14. Februar 2016

Assessment soll Zahl der Aussteiger reduzieren

Die Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz testet ab 2017, wie belastbar und flexibel ihre Studenten sind. Sie will damit die Zahl der Berufsaussteiger senken. 
Längst nicht alle, die sich an einer Pädagogischen Hochschule einschreiben, werden später auch Lehrer. Bereits während der Ausbildung geben rund 15 Prozent der PH-Studenten auf. Nicht wenige scheitern später an der Realität des Alltags. Im ersten Berufsjahr hört jeder sechste Lehrer auf, nach fünf Jahren arbeitet die Hälfte nicht mehr im Beruf.



















Umstritten ist, ob sich die Zahl der Aussteiger durch ein Assessment reduzieren lässt, Bild: Benne Ochs
Stresstest für künftige Lehrer, NZZaS, 14.2. von René Donzé

«Lehrpersonen, die sich im Beruf nicht bewähren oder aus dem Beruf aussteigen, sind letztlich für alle eine Belastung», sagt Alexander Hofmann, Vizedirektor der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW). Seine Schule ist nach der PH Zürich die zweitgrösste Ausbildungsstätte für Lehrer in der Deutschschweiz: Jedes Jahr melden sich dort rund tausend Frauen und Männer für ein Studium an.

Fiktives Elterngespräch
Diese Studierenden will die PH FHNW künftig genauer unter die Lupe nehmen. Ab 2017 müssen alle Neuen ein Assessment durchlaufen. Es soll entweder vor Studienbeginn oder aber während des ersten Semesters stattfinden. «Das Bestehen bildet die Voraussetzung für den Eintritt in die Praktika als Bestandteil des Studiums», sagt Hofmann.

Die Idee dahinter: Je genauer die Eignungsabklärung zu Beginn des Studiums, desto tiefer später die Ausfallquote. «Assessments erlauben gute Prognosen zur beruflichen Eignung», sagt Hofmann. «Sie sind für die Studierenden transparent und ermöglichen ihnen im individuellen Auswertungsgespräch eine Standortbestimmung.» So erhielten sie Anhaltspunkte, ob sie sich richtig entschieden hätten.

In der Privatwirtschaft und in der öffentlichen Verwaltung werden solche Assessments mit Bewerbern durchgeführt, um deren fachliche und persönliche Qualitäten zu testen, etwa die Stressresistenz. Bei den angehenden PH-Studierenden geht es um soziale Eigenschaften wie Problemlösefähigkeit, Zielorientierung, Flexibilität, Lernbereitschaft und Reflexionsfähigkeit.

Getestet werden die Kandidaten der PH FHNW während eines Tages in Gruppen zu acht Personen, beobachtet von Experten der Hochschule sowie auswärtigen Spezialisten. Unter anderem müssen die Anwärter ein Elterngespräch als Rollenspiel inszenieren. «Das Ziel ist, einschätzen zu können, ob Personenmerkmale, Kompetenzen und Berufsmotivation einer Person zu den Anforderungen des Lehrberufs passen», erklärt Hofmann.

Mit diesem Vorgehen betritt die PH FHNW Neuland. Ein Assessment für alle Studierenden kennt noch keine PH, solche Tests werden bis jetzt nur mit Quereinsteigern durchgeführt. Sie seien dort auf gute Akzeptanz gestossen, sagt Hofmann.

Standard an allen PH ist hingegen eine Berufseignungsabklärung der angehenden Lehrer im ersten Studienjahr. Diese wird in der Regel im Rahmen des Praktikums durch den Mentor vorgenommen, so auch bei der PH Zürich: «Bei Zweifeln an der Eignung wird der Student einer erweiterten Eignungsabklärung unterzogen», sagt Fabian Camenzind, Ressortleiter Aufnahmeverfahren. Dies geschehe bei etwa fünf Prozent aller Studierenden. «Abgewiesen werden am Ende nur ganz wenige», sagt er. Assessments seien in Zürich keine geplant, doch werde man sich bei der PH FHNW informieren.

Kritik der PH Luzern
Der Rektor der Pädagogischen Hochschule Luzern, Hans-Rudolf Schärer, hält wenig von solchen Tests. «Ein Assessment ist eine Momentaufnahme», sagt er. «Die Studierenden sind noch sehr jung und können sich im Verlaufe der Ausbildung noch entwickeln.» Man dürfe ihnen also nicht die Berufseignung absprechen, noch bevor sie in die Ausbildung eingestiegen seien. Schärer hat auch Vorbehalte gegenüber der Aussagekraft solcher Tests: «Der Lehrberuf ist wesentlich ein Beziehungsberuf. Es ist fraglich, ob sich die dafür zentrale Fähigkeit zur Gestaltung von Beziehungen in einem Assessment prüfen lässt», sagt er. Er glaubt nicht, dass dazu verlässliche Aussagen möglich sind.


Dass sich die pädagogischen Hochschulen auf eine gemeinsame Praxis einigen, scheint wenig wahrscheinlich. Beim Hochschulverband Swissuniversities hat sich die Pädagogische Kammer nicht auf eine einheitliche Position festgelegt, wie Geschäftsführerin Sonja Rosenberg sagt. «Sicher wichtig ist die frühe Abklärung der Ausbildungseignung», sagt sie. Diese werde an allen PH intensiv während des ersten Ausbildungsjahres vorgenommen. Ob Assessments geeignet sind, spätere Ausfälle zu vermeiden, will sie nicht beurteilen: «Wir kennen in Bezug auf diese Frage keine erhärteten Studien.»

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