24. Januar 2016

Schulausgaben einfrieren laut Umfrage wünschenswert

Eine Umfrage zeigt: In der Schweiz gibt es eine hohe Zustimmung für das Einfrieren von Schulausgaben. Die Schüler protestierten mit einem Rap. «Zrugg id Steiziit» heisst der Song der Winterthurer Kantonsschule Im Lee, der sich gegen Sparmassnahmen an den Schulen richtet. Eine andere Schule in Zürich pferchte kürzlich am Tag der offenen Tür 30 Schüler in ein Klassenzimmer – als Demonstration, dass grössere Klassen kein taugliches Mittel seien, um Bildungskosten zu senken. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt: Die Stimmungsmache ist fehl am Platz.
Volk will Bildungskosten beschränken, Sonntagszeitung, 24.1. von Nadja Pastega


An den Schweizer Schulen herrschen luxuriöse Bedingungen. Es wurde in den letzten Jahren üppig investiert. Die Ausgaben für die obligatorische Schule sind in zehn Jahren von 12,3 Milliarden auf 14,6 Milliarden Franken gestiegen – und das, obwohl die Zahl der Volksschüler gesunken ist. Gemessen an der Schülerzahl und teuerungsbereinigt, fällt das Ausgabenwachstum noch krasser aus: Demnach kostet die Volksschule heute real jährlich über 3 Milliarden Franken mehr als vor zehn Jahren, hat Stefan Wolter, Bildungsökonom der Universität Bern, berechnet. Das heisst: Die Ausgaben pro Schüler sind so hoch wie noch nie. «In der Volksschule sind die Kosten explodiert», sagt Wolter.

Ein Volksschüler kostet 20000 Franken pro Jahr
Nun, da viele Kantone rote Zahlen schreiben, soll Schluss sein mit dem Geldsegen. Auch die Schulen müssen sparen. Dagegen gibt es lautstarken Protest der Lehrerverbände, sie warnen bereits vor «Raubbau» an der Bildung. Jetzt erhält die Debatte von anderer Seite neuen Schub: Ökonom Wolter hat im Rahmen einer breit angelegten bildungspolitischen Umfrage des Swiss Leading House on the Economics of Education der Universitäten Bern und Zürich untersuchen lassen, wie das Schweizervolk zu Finanzfragen steht. Das Fazit: Die Schweizer Bevölkerung will das Ausgabenwachstum bei der Bildung stoppen.

Bei der repräsentativen Erhebung, die das Link-Institut durchführte, wurden 6000 Schweizerinnen und Schweizer befragt. Sie hatten zu entscheiden, ob die Ausgaben für die Volksschule weiter steigen, gleich bleiben oder sinken sollen. Die Befragten wurden in vier Gruppen zu je 1500 Personen aufgeteilt und unterschiedlich informiert. Die erste Gruppe bekam keine Zusatzinformationen. Gruppe 2 erhielt den Hinweis, dass ein Volksschüler in der Schweiz durchschnittlich 20000 Franken pro Jahr koste. Der dritten Gruppe präsentierte man die Gesamtkosten von 180000 Franken pro Schüler für neun Schuljahre. Gruppe 4 wurde darüber informiert, dass es die gesamten Steuererträge eines durchschnittlichen Steuerzahlers über einen Zeitraum von 16 Jahren braucht, um einem einzigen Schüler die gesamte obligatorische Schulzeit zu finanzieren. Ergebnis: Nur in der ersten Gruppe gab es eine leichte Mehrheit für höhere Bildungsausgaben. In den anderen drei Gruppen, die über die tatsächlichen Kosten der Volksschule aufgeklärt wurden, kehren sich die Mehrheitsverhältnisse um: Rund 60 Prozent wollen, dass die Ausgaben eingefroren werden oder gar sinken sollen – und das unabhängig davon, welche Information zu den wahren Bildungsausgaben sie erhielten.

«In der Bevölkerung herrscht offenbar ein eklatanter Informationsnotstand», sagt Wolter. «Sobald man die Befragten über die heutigen Verhältnisse aufklärt, sinkt die Zustimmung zu mehr staatlichen Ausgaben, und die Bereitschaft, zu sparen, steigt.» Wäre die Bevölkerung gut über das Bildungswesen informiert, so Wolter, dürften sich keine oder nur geringe Veränderungen der Präferenzen manifestieren. Das zeige, dass die Unterstützung für Bildungsausgaben zum Teil auf der Annahme beruhe, «dass die Ressourcenausstattung schlechter sei, als sie tatsächlich ist».

Wie die Umfrage weiter zeigt, gibt es Unterschiede nach politischer Präferenz. Die Zustimmung für steigende Bildungsausgaben ist auf der linken Seite deutlich grösser: Eine Mehrheit der Befragten will noch mehr Geld in die Volksschule pumpen – das gilt auch für jene, die über die heutigen Kosten informiert wurden.

Der Lehrerverband Schweiz widerspricht vehement
Dagegen steigt die Zustimmung für einen Marschhalt bei den Bildungsausgaben bei jenen Personen, die sich der politischen Mitte oder dem rechten Parteienspektrum zuordnen, auf einen Anteil von bis zu 63 respektive 73 Prozent. Klar ist: Wegen der Finanzklemme in den Kantonen müssen auch die Schulen sparen. 20 der 21 vom Lehrerverband Schweiz (LCH) angefragten Kantone wollen die Bildungsausgaben insgesamt um 500 Millionen Franken senken. Das führt aber nur zum Teil dazu, dass weniger Geld ausgegeben wird. Oft heisst «sparen», dass das geplante Ausgabenwachstum reduziert wird.

Der Lehrerverband LCH wehrt sich kategorisch gegen Sparmassnahmen an der Volksschule. «Wir erkennen derzeit kein Sparpotenzial», sagt Zentralsekretärin Franziska Peterhans. «Die Zitrone ist ausgepresst. Wer jetzt Ressourcen wegnimmt, der betreibt ganz klar Abbau und beschädigt die Qualität der Schule.» Das sieht Ökonom Wolter anders: «Mit Blick darauf, dass die Ausgaben in den letzten zehn Jahren um drei Milliarden Franken gestiegen sind, sollte es machbar sein, wenn man jetzt 500 Millionen sparen muss.» Pisa zeige zudem, «dass sich die Qualität in dieser Zeit nicht deutlich verbessert hat».

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