1. Juni 2014

Erste Gemeinden scheren aus

Harmos, Frühfremdsprachen, Oberstufenreform und die integrative Schule waren nur einige Reformen, welche die Solothurner Regierung und der Kantonsrat in den letzten Jahren den Schulen aufgezwungen haben. Teilweise hat sogar das Stimmvolk ja zu bestimmten Reformvorhaben gesagt. Ob es das heute auch tun würde, ist fraglich. Erste Gemeinden ziehen nicht mehr mit.
Schulreformen: Erste Gemeinden ziehen im Kanton Solothurn nicht mehr mit, soaktuell, 31.5. von Roman Jäggi


Wie das Regionaljournal Aargau-Solothurn von SRF berichtet, ist der Gemeinderat von Starrkirch-Wil (einer eher wohlhabenden Gemeinde) nicht mehr bereit, mehr Lektionen für die sogenannte "spezielle Förderung" zu bewilligen. Die spezielle Förderung kommt verhaltensauffälligen und lernschwachen Kindern zugute, die bekanntlich nicht mehr in Kleinklassen unterrichtet werden, sondern in den normalen Regelklassen. 

Offiziell sollen es finanzielle Gründe sein, weshalb der Gemeinderat von Starrkirch-Wil auf die Bremse tritt. Es werden im Dorf aber auch pädagogische Fragezeichen gemacht. So soll Gemeindepräsident Daniel Thommen etwa die Frage stellen, ob möglicherweise die kürzlich im Kanton Solothurn eingeführte zweite Fremdsprache in der Primarschule dazu führe, dass mehr Kinder speziell gefördert werden müssen.

Mit anderen Worten: Wenn die Schule neue Fächer oder Themenbereiche aufnimmt, kommt den Schülern, die in diesen "neuen" Fächern Probleme haben, spezielle Förderung zuteil. Der Aufwand schaukelt sich gegenseitig hoch. Eine Kostenspirale par excellence öffnet sich. Sollte sich diese Feststellung des Starrkicher Gemeindepräsident bewahrheiten, müsste man sicher noch einmal auf die Einführung von Frühfremdsprachen zurück kommen. Daniel Thommen im Regionaljournal: "Man müsste wieder einen Schritt zurück machen und sagen: Eine Fremdsprache in der Schule reicht." Heute lernen Solothurner Primarschüler ab der 3. Klasse Französisch und ab der 5. Klasse Englisch. 

Kosten für integrativen Unterricht laufen aus dem Ruder

Mit dem integrativen Unterricht besuchen alle Schüler die Regelklasse. Lernschwache, auffällige oder störende Kinder werden nicht mehr in Spezialklassen eingeteilt. Immer mehr Eltern reklamieren seither über die wachsende Lähmung der Unterrichtsgeschwindigkeit durch lernschwache Schüler, über Störungen des Unterrichts durch verhaltensgestörte Schüler oder das ständige Ein und Aus von Heilpädagoginnen. Im Kanton Zürich wurde deshalb die Übung unlängst abgebrochen. Zu ineffizient, zu teuer und eine Nivellierung der Regelklassen nach unten war dort die Feststellung.

Fakt ist: Das neue System ist mit Sicherheit nicht besser als das alte - aber es kostet Millionen. Die Kosten für die schulische Heilpädagogik sind im Kanton Solothurn um mehrere Millionen Franken gestiegen. 2013 betrugen sie knapp 25 Millionen, verglichen mit 18,7 Millionen vor dem mehrjährigen Schulversuch. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Mit dem Lehrplan 21 werden den Schulen völlig neue Lerninhalte aufgezwängt. Wer da Probleme hat, bekommt spezielle Förderung. Die Lektionen und Kosten steigen. Die Gemeinden bekommen jetzt die volle Kostenwucht der Bildungsreformen zu spüren. 

Dass der Regierung und der Mehrheit des Kantonsrats die Kraft und der Wille fehlt, Reformen rückgängig zu machen oder Reformvorhaben abzublasen, ist nachvollziehbar. Denn die meisten Mitglieder der Räte haben sie durchgepaukt und tragen heute die Verantwortung für den Entscheid. Deshalb wird die Realität mit wohlklingenden Worten und vielen Zahlen vernebelt. Doch der Nebel beginnt sich langsam zu lichten.

Eltern, Gemeinden und teilweise auch die Lehrerschaft tragen die wachsenden negativen Auswirkungen und die Kostenexplosionen der Reformen immer weniger mit. Korrekturen werden kommen. Sie sind nur eine Frage der Zeit. Bis dahin heisst es abwarten, zuschauen und lernen, das nicht jede Reform eine Verbesserung ist.


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