Schulreformen: Erste Gemeinden ziehen im Kanton Solothurn nicht mehr mit, soaktuell, 31.5. von Roman Jäggi
Wie das Regionaljournal Aargau-Solothurn von
SRF berichtet, ist der Gemeinderat von Starrkirch-Wil (einer eher wohlhabenden
Gemeinde) nicht mehr bereit, mehr Lektionen für die sogenannte "spezielle
Förderung" zu bewilligen. Die spezielle Förderung kommt
verhaltensauffälligen und lernschwachen Kindern zugute, die bekanntlich nicht
mehr in Kleinklassen unterrichtet werden, sondern in den normalen
Regelklassen.
Offiziell sollen es finanzielle Gründe sein,
weshalb der Gemeinderat von Starrkirch-Wil auf die Bremse tritt. Es werden im
Dorf aber auch pädagogische Fragezeichen gemacht. So soll Gemeindepräsident
Daniel Thommen etwa die Frage stellen, ob möglicherweise die kürzlich im Kanton
Solothurn eingeführte zweite Fremdsprache in der Primarschule dazu führe, dass
mehr Kinder speziell gefördert werden müssen.
Mit anderen Worten: Wenn die Schule neue
Fächer oder Themenbereiche aufnimmt, kommt den Schülern, die in diesen
"neuen" Fächern Probleme haben, spezielle Förderung zuteil. Der
Aufwand schaukelt sich gegenseitig hoch. Eine Kostenspirale par excellence öffnet
sich. Sollte sich diese Feststellung des Starrkicher Gemeindepräsident
bewahrheiten, müsste man sicher noch einmal auf die Einführung von
Frühfremdsprachen zurück kommen. Daniel Thommen im Regionaljournal: "Man
müsste wieder einen Schritt zurück machen und sagen: Eine Fremdsprache in der
Schule reicht." Heute lernen Solothurner Primarschüler ab der 3. Klasse
Französisch und ab der 5. Klasse Englisch.
Kosten für integrativen Unterricht laufen aus
dem Ruder
Mit dem integrativen Unterricht besuchen alle
Schüler die Regelklasse. Lernschwache, auffällige oder störende Kinder werden
nicht mehr in Spezialklassen eingeteilt. Immer mehr Eltern reklamieren seither
über die wachsende Lähmung der Unterrichtsgeschwindigkeit durch lernschwache
Schüler, über Störungen des Unterrichts durch verhaltensgestörte Schüler oder
das ständige Ein und Aus von Heilpädagoginnen. Im Kanton Zürich wurde deshalb
die Übung unlängst abgebrochen. Zu ineffizient, zu teuer und eine Nivellierung
der Regelklassen nach unten war dort die Feststellung.
Fakt ist: Das neue System ist mit Sicherheit
nicht besser als das alte - aber es kostet Millionen. Die Kosten für die
schulische Heilpädagogik sind im Kanton Solothurn um mehrere Millionen Franken
gestiegen. 2013 betrugen sie knapp 25 Millionen, verglichen mit 18,7 Millionen
vor dem mehrjährigen Schulversuch. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht, im
Gegenteil. Mit dem Lehrplan 21 werden den Schulen völlig neue Lerninhalte
aufgezwängt. Wer da Probleme hat, bekommt spezielle Förderung. Die Lektionen
und Kosten steigen. Die Gemeinden bekommen jetzt die volle Kostenwucht der
Bildungsreformen zu spüren.
Dass der Regierung und der Mehrheit des
Kantonsrats die Kraft und der Wille fehlt, Reformen rückgängig zu machen oder
Reformvorhaben abzublasen, ist nachvollziehbar. Denn die meisten Mitglieder der
Räte haben sie durchgepaukt und tragen heute die Verantwortung für den
Entscheid. Deshalb wird die Realität mit wohlklingenden Worten und vielen
Zahlen vernebelt. Doch der Nebel beginnt sich langsam zu lichten.
Eltern, Gemeinden und teilweise auch die
Lehrerschaft tragen die wachsenden negativen Auswirkungen und die
Kostenexplosionen der Reformen immer weniger mit. Korrekturen werden kommen.
Sie sind nur eine Frage der Zeit. Bis dahin heisst es abwarten, zuschauen und
lernen, das nicht jede Reform eine Verbesserung ist.
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