Primarfranz ist für Berset eine "höchst politische Frage", Bild: Keystone
Sprachenfrage wird politisch entschieden, NZZ, 13.6. von Michael Schoenenberger
Man wird das
Gefühl nicht los, dass die Romands und die Tessiner die besseren Schweizer
sind. Vor allem die Romands riefen der Deutschschweizer Mehrheit jüngst immer
wieder in Erinnerung, wie wichtig die sprachliche Verständigung für den
nationalen Zusammenhalt sei. Sie mögen das Beispiel Belgien vor Augen haben
oder als Minderheit eine höhere Sensibilität für das Thema haben. Sicher aber
ist, dass sie zu Recht an die Deutschschweizer appellieren, keine Dummheiten zu
machen, die gravierende Konsequenzen haben können.
Doch irgendwie wollen diese Appelle in der Suisse alémanique nicht so
recht ankommen. Munter gehen dort in einigen Kantonen die Bestrebungen weiter,
nur noch eine Sprache in der Primarschule zu unterrichten – wobei dann das
Englische an erster Stelle käme.
Berset lässt keine Zweifel offen
Am Freitag standen im Ständerat zwei Interpellationen auf dem Programm.
Sowohl SP-Ständerat Christian Levrat (Fribourg) und sein FDP-Ratskollege
Raphaël Comte (Neuchâtel) wollten vom Bundesrat wissen, was er zu tun gedenke,
sollte der Unterricht in einer zweiten Landessprache weiter unter Druck geraten.
Bundesrat Alain Berset liess in der kurzen Debatte keine Zweifel offen: Der
Bund warte ab, wie die für 2015 angekündigte Bilanz der Kantone zur
Harmonisierung der Volksschule ausfalle. «Der Bundesrat ist überzeugt, dass das
Erlernen einer zweiten Landessprache in der Primarschule für den Zusammenhalt
des Landes essenziell ist», sagte er in aller Deutlichkeit.
Sollte die Bilanz für die französische oder italienische Sprache negativ
ausfallen oder vor 2015 in den Kantonen definitive Entscheidungen zu Ungunsten
einer Landessprache fallen, werde der Bund von seinen subsidiären Kompetenzen
Gebrauch machen.
«Eine höchst politische Frage»
Klar zum Ausdruck brachte Berset, dass es weder um eine Unterrichtsfrage
noch um eine pädagogische Angelegenheit gehe. Man dürfe das Spiel nicht zu weit
treiben, und man müsse aufpassen: «Das ist eine politische, eine höchst
politische Frage», betonte der Freiburger. An der Entschlossenheit des
Bundesrats, wenn nötig zugunsten der Landessprachen einzugreifen, kann es also
keinen Zweifel mehr geben.
Erfreulicherweise blieb es nicht bei Wortmeldungen auf französisch, so
dass Hoffnung keimt, diese wichtige Debatte über den Wert der Sprache möge in
der Deutschschweiz von der technischen und utilitaristischen Ebene wegkommen.
Es waren zwei Freisinnige, die sich pointiert äusserten. «Die jetzige Situation
kann den nationalen Zusammenhalt aufs Spiel setzen», sagte Joachim Eder (Zug,
fdp.). Die Entscheide in der Deutschschweiz würden in der Romandie als «Angriff
auf die französische Kultur und Sprache» interpretiert. Deshalb sei die Sache
nun politisch zu entscheiden. Ins gleiche Horn stiess der Zürcher Ständerat
Felix Gutzwiller (fdp.), der vom Sprachfrieden sprach, den es unbedingt zu
bewahren gelte. Ein Eingriff des Bundes in die kantonale Hoheit wird also im
Stöckli nicht nur toleriert, sondern explizit gefordert.
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