Ankli ist seit Sommer 2013 im Amt, Bild: Felix Gerber
"Der Sparauftrag ist eine grosse Herausforderung für den Bildungsbereich", Grenchner Tagblatt, 3.6. von Elisabeth Seifert und Lucien Fluri
Remo Ankli, man munkelt, der Bildungsdirektor habe mehr Baustellen
als der Baudirektor. Wie sehen Sie das?
Remo Ankli: Ich würde das nicht als
Baustellen bezeichnen. Es handelt sich vielmehr um Projekte, die noch nicht
vollständig umgesetzt sind. Bei einigen Projekten ist die Realisierung aber
bereits ziemlich weit fortgeschritten. So zum Beispiel bei der Sek-I-Reform. Der
erste Jahrgang verlässt im Sommer bereits die Schule.
Sie haben von Ihren Vorgängern viele Projekte geerbt - und müssen
jetzt die schwierige Umsetzungsphase begleiten...
Zum
Teil kann ich aber auch die ersten positiven Früchte ernten. Die teilautonomen
geleiteten Schulen sind sehr gut angelaufen, wie gerade auch Umfragen des
Volksschullehrerverbands zeigen. Meine Aufgabe sehe ich vor allem darin, die
aufgegleisten Reformen sorgfältig umzusetzen und keine neuen Baustellen
aufzureissen. Ich verstehe mich nicht als Reformer, die Konsolidierung steht im
Vordergrund. Damit entspreche ich auch dem politischen Willen des Kantonsrats,
der sich für ein Reformmoratorium im Bildungsbereich ausgesprochen hat. Diesen
Auftrag kann ich im Übrigen sehr gut nachvollziehen. Die Belastungsgrenze ist
erreicht. Ruhe wird in den nächsten Jahren dennoch keine einkehren. Bei den
angerissenen Projekten gilt es sicher da und dort, Verbesserungen vorzunehmen.
Neben dem Reformmoratorium zwingt Sie der Sparauftrag in ein enges
Korsett...
Dieser
Sparauftrag ist tatsächlich eine Herausforderung. Der Bildungsbereich ist davon
stark betroffen. Meine Aufgabe sehe ich darin, diesen Sparauftrag so umsetzen,
dass wir keine bleibenden Schäden verursachen. Der Abbau von Lektionen zum
Beispiel, den die Regierung beschlossen hat, lässt sich in finanziell besseren
Zeiten wieder rückgängig machen. Wichtig scheint mir, dass keine Strukturen für
immer zerstört werden.
Solothurn gibt im Vergleich zu anderen Kantonen schon jetzt eher
wenig Geld aus für die Bildung. Ist es nicht irgendwann zu wenig?
Ich
halte die beschlossenen Lektionenkürzungen für eine vertretbare Sparmassnahme.
Es kann aber gut sein, dass wir bei der Einführung des Lehrplans 21 wieder
etwas aufstocken müssen. Es ist aber nicht jeder Franken, der in die Bildung
fliesst, wirklich entscheidend für die Bildungsqualität. Obwohl wir weniger
Geld ausgeben, schneidenSolothurner Schülerinnen und Schüler im Quervergleich
nicht schlechter ab als Schüler aus anderen Kantonen.
Bleiben wir beim Sparen: Wird es weiterhin möglich sein, an der PH
in Solothurn ein Sek-I-Studium zu absolvieren?
Der
Leistungsauftrag für die Pädagogische Hochschule macht klare Vorgaben zu
Studierendenzahlen im zweijährigen Masterstudiengang für Sek-I-Lehrpersonen.
Und diese Zahlen sind am Standort der PH in Solothurn nicht erreicht worden.
Der neue Leistungsauftrag, der im Juni im Regierungsrat behandelt wird, zieht
daraus die Schlussfolgerungen. Mehr kann ich dazuz jetzt nicht sagen.
Der Lehrplan 21 wird in vielen Kantonen, auch in Solothurn,
kritisiert. Geben Sie dem Projekt noch eine Chance?
Eine
Harmonisierung des Bildungswesens ist seinerzeit politisch ausdrücklich
gewünscht worden. Mittlerweile ist Harmonisierung ein Reizwort geworden. Es
wäre auch unrealistisch anzunehmen, dass ein solches Mammutprojekt
diskussionslos durchgewunken wird. Ich glaube aber, dass es immer noch einen
breiten Konsens dafür besteht, Mobilitätsschranken abzubauen. Wichtig ist
jetzt, dass wir einen Konsens darüber finden, wie weit die Harmonisierung gehen
soll.
Wie weit soll die Harmonisierung Ihrer Meinung nach gehen?
Um
gerade auch die Skeptiker eines harmonisierten Lehrplans zu überzeugen, ist ein
pragmatisches Vorgehen gefragt. Ein solch pragmatischer Schritt ist zum
Beispiel, dass der erste Entwurf jetzt überarbeitet wird. Zudem heisst
Harmonisierung für mich nicht Gleichschaltung. Die Kantone brauchen einen
gewissen Spielraum in der Gestaltung des Unterrichts.
...zum Beispiel, was die Abfolge und die Zahl Fremdsprachen
betrifft?
Entscheidend
ist für mich, dass die Schüler am Ende der Volksschule über die gleichen
Kompetenzen verfügen. Nicht akzeptabel wäre es allerdings, wenn jeder Kanton
hier plötzlich sein eigenes Süppchen kocht und sowohl über die Abfolge als auch
die Zahl der Fremdsprachen in der Volksschule eigene Regeln aufstellt. Wir
müssen alles unternehmen, damit es nicht so weit kommt.
Ist die Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Solothurn auf das
Schuljahr 2017/2018 realistisch?
Das
Einführungsjahr ist für mich nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr,
dass wir für die Einführung gut gerüstet sind. Wir versuchen die Skeptiker
davon zu überzeugen, dass der harmonisierte Lehrplan keine umstürzende Neuerung
darstellt. Schon heute zum Beispiel erfolgt der Unterricht in der Mathematik
nach den Regeln der Kompetenzorientierung. Ähnliches gilt für das Fach Deutsch.
Zudem möchten wir den Lehrpersonen die Angst vor dem Lehrplan nehmen, indem wir
ihnen rechtzeitig die nötigen Unterlagen und Hilfsmittel zur Verfügung stellen
werden.
Zur integrativen Schule: Durch die Hintertür werden wieder
separative Formen wie Klassen für besondere Förderung eingeführt. Ist die
Integration ein zu ehrgeiziges Projekt?
Gerade
auch in der Bildung ist es wichtig, dass man dazu lernt. Die Integration entspricht
einem bereiten gesellschaftlichen Konsens und ist auf Bundesebene
gesetzgeberisch vorgespurt worden. Auch bei diesem Projekt aber scheint es mir
nur realistisch, dass man in der Umsetzung den Weg erst suchen muss. Wichtig
ist dabei für mich, dass wir in dieser Phase den Praktikern zuhören und bereit
sind, Anpassungen vorzunehmen. Wenn die Gemeinden jetzt die Möglichkeit haben,
verschiedene Formen auszuprobieren, dann erachte ich das als zielführend. Ich
selbst verschaffe mir ein realistisches Bild über den Schulalltag, indem ich
einmal pro Monat einen Schulbesuch mache.
Ist vor allem auf der Stufe Sek I der integrative Unterricht nicht
eine allzu grosse Herausforderung?
Die
Leistungsunterschiede werden auf der Oberstufe tatsächlich besonders deutlich. Im
Rahmen des erneuten Schulversuchs haben die Schulen deshalb auch die
Möglichkeit, weiterhin Kleinklassen zu führen. In diesen Kleinklassen werden
die Schülerinnen und Schüler dann speziell unterstützt. Der Fokus muss aber
immer darauf liegen, dass die betreffenden Schüler wieder in die Regelklasse
integriert werden.
Macht es Sinn, dass lernschwache Schülerinnen und Schüler in der
Primarschule und auf der Stufe Sek I zwei Fremdsprachen lernen?
Ich
habe die Erfahrungen der Lehrpersonen zu diesem Thema noch nicht systematisch
erhoben. Und ich habe bis jetzt auch keine Rückmeldungen, dass grössere
Probleme bestehen würden. Sollte Anpassungsbedarf vorhanden sein, dann werden
wir zum gegebenen Zeitpunkt reagieren. Auch in diesem Bereich müssen wir
pragmatisch vorgehen.
Zum Frühfremdsprachenprojekt in der Primarschule: Kritiker
behaupten, dass zwei Fremdsprachen zu viel sind. Was sagen Sie?
Bei
meinen Schulbesuchen beeindruckt mich, wie die Kinder mit den beiden
Fremdsprachen umgehen. Gerade im Englischunterricht sind die Schüler
topmotiviert. Und in beiden Fremdsprachen führt die neue spielerische
Unterrichtsmethodik zu erstaunlichen Ergebnissen. Es gibt natürlich immer
Kinder, die Probleme haben. Aber das ist auch in anderen Fächern der Fall. Für
eine abschliessende Beurteilung des Frühfremdsprachenprojekts ist es aber noch
zu früh.
Sie haben es bereits erwähnt: Der erste Jahrgang der neu
strukturierten Oberstufe verlässt diesen Sommer die Schule. Können Sie eine
erste Bilanz ziehen?
Wir
sind jetzt daran, uns einen Überblick zu verschaffen, was gut läuft und wo
eventuell noch Verbesserungsbedarf besteht. Auch die Anzahl der Sek-P-Standorte
müssen wir überprüfen. Was ich jetzt bereits sagen kann: das neue
Übertrittsverfahren in die Sek I stösst auf allgemeine Akzeptanz. Die
Beschwerden gegen Übertrittsentscheide sind zurückgegangen. Eine grosse
Errungenschaft ist das Fach Berufsorientierung in der Sek B und Sek E.
Möglicherweise ist dies auch eine Erklärung dafür, dass die Zahl der
Lehrvertragsabschlüsse dieses Jahr höher ist als im letzten Jahr. Wir haben
entsprechend positive Signale aus der Wirtschaft.
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