27. Mai 2014

Kunstvolle Verschleierung eines Debakels

Wir müssen die staatlich besoldeten Zudiener des politisch kontrollierten Fremdsprachenerwerbs nicht belehren: Sie verstehen ihr Metier. Dr. Sandra Hutterli leitet den Koordinationsbereich 'Obligatorische Schule' bei der EDK und hat diesbezüglich eine Schlüsselposition inne. In ihrem Beitrag "Forum Sprachen 2013" blickt sie auf das Sprachenlernen an der Primarschule und fragt sich: "Wie kann die Umsetzung unterstützt werden". Die Arbeit ist bezüglich der Mitarbeitenden unverdächtig - der gewohnte Mix aus PH und Mehrsprachigkeitsfanatikern. Die zitierte Literatur ist homöopathisch dosiert und entsprechend leicht verdaulich.

Sandra Hutterli verfasst weiterhin staatlich finanzierte Ideologie, Bild: Goethe-Institut

Forum Sprachen 2013. Sprachenlernen auf der Primarstufe und am Übergang zur Sekundarstufe I, EDK, von Sandra Hutterli et al.

Ein paar sachliche Anmerkungen zu dieser PR-Aktion aus dem Hause der EDK scheinen mir angebracht, da sie sich an kantonale Sprachenverantwortliche und Fachleute aus dem Bereich Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen richtet.   

"Die Umsetzung der Sprachenstrategie der obligatorischen Schule geht sorgfältig und Schritt für Schritt vor sich. Dies erfordert Geduld."
Wir wissen, dass die Einführung der Sprachenstrategie auf fundamentalen Irrtümern basiert, die längstens von der Forschung als solche entlarvt wurden. So ist die Rolle der Neurowissenschaften beim Sprachenerwerb weit überschätzt worden. Ausserdem hat sich herausgestellt, dass junge Lernende nicht wie angenommen überlegene Sprachenlerner sind, sondern ihren älteren Schulkollegen in allen Sprachkompetenzen krass unterlegen sind.

Mit der geforderten Geduld soll über die unbrauchbaren Lehrmittel und die an der Realität vorbeizielenden Weiterbildungskurse hinweggetröstet werden. Man hofft, dass wenn man nur lange genug eine falsche Doktrin vertritt, diese dann einfacher umgesetzt werden könne. 

Selektiv ausgewählte Zitate sollen den Eindruck eines allgemeinen Konsenses erwecken.
Wer macht sich heutzutage schon die Mühe, Querverweisen nachzugehen und auf ihre sachliche Kohärenz zu überprüfen? So wird der Paderborner Sprachwissenschafter Manfred Pienemann zitiert mit dem Satz: "Der optimale Zeitpunkt für den Beginn des Fremdsprachenlernens liegt je nach Autor zwischen vier und fünf Jahren". Ein solcher Satz - man bedenke die Zielgruppe des Artikels - ist verheerend und zeugt von geradezu entlarvender Ignoranz des gesteuerten Sprachenerwerbs. Der gleiche Autor lässt sich andernorts ("Der Spiegel") mit folgenden Worten verlauten: Grundschulkinder erreichen nach zwei Jahren Englischunterricht mit zwei Wochenstunden die gleiche Sprachlernstufe, die ein Jahr später nach einem halben Jahr mit fünf Stunden pro Woche erreicht wird.   

"Es gibt Belege dafür, dass jüngere Lernende den älteren längerfristig gesehen überlegen sind, zumindest im Kontext des Zweitsprachenerwerbs".
Genau dieser Präzisierung bedarf es, damit die Aussage dem wissenschaftlichen Forschungsstand entspricht. Dies zeigt anschaulich, wie manipulativ (will man die Politiker einseifen?) die Sprache hier verwendet wird. Der "Zweitspracherwerb" hat nämlich gar nichts zu tun mit dem schulischen Sprachenlernen. Genau das Gegenteil ist dort nämlich wissenschaftlich erhärtet: Die älteren Jugendlichen sind auch längerfristig den jüngeren überlegen. 

Schliesslich kommt mit Janet Enever auch die Person zu Wort, die eine transnationale Langzeitstudie zum schulischen Fremdsprachenlernen geleitet hat. Ihr Fazit: Nach vier Jahren mit zwei Wochenlektionen erreichen Kinder das Niveau A1. Das ist für Autorin Hutterli angesichts der vollmundigen Versprechungen ein Grund zum Feiern. "Dieses Niveau stellt bereits einen passablen Lernfortschritt dar". Enever (andernorts) fasst ihre Eindrücke über den frühen Fremdsprachenunterricht in Europa folgendermassen zusammen: "In summary, these ‘common sense’ arguments for making an early start to learning languages in school continue to be based on rather thin evidence of the real gains to be made.

Für uns bleibt zu hoffen (und vehement zu fordern!), dass blauäugige und ideologisch indoktrinierte Forscher und Forscherinnen möglichst bald aus dem Schweizer Wissenschaftsbetrieb freigestellt werden.

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