinnen und Kantonsräte auch wirklich bestimmen können, ist fraglich: In der Antwort schreibt der Regierungsrat, dass mit einer Motion gar kein Einfluss auf das Sprachenkonzept genommen werden könne. Und in diesem ist geregelt, wann mit dem Unterricht welcher Sprache begonnen wird.
Weitere Optionen diskutieren
Neben der Abwahl befasst sich eine Arbeitsgruppe mit weiteren alternativen Unterrichtsmodellen für Französisch. Gemäss Regierung werde eine Aufwertung ebenso diskutiert wie der Verzicht auf das Fach an der Primarschule. Die Diskussionen seien aber noch nicht abgeschlossen. Diese Aussage ärgert Urs Schrepfer. «Sie haben noch gar nicht begonnen», sagt er, der selber in der Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Thurgauer Sprachenkonzeptes sitzt.

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