16. Juli 2014

Lehrpersonen fragen statt teure Evaluationen

Urs Müller, Basler Grossrat (BastA!) und ehemaliger Präsident des VPOD Basel, äussert sich zur Systemevaluation der integrativen Volksschule Basel-Stadt. Dabei kritisiert Müller das Basler Erziehungsdepartement. "Harmonisieren, kontrollieren und evaluieren, was das Zeug hält. Wenn nur die Volksschulleitung gut dasteht", findet der Grossrat.




"Die Papiere des ED gehören in den Schredder", Bild: Basler Zeitung


Vermieste Ferien für viele Lehrkräfte, Basler Zeitung, 16.7. von Urs Müller


Während des Achtelfinalspiels Argentinien–Schweiz informierte das Erziehungsdepartement (ED) die Schulleitungen und Schulräte über die System­evaluation der integrativen Volksschule Basel-Stadt. Eine glänzende Idee! Immerhin wurden dann die Medien zu einem anderen Zeitpunkt informiert. Der Bericht der Herren Professoren aus Zürich ist wieder einmal ein Prachtbeispiel eines Gefälligkeitsgutachtens. Das ED und insbesondere die Volksschul­leitung sind ja seit je überzeugt, dass der ED-Weg in Sachen Integration der einzig richtige ist. Also brauchen wir nur zwei Professoren zu finden, welche dem Basler Weg der integrativen Volksschule wohlgesinnt sind. Damit die Lehrkräfte möglichst schweigen, legen wir die Berichterstattung so vor die Sommerschulferien, dass sie in die unterrichtsfreie Zeit fällt. So fällt es viel schwerer zu reagieren. So viel zur Mitsprache der betroffenen Lehrkräfte.
Ich weiss, die Wut ist teilweise gross unter den Lehrkräften, da spielt es kaum eine Rolle, ob diese die Vorgaben des ED gut finden oder nicht. Diese Form von Umgang mit Lehrkräften wird schlicht nicht goutiert. Von oben nach unten wird diktiert, was an der harmonisierten Schule alles zu geschehen hat. Harmonisieren, kontrollieren und evaluieren, was das Zeug hält. Wenn nur die Volksschulleitung gut dasteht. Ja, nun folgt der Lehrplan 21 sogleich. Vertrauen, dass die Lehrkräfte gute Arbeit leisten, scheint manchmal an der Leimenstrasse, wo das ED beheimatet ist, zu fehlen.
Niemand ist grundsätzlich gegen Integration möglichst vieler Schulkinder in die Gefässe der Volksschule. Von links bis rechts, allerdings zum Teil aus unterschiedlichsten Gründen, wissen alle: Integrationsbemühungen haben ihre Grenzen. Wenn die Herren Professoren schreiben, die Ressourcen für die integrativen Schulen seien gut und ausreichend, dann glauben diese Herren den betreffenden Papieren mehr und haben kaum vertiefte Gespräche mit involvierten Lehrkräften geführt. ­Leider ist dies so. Zumindest ich habe beim Lesen nirgends einen Hinweis gefunden, dass mit den jetzt involvierten Lehrkräften an der OS das Gespräch gesucht wurde. Mit 100 Vor-Praktikantinnen und -Praktikanten soll die integrative Schule unterstützt werden. Die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, aber auch die Klassenlehrkräfte müssen schulfremde Personen ohne berufliche Qualifikation begleiten, welche gleich heilpädagogisch tätig sein sollten. Selbst die Professoren stellen fest: «Im Gegensatz zu sämtlichen anderen Reformprojekten bedeutet integrative Schulung potenziell jeden Tag neue Beanspruchungen. Das macht es schwer, sich im Alltag damit zu arrangieren. Das ED unterschätzt tenden­ziell, was dies für die Lehrpersonen heisst.»
Hier ist die Gefahr gross, dass die Vorpraktikanten zu reinen Hütepersonen werden. Dies ist wohl nicht die Idee, aber eher die Realität im Alltag. Bis vor Kurzem haben die Spezialangebote viele dieser Schülerinnen und Schüler in kleineren Lerngruppen geschult, wo auch soziales Lernen möglich war. Aber jetzt, wo alles integriert werden soll, bleibt genau diese heilpädagogische Lernform auf der Strecke.

Selbst die Papiere des ED werden von den Professoren heftig infrage gestellt: «Die schiere Menge der Papiere, die rund um die integrative Schule in Verteilung ist, ist von den Adressaten nicht in vernünftiger Qualität bearbeitbar. Die meisten Papiere senden mehrdeutige Botschaften, zum einen als Vorgaben, zum anderen als pädagogisch gehaltvoll: Letzteren Punkt lösen sie häufig nicht ein.» Hier kann man auch schlicht sagen: Diese Papiere gehören in den Schredder, als Altpapier nützt wenigstens das Papier noch was. Liebe Volksschulleitung, mit diesem Papier der Professoren aus Zürich leisten Sie der integrativen Schule einen Bärendienst. Wenn Sie es wissen wollen, fragen Sie doch die Lehrpersonen, welche hier in Basel reiche Erfahrung haben. Dies ist viel billiger und erst noch zielführender.

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