4. Juli 2014

Studie gibt Basel gute Noten für die Schulintegration

Die Integration von verhaltens­auffälligen Schülern und solchen mit Behinderung in Regelklassen ist in der ganzen Schweiz ein grosses Politikum. Lehrer ächzen unter der Zusatzlast und ärgern sich vor allem auch über die zunehmende Anzahl von Heilpädagogen und Stützpersonen im Schulzimmer, die eine grosse Unruhe bringen.

Nachdem auch dem Basler Bildungsdirektor Christoph Eymann zu Ohren gekommen war, dass ein Teil der Lehrkräfte unter der Umsetzung der Integration leidet, gab er vergangenen Herbst eine Studie zu diesem Thema in Auftrag. Die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich sollte herausfinden, ob es allenfalls Korrekturen bei der Umsetzung der Integration braucht.
Studie gibt Basel gute Noten für die Schulintegration, Basler Zeitung, 3.7. von Franziska Laur

Grundsätzlich nicht, steht im Bericht, der nun vorliegt. Die Integration sei von den Lehrern generell akzeptiert. Allerdings gebe es in einigen Punkten Handlungsbedarf.
Eymann ist erfreut
An der gestrigen Medienkonferenz äusserte sich Bildungsdirektor Chris-toph Eymann äusserst erfreut, dass das laufende Integrationsprojekt so gute Noten bekommen hat. Ihm sei jedoch trotzdem klar, dass die Integrationsarbeit für die Lehrpersonen sehr belastend sein könne. So stelle sich nun die Frage, was man noch besser machen könne.
Darauf wussten die Studienverfasser Christian Liesen und Peter Lienhard eine Antwort. Einleitend erklärten sie, dass man nach zahlreichen Gruppen- und Einzelbefragungen von Schulleitungen, Lehrpersonen und der Kantonalen Schulkonferenz festgestellt habe, dass das Grundkonstrukt der Integrativen Schule in Basel solide und tragfähig sei. Auch die finanziellen und personellen Ressourcen seien ausreichend und am richtigen Ort. Ausserdem habe man festgestellt, dass die stärkste Belastung für die Lehrpersonen nicht die Umsetzung der Integration sei. Doch die Integration habe im Gegensatz zu anderen Reformen den Nachteil, dass sie nie ganz abgeschlossen sei. «Integrationsarbeit bedeutet jeden Tag potenziell eine neue Belastung.»
Zu viel Papier, zu wenig Autonomie
Trotz allem Lob sprachen Lienhard und Liesen also auch von Handlungs­bedarf. «Das Erziehungsdepartement soll klar kommunizieren», sagte Lienhard. Dazu gehöre, dass die Stabs- und Fachstellen in abgestimmter und durchdachter Form auf die Schulen zugehen und ihnen Hand zur Unterstützung bieten müssten. Ausserdem solle der Umfang an Papier im Sinne von «weniger ist mehr» drastisch reduziert werden. Ein wichtiger Punkt sei auch, dass die Bildungsverwaltung den einzelnen Schulleitungen mehr Gestaltungsraum einräume.
Man setze nun eine kleine bevollmächtigte Gruppe ein, die in einem halben Jahr strategische Leitlinien für die Volksschule formuliere, sagte Pierre Felder, Leiter Volksschulen. Diese Gruppe überprüfe auch die Fülle an Konzeptpapieren auf ihre Notwendigkeit.
Nun hatte jedoch Bildungsdirektor Christoph Eymann noch vor einigen Monaten in verschiedenen Medien Korrekturbedarf bei der Integrativen Schule formuliert. Zu sehr würden die Lern­unwilligen in einer Klasse die Lehrer- schaft belasten. Gestern sagte er: «Ich ziehe meine Zweifel zurück.» Allerdings räumte er ein: «Wenn die Umfrage unter den Lehrpersonen anonym durchgeführt worden wäre, hätte es eventuell ein etwas anderes Resultat gegeben.» Doch er sei im Hinblick auf die finanziellen Ressourcen froh, dass er aufgrund dieser Studienergebnisse das Angebot nicht ausweiten müsse.
Freude über mehr Autonomie
«Der Basler Auftrag wird gut umgesetzt, das ist positiv», sagt Gaby Hintermann, Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz (KSBS). Sie befürworte jedoch sehr, dass die Verfasser auch Empfehlungen zum weiteren Vorgehen gegeben hätten. Eine wichtige Feststellung der Studie sei, dass die Integration nur gelinge, wenn sie standortspezifisch umgesetzt werde und so die Stärken der einzelnen Schulen genutzt werden könnten. «Die Studienverfasser plädieren also für mehr Gelassenheit, wenn die Integration nicht in allen Schulhäusern genau gleich umgesetzt wird. Das ist eine gute Erkenntnis», sagt Hintermann.
Nun wünscht sie sich vonseiten der Bildungsverwaltung auch den Mut, mehr Autonomie zuzulassen und die Zügel mehr aus der Hand zu geben. Für sie ist jedoch auch klar, dass viele Lehrpersonen die Kleinklassen noch vermissen. So hat sich die KSBS dafür eingesetzt, dass es da, wo es nötig ist, weiterhin separate Angebote gibt.
Kleinklassen als wichtiger Beitrag
Auch Thomas Grossenbacher (Grünes Bündnis) warnt vor einer Überforderung des Systems. Dabei geht es ihm nicht darum, das Ziel der Integrativen Schule infrage zu stellen. Es gehe vielmehr darum, zu prüfen, ob bewährte Strukturen, wie zum Beispiel die Kleinklassen, nicht weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Erreichung dieses Zieles leisten können.
«Es besteht sonst die Gefahr, dass in den jetzt geführten Klassen der Spezialangebote ausschliesslich Kinder geschult werden, die in Regelklassen nicht integrierbar sind», sagt er. Eine mögliche Auswirkung auf die Klassen der Spezialangebote könne sein, dass durch die fehlende Durchmischung das Unterrichten enorm erschwert wird. Diese Entwicklung müsse ebenfalls genau beobachtet und allfällige Korrekturen rechtzeitig ergriffen werden. Für ihn ist auch die Frage noch nicht geklärt, wie hoch die Belastung für das Lehrpersonal tatsächlich ist.
«Wir negieren nicht, dass es Lehrkräfte gibt, die leiden», sagt denn auch Bildungsdirektor Eymann. Man verfolge nun zwar die strategische Ziel­setzung weiter, sei jedoch gleichzeitig offen für die Realitäten und Bedürf­nisse der Praxis. «Gefragt ist Dialog, nicht Monolog.»

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