7. Januar 2016

Dänischer Bericht stützt EDK-Sprachenkonzept

Das Fremdsprachenlernen bleibt in der Schweiz eine umstrittene Sache. Sollen es zwei Fremdsprachen sein, die Primarschüler erlernen? Oder doch nur eine? Sollen die Schülerinnen und Schüler an erster Stelle Englisch lernen oder doch besser Französisch? Bekanntlich hat die Bildungspolitik dazu eine klare Haltung und Strategie entwickelt: Es sollen zwei Fremdsprachen in der Primarschule sein, beginnend im 3. und im 5. Schuljahr. Welche Fremdsprache zuerst an die Reihe kommt, dies darf jeder Kanton eigenmächtig entscheiden.











Bildungspolitik oder Wissenschaft: Nach welchen Grundsätzen sollen Entscheide getroffen werden? Bild: Gaetan Bally
Bildungspolitik, nicht Wissenschaft, NZZ, 7.1. von Michael Schoenenberger


Umstritten bleibt die Angelegenheit, weil einzelne Kantone ausscheren und nur noch eine Fremdsprache auf der Primarschulstufe unterrichten lassen wollen. Überdies äussern sich Lehrerverbände kritisch. Sie machen vor allem fehlende Ressourcen geltend und stellen pädagogische Überlegungen an. Hinzu kommen Argumente von jenen, die gerne in mathematische Kenntnisse investieren möchten: Das Erlernen einer zweiten Fremdsprache brauche Zeit - diese Zeit fehle, um zum Beispiel mehr Mathematik zu pauken.

Viele Worte, kaum Studien
Gerne wird von den verschiedenen Akteuren - auf welcher Seite sie auch stehen - die Wissenschaft bemüht. Um herauszufinden, was genau die Wissenschaft zum Erlernen der Fremdsprachen zu sagen hat, hat die Koordinationskonferenz Bildungsforschung von Bund und Kantonen eine systemische Forschungsübersicht beim Danish Clearing House der Universität Århus in Auftrag gegeben. Das ernüchternde Fazit lautet: Keine der verschiedenen Präferenzen zum Fremdsprachenunterricht kann wissenschaftlich untermauert werden.

Die systematische Übersicht wurde nach einem standardisierten Verfahren erstellt. Es könne nahezu ausgeschlossen werden, dass öffentlich verfügbare Forschungsinformationen nicht berücksichtigt würden, sagt Stefan Wolter von der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung. Der Bildungsökonom hält weiter fest, dass die gefundene Forschung von externen Experten einzeln nach ihrer Relevanz für die gewählte Fragestellung beurteilt wird. Die systematische Übersicht sei deshalb nicht mit einer herkömmlichen Literaturanalyse zu vergleichen und führe zu anderen Aussagen. «Mit rund 7000 Publikationen zum Thema ist die Ausbeute der Arbeit sehr gross», sagt Wolter auf Anfrage. Allerdings seien nach der fundierten Analyse nur 43 Studien übrig geblieben, die tatsächlich als wissenschaftliche Forschung bezeichnet werden können. Bei vielen anderen handle es sich schlicht und einfach um Meinungsaufsätze oder um die Beschreibung von Ergebnissen anderer Forscher, sagt Wolter. Trotzdem werde in der politischen Debatte häufig auf solche nichtwissenschaftliche Arbeit verwiesen, kritisiert er.

Kaum Aussagen möglich

Wichtige Erkenntnis der Analyse ist, dass über die Reihenfolge von Fremdsprachen keine Aussage gemacht werden kann. Für Schweizer Verhältnisse heisst das: Die Wissenschaft kann nicht sagen, ob es besser ist, mit Französisch oder mit Englisch in der Primarschule anzufangen. Nachweisen lässt sich, dass gute Kenntnisse in der Schulsprache und in der ersten Fremdsprache sich positiv auf den Erwerb einer zweiten Fremdsprache auswirken, wie Wolter betont. Es könne überdies keine Überforderung der Schüler nachgewiesen werden, wenn zwei Fremdsprachen gleichzeitig vermittelt würden. «Viel mehr als diese Erkenntnisse gibt es nicht aus der Forschung», sagt er. Aber eine eindeutige Schlussfolgerung zieht der Bildungsökonom dann doch: «Wer den Unterricht einer zweiten Fremdsprache aus der Primarschule verbannen will, kann dies mit Sicherheit nicht mit wissenschaftlicher Forschung begründen.» Eine solche Entscheidung wäre bildungspolitisch motiviert, nicht wissenschaftlich.

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