Kürzlich half ich meiner
Tochter beim Französisch. Sie geht in die dritte Klasse, also erstes Jahr mit
dieser Fremdsprache. Meine Tochter sollte sich auf einer CD ein Interview mit
einem Zirkuskind anhören und danach aufschreiben, was sie verstanden hatte.
Nach zehn Minuten bat mich meine Tochter um Hilfe: Sie kapiere nichts, es würde
auf der CD zu schnell gesprochen. Also las ich ihr dieselben Texte vor und bat
sie, mir die Sätze vorzulesen. Das Problem: Sie konnte das meiste nicht
(richtig) aussprechen. Erst mit meiner Hilfe und Erklärungen gelang es ihr,
mehr als einzelne Worte zu übersetzen.
An der Intelligenz
meiner Tochter kann es nicht liegen, sie ist eine sehr gute Schülerin und
gehört zu den Besten in ihrer Klasse. Allerdings frage ich mich, wie viel das
Lehrmittel «Mille feuilles» taugt. Die Kinder sollen ein Sprachbad nehmen und
so spielerisch Französisch lernen, lautet der Ansatz. Im
Buch finden sich im angesprochenen Interview Passagen wie «J’aime la caravane
parce qu’elle est différente de la maison et qu’il n’y a pas beaucoup des gens
qui vivent en caravane.» So schwierige Texte hätte ich nach einem halben Jahr Franzi
niemals verstanden und wurde deshalb auch noch nicht damit konfrontiert. Und
heute, wo zu diesem Zeitpunkt im neuen Lehrmittel Grammatik, Zeiten und
Konjugieren noch kein Thema sind, sollen sich die Schülerinnen und Schüler
selbst helfen. Kein Wunder, wächst die Abneigung meiner Tochter gegen Franzi.
Zum Glück haben ich und
mein Mann Französisch gelernt, sodass wir unserer Tochter helfen können. Wobei
man sich fragen darf, ob es die Aufgabe der Eltern ist, zu Hause
Stützunterricht zu erteilen, nur weil die Schulbehörden eine völlig
unausgetestete Lernmethode eingeführt haben. Und was geschieht mit Kindern,
deren Eltern keine Ahnung von Französisch haben?
Wir erteilen unserer
Tochter nun zusätzlichen Franzi-Unterricht. Allerdings auf ganz altmodische
Weise. Diese Methode funktioniert – «Mille feuilles» muss das erst
noch beweisen.Das neue Französischlehrmittel ist umstritten, Bild: Basler Zeitung
Das Leiden der Franzi-Schüler, Basler Zeitung, 2.5. von Susanne Stettler
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Ich verstehe den Unmut von Frau Stettler und ihren Reflex ihrem Kind bei den Hausaufgaben zu helfen. Die Aufgabe war: "Höre das Interview auf der CD und schreibe auf, was du verstanden hast." Ehrlicherweise hätte das Kind: "Ich habe nichts verstanden." als Lösung abgeben müssen. Würden alle die Hausaufgabe ehrlich lösen und gehäuft die Meldung "Habe nichts verstanden!" kommen, würden die Probleme dieser neuen Fremdsprachendidaktik vielleicht schneller allen bewusst.
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AntwortenLöschenMille-Feuille ist ein Verbrechen begangen an unserer jüngsten Generation. Meine Tochter hat trotz Mille-Feuille hervorragende Franzi-Noten, aber sie ist unfähig auch nur einen einfachen Satz auf Französisch zu bilden. Sprich, sie kann gar nichts, ausser Wörter aussprechen, die kein einziger Erwachsener jemals gehört hat. Der Sohn einer Kollegin bekommt jetzt in der SEK diese Lücke auf härteste Weise zu spüren. Eltern müssen Ihren Kindern nun das beibringen, was die Schule nicht schafft. Das ist ein Armutszeugnis und eigentlich eine bodenlose Frechheit, vor allem weil diese Kritik nicht ernst genommen wird, und man einfach stur auf dem völlig unfähigen Lehrmittel beharrt.
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