15. Juni 2014

"Auch in der Schweiz werden die Maturanden mit den besten Noten eher nicht Lehrer"

Die deutsche Studie, wonach leistungsstarke Schüler nicht Lehrer werden, ist von Désirée Pomper in einen helvetischen Kontext gestellt worden. Sie hat dabei Walter Bircher (PHZH), Beat Zemp (LCH) und Hans Fehr (SVP) befragt.



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Nur mittelmässige Schüler wollen Lehrer werden, 20 Minuten, 14.6. von Désirée Pomper


Der selbstbewusste Schüler mit guten Noten und Karriereambitionen wird gerne Arzt oder Anwalt – aber sicher nicht Lehrer. Für diesen Beruf interessieren sich eher mittelmässige Schüler. Das zeigt der Hochschul-Bildungs-Report 2020, den der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die Unternehmensberatung McKinsey in Auftrag gegeben haben. Dazu wurden 521 Abiturienten im Alter von 17 bis 22 Jahre befragt.
Nur 17 Prozent der guten Abiturienten geben den Lehrerberuf als eine tatsächlich infrage kommende Option an. Sie vermissen die Karrieremöglichkeiten. Dagegen ist fast die Hälfte aller mittelmässigen Schüler «eher» bis «sehr» am Lehrerberuf interessiert.
Walter Bircher, Rektor der Pädagogischen Hochschule Zürich PHZ, stellt fest: «Auch in der Schweiz werden die Maturanden mit den besten Noten eher nicht Lehrer.» Viele dieser Schüler wünschten sich einen Job mit mehr Prestige und hohem Einkommen. «Dafür haben wir Leute mit breiten Interessen und Begabungen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den Lehrerberuf.»
Ohne Selbstvertrauen und Durchsetzungskraft
Die jungen Menschen, die Lehrer werden wollen, sind laut dem deutschen Bildungsreport nicht nur mittelmässige Schüler. Sie geben auch an, nicht sehr selbstbewusst zu sein und sich nicht gut durchsetzen zu können – Eigenschaften, die elementar sein dürften, um in einer Schulklasse zu bestehen. Gerade mal 13 Prozent glauben, dass sie durchsetzungsstark sind, und 16,3 Prozent, dass sie gut öffentlich auftreten können. Nur 15,8 Prozent geben an, Selbstvertrauen zu haben. Knapp ein Fünftel gibt Überzeugungskraft als Stärke an. Immerhin glaubt fast ein Drittel der Befragten, dass sie gut erklären können.
«Auch in der Schweiz gibt es unter den Studierenden Leute, die in diesen Bereichen zulegen müssen», sagt Beat Zemp, Präsident des Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. Das Bewusstsein, dass die Lehrperson auch eine Führungskraft ist, sei gewachsen. Diese Auftritts- und Führungskompetenz werde deshalb an den Pädagogischen Hochschulen in speziellen Modulen gelehrt. «Es spielt schliesslich eine Rolle, ob die Lehrperson am Morgen ins Schulzimmer schleicht oder selbstbewusst auftritt.»
PHZ-Rektor Bircher dagegen erlebt die jungen Lehrpersonen in der Schweiz als äusserst selbstbewusst. Grund dafür sei, dass in der Schweiz der Lehrerberuf im Vergleich zu Deutschland viel dynamischer sei: «Wer hierzulande den Lehrerberuf ergreift, ist kein Beamter auf Lebzeiten.»
«Burnout-Rate senken»

Der SVP-Nationalrat und ehemalige Lehrer Hans Fehr ist dagegen überzeugt: «Würde man bei der Selektion Kandidaten mit einer nicht gefestigten Persönlichkeit frühzeitig aussieben, dann könnte man die Burnout-Rate von Lehrern senken.» Für den Erfolg als Lehrer sei es elementar, überzeugend Grenzen zu setzen und diese auch durchzusetzen. 

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