4. Juli 2014

Schlüer zu Mundart im Kindergarten

SVP-Bildungspolitiker Ulrich Schlüer beschreibt das Ziel der Mundart-Initiativen: Deutschschweizer Kinder fänden den Zugang zur Sprache nur über den Dialekt.



Nach dem Erfolg im Aargau ist die SVP mit ihren Mundart-Initiativen im Aufwind, Bild: Keystone

"Ein Kind soll sprechen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist", Basler Zeitung, 4.7. von Anja Burri


Herr Schlüer, die SVP lanciert in Zug eine Volksinitiative, damit in den Kindergärten nur noch Mundart gesprochen wird. Plant die Partei eine schweizweite Mundartoffensive?
Die Frage wird in vielen Kantonalsektionen ernsthaft diskutiert. Für viele SVP-Politiker, die sich mit Bildung befassen, ist Mundart im Kindergarten ein sehr wichtiges Anliegen. Die erfolgreiche Volksabstimmung im Aargau hat gezeigt: Die Zeit ist reif, um zu Taten zu schreiten. Aber die kantonalen Sektionen handeln aus eigenem Antrieb.
Ist diese Mundartoffensive nicht ein weiterer Versuch, die einheimischen Kinder zu bevorteilen?
Darum geht es doch nicht! Für viele Eltern ist es einfach überzeugend, dass das Kind im Kindergarten sprechen soll, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Erst wenn ein Kind entdeckt, dass es seine Gefühle, sein Denken, seine Eindrücke in Worte fassen kann, findet es einen echten Zugang zur Sprache. Darf es mit Mundart beginnen, dann fällt ihm das am leichtesten.
Das sehen zahlreiche Experten anders. Sie warnen davor, dass Mundart im Kindergarten die fremdsprachigen Kinder benachteilige und zu einem Sprachenwirrwarr führe.
Das ist eine völlig falsche Sicht. Jedes Kind muss zuerst einen unverkrampften Zugang zur Sprache finden können. Das geschieht am einfachsten im Dialekt. Diese sogenannten Experten verkaufen ihre Ideologie als Fakten. Erinnern Sie sich an die Fremdsprachendiskussion? Die selbsternannten Pädagogikexperten haben immer behauptet, Kinder müssten möglichst früh möglichst viele Fremdsprachen lernen. Und jetzt schauen Sie mal dieses Chaos an, das der frühe Fremdsprachenunterricht angerichtet hat. Überforderung auf allen Ebenen. Der Kindergarten soll von solchen Leistungsanforderungen befreit sein. Der Kindergarten soll Kindergarten sein. Ein Ort, an dem die Kinder so sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Der Schnabel ist aber nicht allen Kindern gleich gewachsen. Es geht Ihnen am Ende doch um die Abgrenzung des Einheimischen vom Fremden, es geht um Identität. 
Das hat doch nichts mit Diskriminierung zu tun! Ausserhalb des Kindergartens sprechen die Kinder ja auch Mundart. Ausländer, die sich für ein Leben in der Schweiz entscheiden, müssen sich mit den hiesigen kulturellen Bedingungen identifizieren.
Was soll eigentlich mit den deutschen Kindergärtnerinnen passieren?
Die müssen Mundart lernen.
Wie soll kontrolliert werden, ob nach Annahme einer entsprechenden Volksinitiative auch tatsächlich Mundart gesprochen wird im Kindergarten?
Die Sprachenfrage muss in den Lehrplänen verankert werden. Dabei macht sicher niemand ein Theater, wenn die Kinder auch einmal ein französisches Lied wie etwa «Frère Jacques» singen.
In der Romandie verfolgt man die Mundartoffensive mit Sorgen. Man befürchtet, bald im eigenen Land sprachlich diskriminiert zu werden.
Wenn ein Kind den Sprachraum wechselt, spielt es keine Rolle, ob es Hochdeutsch oder Mundart sprechen muss. Die Bedenken aus der Romandie, dass der Französischunterricht in Teilen der Deutschschweiz vernachlässigt wird, muss man ernst nehmen. Die Vermittlung des Französischen in der Oberstufe muss durch sorgfältigere Ausbildung der Französischlehrer verbessert werden. Das ist viel wichtiger als Frühfranzösisch.


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