21. September 2014

Alles zur Rettung des Primarfranzösischen

Zur Rettung des Primarfranzösischen sind scheinbar alle Mittel recht. Tief in die Trickkiste greift wieder einmal der LCH. Er will unbedingt die EDK vor einer Niederlage beim Sprachenkonzept retten und paktiert, plant und bastelt hinter den Kulissen wie wild. Gegenüber dem Tages Anzeiger präsentiert Lehrerpräsident Zemp fünf Vorschläge, damit das EDK-Modell gerettet werden kann. Dabei schiebt Zemp anonyme Stimmen von Oberstufen-Lehrern vor, die sagen, es sei eine Illusion, mit Französisch erst ab Oberstufe zu beginnen. Ausserdem sei es teurer (!) mit Französisch erst ab Oberstufe zu beginnen. Die fünf Bedingungen im Überblick:

  • Spätestens ab der 3. Primar eine Landessprache
  • Englisch als Wahlfach ab der 5. Primar
  • An der Oberstufe sind Französisch und Englisch obligatorisch. Abwahl von Französisch ist nicht mehr möglich.
  • Fremdsprachen sollen in der Primar nicht mehr promotionswirksam sein.
  • Mindestens drei Wochenlektionen pro Fremdsprache.
Dieser Vorschlag ist dermassen durchtränkt von Kompromissen und Rücksichtnahmen gegenüber Politikern, Parteien und den Vertretern der Taliban-Fraktion der Sprachen- und Landesschützer, dass man sich fragt, ob der LCH dabei auch mal ein klein wenig an die Kinder denken könnte. (uk)




Was führt Beat Zemp im Schilde? Bild: Basellandschaftliche Zeitung


Fünf Bedingungen der Lehrer im Sprachenstreit, Tages Anzeiger, 19.9. von Raphaela Birrer


Hinter den Kulissen laufen die Bemühungen, im Fremdsprachenstreit einen Kompromiss zu erringen, auf Hochtouren. Wie Tagesanzeiger.ch/Newsnet heute berichtete, versuchen Bildungspolitiker der SVP und der SP auf nationaler Ebene, zwischen ihren Parteien einen Minimalkonsens zu erzielen: Jene Kantone, die in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache wollen, sollen die Möglichkeit dazu haben – sofern es eine Landessprache ist. Gleichzeitig soll es den Kantonen freistehen, weiterhin zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe anzubieten. Damit bliebe der Primarschule das Frühfranzösisch erhalten.
Wie Stellungnahmen und Entscheide der letzten Wochen nahelegen, dürfte dieser Kompromissvorschlag bei den Lehrern auf Anklang stossen: Die Präsidentenkonferenz der Deutsch- und Westschweizer Lehrerdachverbände (LCH und SER) beschloss kürzlich in einer Konsultativabstimmung fast einstimmig, dass die erste Fremdsprache an allen Primarschulen eine Landessprache sein soll. Und die Nidwaldner Lehrer – dort soll das Französisch auf die Oberstufe verschoben werden – sprachen sich vorgestern mit grosser Mehrheit gegen die Abschaffung des Frühfranzösisch aus. Diese Bekenntnisse zum bisherigen Modell der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), bei dem je eine Fremdsprache in der dritten und in der fünften Klasse eingeführt wird, erfolgen jedoch nicht ohne Vorbehalte. Wie LCH-Präsident Beat Zemp gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnet sagt, sehen die Lehrer einen Weg, das EDK-Modell trotz der Widerstände in den Kantonen zu retten – aber nur, wenn es angepasst wird. Zemp nennt fünf konkrete Änderungsvorschläge:
Alle Kantone sollen spätestens ab der dritten Primarschulklasse eine Landessprache als erste Fremdsprache einführen. «Englisch lernen die Schüler bereits in jungem Alter beiläufig; die Sprache erreicht sie über Musik, Filme, Computer oder Handys», begründet Zemp. Werde dagegen das Französisch zugunsten des Englisch aus der Primarschule verbannt, wie es die Kantone Nidwalden und Thurgau vorsehen, erschwere dies den Lernerfolg: «Die Oberstufenlehrer warnen vor diesem Schritt. Es ist eine Illusion, ohne emotionalen Bezug zur Sprache mitten in der Pubertät mit dem Französisch beginnen zu können.» Zudem seien damit wegen des zusätzlichen Bedarfs an – besser bezahlten – Oberstufen-Französischlehrern vergleichsweise hohe Kosten verbunden.
Alle Kantone sollen spätestens ab der fünften Klasse Englisch als Wahlfach anbieten. «Damit könnten die sprachstarken Schüler bereits auf der Primarstufe zwei Fremdsprachen lernen. Die sprachschwachen hätten während dieser Lektionen nicht frei, sondern je nach Bedarf einen Förderkurs in Deutsch oder Französisch», so Zemp. Ob die Schüler mit dem Erlernen einer zweiten Fremdsprache nicht überfordert wären, würde demnach mittels einheitlicher Verfahrensregeln geprüft. Massgebend wäre dabei die Beurteilung der Lehrperson.
Ab der siebten Klasse und bis zum Ende der Sekundarstufe sind sowohl Englisch als auch Französisch obligatorisch. Französisch abzuwählen, wäre damit nicht mehr möglich. Heute nutzt gemäss Zemp immerhin bis zu einem Drittel der Schüler diese Möglichkeit. Dadurch würde das Französisch letztlich gestärkt, sagt der LCH-Präsident.
Die Leistungsevaluation von Französisch und Englisch auf der Primarstufe soll verbessert werden.Die Benotung soll gemäss den LCH-Vorschlägen nicht mehr promotionswirksam sein und sich nicht länger auf Grammatik, Orthografie und Wortschatzkenntnisse stützen. Stattdessen sollen die Lernfortschritte im Sprechen und im Hörverständnis mithilfe eines Portfolios dokumentiert und überprüft werden. «Im Fremdsprachenunterricht muss die Didaktik angepasst werden: Studien legen nahe, dass der Fokus beim Sprachlernen in der Primarschule auf dem Sprechen und Hören liegen sollte», so Zemp. In fortgeschrittenem Alter erfolge der Lernprozess schliesslich systematischer, sodass die schriftlichen Kompetenzen hinzugezogen werden könnten.
Die Lehrmittel und Stundendotationen sollen diesem didaktischen Konzept angepasst werden. Drei Wochenlektionen erachten die Lehrer als Minimum, um im Spracherwerb einen Effekt zu erzielen. Sie wollen vermehrt auf Halbklassenunterricht und digitale Lernprogramme setzen, um Hör- und Sprechübungen zu intensivieren. «Mit einer didaktischen Neuorientierung würden wir die Befürchtungen und Vorbehalte der Lehrer ernst nehmen. Sie beklagen sich darüber, dass viele Schüler mit zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe überfordert seien», so Zemp. Denn selbst in ihrer Muttersprache würden Schüler dieses Alters die Grammatik noch nicht ausreichend beherrschen. Diese Massnahmen wären gemäss Zemp kostenneutral umzusetzen.
Grundlegende Veränderungen
Damit ist die Stossrichtung der Lehrer klar: Das Frühfranzösisch soll nicht abgeschafft, aber didaktisch optimiert werden. Die Umsetzung der Vorschläge würde den Französischunterricht grundlegend verändern. Trotz der einschneidenden Veränderungen hält Zemp das Vorhaben für mehrheitsfähig – «bei Politikern, Lehrern, Eltern und in der Romandie. Gleichzeitig liesse sich auf diese Weise die kantonale Diskoordination in der Reihenfolge der Fremdsprachen lösen.» Halte die EDK dagegen an ihrem unveränderten Fremdsprachenmodell fest, sei dieses zum Scheitern verurteilt. 

1 Kommentar:

  1. Dazu ein Kommentar von Dr. Eliane Gautschi:
    Bereits vor zehn Jahren warf die Einführung des frühen Fremdsprachenunterrichts hohe Wellen. Leider wurden damals die Argumente der Gegner nicht ausdiskutiert und bereits vorhandene Forschungsresultate relativiert, denn es war schon damals Konsens der Bildungsdirektionen, dass in der Primarschule künftig sowohl Englisch als auch Französisch gelernt werden sollte. Mit viel personellem und finanziellem Aufwand wurden bei der Einführung des Fremdsprachenunterrichts die Stundentafeln der Primarklassen umgekrempelt, um je nach Kanton bereits in der dritten Klasse Englisch oder Französisch als erste Fremdsprache einzuführen. Das war ein folgenschwerer Eingriff in den Schulunterricht und mit dem Stundenabbau in andern Fächern (z. B. Handarbeit und Werken) verbunden. Heute wird moniert, das Interesse unserer Schulabgänger für handwerkliche Lehren sei gesunken. Ein gut aufgebauter Werkunterricht legt bereits bei kleineren Kindern wichtige Grundlagen und weckt Interessen. Im Fach Mensch und Umwelt können das Interesse der Kinder für technische und (natur-)wissenschaftliche Fachbereiche und Berufsfelder geweckt und ergänzend dazu den Kindern die jeweils anderen Sprachgebiete in ihren vielfältigen Facetten näher gebracht werden. Die dafür notwendigen Schulstunden müssten aber wieder in die Stundentafel eingeführt werden. Das wäre durchaus möglich. Aktuelle Forschungsresultate zeigen nämlich, was man schon vor zehn Jahren wusste: Kinder, die früh mit Fremdsprachenunterricht beginnen, haben keine Vorteile gegenüber solchen, die später damit starten, weil letztere eine Fremdsprache wesentlich effizienter lernen und weniger Lernzeit benötigen für das Erreichen desselben Sprachniveaus. Die Schule kann die Bedingungen nur schwer bieten, damit ein früher Fremdsprachenunterricht erfolgreich sein könnte, denn das würde u.a. wesentlich mehr Unterrichtszeit beanspruchen. Der gesamte Fremdsprachenunterricht könnte also problemlos in die Oberstufe verlegt werden. Warum eigentlich nicht?

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