1. April 2015

Geld für Beamte statt für Schüler

Keine Diskussion über Frühfranzösisch in der Deutschschweiz, ohne dass irgend jemand sagt: «Am besten wäre es sowieso, wenn die Schüler einmal in die Romandie oder ins Tessin gehen würden.» Der Austausch von Kindern und Jugendlichen zwischen anderen Landesteilen gilt als Königsweg, um die Sprachkenntnisse und den Zusammenhalt des Landes zu fördern. Genau dafür gibt es seit gut dreissig Jahren in allen Kantonen Austauschverantwortliche und entsprechende Programme.
Geld für Beamte statt für Schüler, Basler Zeitung, 1.4. von Dominik Feusi


Doch das genügte dem Parlament nicht. Es verankerte vor acht Jahren im Sprachengesetz die Bestimmung, der Bund könne den Kantonen und Austausch­organisationen Finanzhilfen gewähren. Und Kann-Formulierungen bei neuen Ausgaben werden heutzutage ausnahmslos durchgeführt.
Von Anfang an stand für die Aufgabe die CH-Stiftung der Kantone im Vordergrund, wie das Bundesamt für Kultur (BAK) in einer Stellungnahme darlegt. An eine öffentliche Ausschreibung und einen Wettbewerb um den Auftrag hat das BAK offensichtlich nie gedacht.
Trotzdem dauerte es nach Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2010 mehr als ein Jahr, bis eine Leistungsvereinbarung zwischen dem BAK und der ­CH-Stiftung unterzeichnet wurde. Als «gemeinsames Ziel» des Bundesamtes und der Stiftung wurde darin eine Verdoppelung der Teilnehmer bis Ende 2016 vereinbart. Nach drei Jahren sollte die Leistungsvereinbarung durch ein externes Büro auf seine Wirksamkeit untersucht werden.

15 Monate bis zum Detailkonzept
Diese externe Evaluation liegt seit Anfang dieses Jahres dem BAK vor. Sie zeigt auf, wie das Projekt von Anfang an unter einem schlechten Stern stand. Gemäss Leistungsvereinbarung hätte die CH-Stiftung dem BAK bis Ende 2011 ein Detailkonzept vorlegen sollen, wie sie die Aufgaben der Leistungsvereinbarung erfüllen und das Ziel der Verdoppelung der Teilnehmer erreichen will. Doch dieses Konzept verzögerte sich. Erst im Mai 2012, also nach 15 Monaten, lag ein Detailkonzept vor.
Die Evaluation, welche der BaZ vorliegt, führt das auf den «zähflüssigen» Entstehungsprozess zurück. Und das Papier war immer noch nicht vollständig. Die Evaluation kritisiert, das Konzept habe nicht die in der Leistungsvereinbarung festgehaltenen Informationen enthalten, wie beispielsweise eine Ist-Analyse, Ziele und Massnahmen. Es gebe ein «Vakuum im Bereich Strategie», was ein «schwerwiegender Mangel» sei. Längere Passagen des Konzepts seien «nichtssagend». Einzelne Begriffe wie beispielsweise «Netzwerk» oder «Vernetzung» würden häufig verwendet, hätten aber keinen konkreten Inhalt. Die Evaluation kritisiert, dass weder das BAK noch der eingesetzte Beirat dieses Konzept «im Sinne einer Mängelrüge» zurückgewiesen habe. Das wäre nach Ansicht der Evaluation «nötig gewesen».
Doch so nahm das Unheil seinen Lauf. Die Stiftung baute eine Abteilung mit heute mehr als sieben Vollzeitstellen, verteilt auf neun Personen, auf. Das BAK und der Beirat veranstalteten Sitzungen und gaben Empfehlungen ab. Die CH-Stiftung habe die Vorschläge aber «nur beschränkt aufgenommen und umgesetzt», hält die Untersuchung fest.

Aktivitäten ohne Wirkung
Vor allem die kantonalen Austauschverantwortlichen sind mit der Arbeit der Stiftung unzufrieden. Sie sagten den externen Fachleuten, die Stiftung «lasse sich viel Zeit» und neige dazu, die «Dinge zu überorganisieren». Es fehle an «Professionalität» und «Effizienz». Die Million des BAK fliesst gemäss Evaluation zu 87 Prozent in das Personal und seine Infrastruktur. Die Wirkung bleibt gering. Die Stiftung habe sich bei Jahreszielen nicht auf Wirkungen verpflichtet, sondern bloss Handlungen versprochen. Darum habe sie Jahr für Jahr dem Auftraggeber melden können, sie habe die Ziele erreicht, obwohl die Wirkung kaum vorhanden gewesen sei.
Kritisiert wird auch die Webseite des Angebotes (ch-go.ch), auf der man sich kaum zurechtfinde. Für die drei Sparten des Austausches (obligatorische Schule, Mittelschule, Berufslehre) wählte man Namen, die einem Interessierten keinen Zugang zum Inhalt erschliessen. Es sei schwierig, das zu finden, was einen wirklich interessiere.
Die Evaluation empfiehlt dem BAK, den Auftrag neu und schlanker zu definieren und eine Mandatsvergabe an die Erziehungsdirektorenkonferenz oder einen privaten Akteur zu prüfen. Der Förderbeitrag solle in Zukunft nicht nur der CH-Stiftung, sondern auch den kantonalen Austauschverantwortlichen zukommen. Das BAK müsse generell auf «Ergebniswirksamkeit» und «Effizienz des Mitteleinsatzes» achten.

In einer Stellungnahme erklärt das BAK, dass die Ergebnisse der Evaluation in die Weiterentwicklung des Sprachaustausches einfliessen würden. Man habe eine Arbeitsgruppe mit zwei weiteren Bundesstellen, den Erziehungsdirektoren und der CH-Stiftung gebildet. Welche Empfehlung genau umgesetzt wird, teilte das BAK nicht mit. Obwohl in der Leistungsvereinbarung die Kündigung bei Schlecht- oder Nichterfüllung vorgesehen ist, wurde der Auftrag verlängert, um «Zeit für diese Arbeiten» zu gewinnen. Die Stiftung sandte der BaZ eine gleichlautende Stellungnahme zu den Vorwürfen der Evaluation. Sie betont ausserdem, die aktuellen Ressourcen würden «vollumfänglich für die Erreichung des Ziels eingesetzt».

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