28. September 2014

Reaktionen auf Anne-Catherine Lyon

Mit viel personellem und finanziellem Aufwand wurden bei der Einführung des Fremdsprachenunterrichts die Stundentafeln der Primarklassen umgekrempelt. Das war ein folgenschwerer Eingriff in den Schulunterricht, und er war mit dem Stundenabbau in anderen Fächern (etwa Handarbeit und Werken) verbunden. Heute wird moniert, das Interesse unserer Schulabgänger für handwerkliche Lehren sei gesunken. Ein gut aufgebauter Werkunterricht legt bereits bei kleineren Kindern wichtige Grundlagen und weckt Interessen. Im Fach «Mensch und Umwelt» kann das Interesse der Kinder für technische und (natur-)wissenschaftliche Fachbereiche und Berufsfelder geweckt werden. Die dafür notwendigen Schulstunden müssten aber wieder in die Stundentafel eingeführt werden. Das wäre durchaus möglich. Neue Forschungsresultate zeigen nämlich, was man schon vor zehn Jahren wusste: Kinder, die früh mit Fremdsprachenunterricht beginnen, haben keine Vorteile gegenüber solchen, die später damit starten, weil Letztere eine Fremdsprache wesentlich effizienter lernen und weniger Lernzeit benötigen für das Erreichen desselben Sprachniveaus.

Leserbrief von Eliane Gautschi, NZZaS, 28.9. Weitere Leserbriefe unten


Die Erfahrung bestätigt die These, wonach die Kommunikation zwischen französisch- und deutschsprachigen Schweizern nur ausnahmsweise im einen der beiden Idiome erfolgt. Wenn schon, wird Englisch verwendet. Diese Erscheinung ist mit Sicherheit unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt man in der Schule mit dem Erlernen der Sprache anfängt. Ältere Schüler lernen im Vergleich zu jüngeren im Fremdsprachenunterricht sogar besser, wenn man einer soeben bekanntgewordenen Studie glauben will. Frühfranzösisch wird aber auch sonst nicht verhindern können, dass nur eine Minderheit das Gelernte einmal umsetzt. Die Diskussion um das Frühfranzösisch scheint das aber zu unterstellen; wenn keine Verbesserung angestrebt wird, ergeben solche Sonderübungen keinen Sinn. Sollten sie lediglich dazu dienen, uns gegenüber den Mitbürgern jenseits des Röstigrabens nicht wieder dem Verdacht auszusetzen, wir erwiesen ihnen nicht den nötigen Respekt, erweist sich der dafür betriebene Aufwand als unverhältnismässig.
Leserbrief Eric Huggenberger

Vor Jahren gab es kein Frühfranzösisch. Die Schüler lernten die Sprache der Romands ab der 1.Klasse in der Sekundarschule. Kein Mensch bangte um die «nationale Kohäsion». Die Aufregung um den Thurgauer Entscheid ist also unverständlich. Es muss betont wer-den: Der Thurgau will ja nicht das Französisch abschaffen, wie die geharnischten Proteste aus dem Welschland vermuten lassen, es wird nur der Zustand von früher wieder eingeführt; also ein System, das sich jahrzehntelang bewährt hatte.
Leserbrief Ernst Wolfer

Um eine Kultur zu verstehen, muss man deren Sprache kennen. Ob es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres mehrsprachigen Landes auf der Primarschulstufe Frühfranzösisch braucht oder ob es genügt, wenn eine zweite Landessprache erst auf der Sekundarschulstufe erlernt wird, ist wohl eher nebensächlich. Viel wichtiger wäre doch, dass möglichst alle dauerhaft in der Schweiz wohnenden Personen mindestens zwei Landessprachen kennen.
Leserbrief Hans Zeier

Vielleicht sollte Anne-Catherine Lyon einmal ergründen, was in den Deutschstunden in der Romandie wirklich gelehrt wird. Deutsch kann es nicht sein, sonst wäre das Folgende für die Suche nach einem Zimmer im Wallis nicht der Normalfall: Angestachelt durch die Diskussion um Frühfranzösisch, versuchte ich, Auskünfte wenigstens ansatzweise auf Hochdeutsch zu erhalten. «Pas du tout» lautete die Antwort durchwegs. Dasselbe Resultat in sämtlichen Restaurants, Geschäften, im Thermalbad und so weiter. Alles jüngere Leute, die bestimmt schon früh Deutsch gelernt haben. Das passiert nicht nur uns immer wieder, sondern allen Deutschschweizern, welche die Romandie besuchen. Die mehrsprachige Schweiz hat zwei Weltkriege überstanden, sie wird auch ohne Frühdeutsch und Frühfranzösisch nicht untergehen.
Leserbrief Ursula Bigler

Seit geraumer Zeit wird über Sinn und Notwendigkeit des Frühfranzösisch berichtet, und das Hauptargument ist nationale Kohäsion. Nun, hat unsere Generation Frühfranzösisch gehabt? Bekanntlich nicht, aber hat jemals irgendjemand die Kohäsion der Schweiz deswegen infrage gestellt? Meines Wissens nicht. Käme ich aus unserem Italienisch sprechenden Landesteil, würde mich diese Debatte zutiefst verunsichern: Wir haben keinen Italienischunterricht in der Schule, geschweige denn Frühitalienisch. Sind deswegen diese Landesteile gefährdet? Wohl kaum. Wenn in unserem Land die Kohäsion vom Frühfranzösisch abhängen würde, dann wäre es wahrlich schlecht bestellt um dieses (einmalige) Land. Glücklicherweise ist dem nicht so. In der heutigen Zeit, wo Wissen das Fundament für den zukünftigen Erfolg ist, muss sich die Politik darauf konzentrieren, die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu stellen - Frühfranzösisch gehört ganz einfach nicht dazu.
Leserbrief Andreas Rüdt

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