23. August 2014

Je früher desto besser?

Pünktlich zum Schulanfang bekommt ein Thema wieder erhöhte Aufmerksamkeit: der Fremdsprachenunterricht. Dabei geht es nicht allein um die emotionale Frage um Sein oder Nichtsein der französischen Sprache an der Volksschule, wie man aufgrund der heftigen Debatte in der Romandie vermuten könnte. Gestritten wird unter Fachleuten vielmehr um den richtigen Zeitpunkt des Unterricht-Starts. Bis in die 1980er Jahre wurde in den Deutschschweizer Primarschulen keine Fremdsprachen gelehrt.



Markus Kübler untersuchte 13 Studien zum Beginn des Fremdsprachenunterrichts, Bild: PHSH


Je früher desto besser? NZZ, 19.8. von Marc Tribelhorn



Mit dem Harmos-Konkordat sind es nun gleich deren zwei: Englisch und eine Landessprache. Laut Lehrplan soll die erste Fremdsprache ab der 3., die zweite ab der 5. Klasse unterrichtet werden. Doch lässt sich die von der Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) propagierte Devise «je früher desto besser» im Fremdsprachenunterricht an der Schule überhaupt erhärten? Ist frühes Sprachenlernen tatsächlich zielführend?
Eine kürzlich veröffentlichte Expertise zum Stand der Forschung, die im Auftrag des Schaffhauser Lehrerverbands erarbeitet worden ist, kommt zu einem anderen Schluss. Laut dem Studienleiter Markus Kübler, Abteilungsleiter Forschung und Entwicklung der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen, lassen sich die Aussagen der EDK nicht empirisch stützen: «Frühstarter in Fremdsprachen haben kaum messbare Vorteile gegenüber älteren Startern.» Das liege daran, dass anfängliche Vorsprünge durch schnelleres und effizienteres Lernen der Spätstarters «in der Regel» wettgemacht würden.
Insgesamt 13 Studien aus den Jahren 2002 bis 2007 zeigten, dass ältere Lerner in Fremdsprachen letztlich bessere Ergebnisse erzielen verglichen mit jüngeren Lernern. Laut der Studie scheint es zudem, als sei das Lernen von Fremdsprachen in «natürlichen Settings» wie der Familie nicht vergleichbar mit der «beschränkten Exposition der Kinder während der Schulzeit». Genau davon geht die EDK jedoch aus. Markus Kübler und seine Mitstreiter plädieren daher für eine «vorurteilsfreie Zurkenntnisnahme empirischer Befunde» sowie für eine offene bildungspolitische Diskussion.
Die Debatte ist ohnehin bereits lanciert. Vor zwei Monaten monierte ein Autorenkollektiv, bestehend aus diversen Didaktikern, in der NZZ ebenfalls, wissenschaftlich fundierte Argumente kämen zu kurz. Unter dem Titel «Genauer hinsehen beimFremdsprachenunterricht» stützen sie sich auf zwei grossangelegte internationale Vergleichsstudien – und kommen zu einem völlig anderen Ergebnis: Ein früher Beginn des Unterrichts führe im Durchschnitt zu besseren Leistungen und höherer Motivation. Die grosse Mehrheit der Kinder sei überdies mit zwei Fremdsprachen nicht überfordert und erfülle die Mindestansprüche gemäss Lehrplan.


Je früher desto besser?
Marc Tribelhorn 19.8.2014, 10:28 Uhr


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