25. März 2016

Appenzeller Lehrplan 21-Initiative zurückgezogen

Der Initiant der Appenzell-Innerrhodischen Initiative gegen den Lehrplan 21 hat seine Initiative überraschend zurückgezogen. In seiner Medienmitteilung schreibt Paul Bannwart, diverse Gespräche hätten ihm gezeigt, dass die Umsetzung des Lehrplans 21 seine ursprünglichen Vorbehalte relativierten. Unklar ist im Moment allerdings, ob es rechtlich überhaupt möglich ist, die Initiative so kurzfristig vor der Landsgemeinde zurückzuziehen.

Ist der Rückzug ein Sieg der Lehrplan-Befürworter? Blicken wir genauer hin auf die Schulsituation im kleinsten Schweizer Kanton. Innerrhoden hat Harmos abgelehnt. In Innerrhoden gibt es keine Schulleitungen (ausser an der Sekundarschule Oberegg). Der Kleinkanton verzichtet ohne Nachteile bei weiterführenden Schulen auf zwei Primarfremdsprachen. Auf der Oberstufe sind Sek und Real erhalten. In Appenzell sind die beiden Abteilungen separiert, während in Oberegg aufgrund der Schülerzahlen ein integriertes Modell umgesetzt wird. Ausserdem sind Kleinklassen im ganzen Kanton noch erhalten. 

Kommen wir nun zu den konkreten Punkten, die massgeblich zum Rückzug der Initiative beigetragen haben. 

  • Bei der geplanten Umsetzung wird weiterhin auf die Kultur, Tradition und die christlichen Grundsätze Rücksicht genommen. 
  • Es wurde versichert, dass selbstgesteuertes oder individualisiertes Lernen gegenüber anderen Lehrmethoden nicht bevorzugt wird.
  • Es werden keine Lernlandschaften geschaffen, wo Kinder mit dem Computer alleine gelassen werden.
  • Eine Veränderung der Rolle der Lehrpersonen in Richtung Lerncoach ist nicht vorgesehen. 
  • Altersdurchmischtes Lernen ist kein Thema in Appenzell Innerrhoden. 
  • Die Basisstufe als Ersatz für den Kindergarten war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen.
  • Das erste Kindergartenjahr bleibt freiwillig.
  • Es wird weiterhin auf die zweite Fremdsprache an der Primarschule verzichtet. Das bedeutet auch in der Stundentafel mehr Raum und schränkt die Teilnahme an Vergleichstests ein.
  • Gegenüber jährlichen Standardtests auf eidgenössischer Ebene verhält sich der Kanton zurückhaltend.
Dies sind die konkreten Zusicherungen, die Paul Bannwart bekommen hat und die ihn zum Rückzug seiner Einzelinitiative bewogen haben. Ich überlasse es nun der Leserschaft zu beurteilen, ob Innerrhoden damit noch Lehrplan 21-kompatibel ist oder nicht. (uk)
Rückzug der Initiative "Für eine starke Volksschule", 24.3. von Paul Bannwart

Ich ziehe meine im letzten Sommer eingereichte Initiative „Für eine starke Volksschule“ zurück, sofern dies zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist. Mit der Initiative wollte ich vor allem die Einführung des Lehrplans 21 verhindern. Die Diskussionen, Veranstaltungen und die Gespräche mit den verschiedensten Exponenten gaben mir das Vertrauen, dass der neue Lehrplan pragmatisch, moderat und unter Berücksichtigung der Appenzeller Eigenheiten umgesetzt werden wird. Die für mich problematischen Aspekte haben sich relativiert.
 
Im Verlaufe der Zeit konnte ich feststellen, dass bei der vorgesehenen eigenständigen Umsetzung des neuen Lehrplans Kultur, Tradition und christliche Grundsätze in den Schulen weiterhin gebührend berücksichtigt werden. 
 
Mir wurde auch versichert, dass für den Unterricht keine Absicht besteht, das selbstgesteuerte oder individualisierte Lernen gegenüber anderen Methoden zu bevorzugen. Meine Befürchtung, dass die Schulzimmer in sogenannte Lernlandschaften umgestaltet werden müssen, in welchen die Schüler mit Hilfe des Computers oder anderer durch die Lehrperson bereitgestellten Mitteln für sich alleine lernen sollen, stellte sich als unbegründet heraus. Die Lehrpersonen werden weiterhin für die Klassenführung verantwortlich sein. Eine Veränderung der Lehrerrolle in Richtung eines hauptsächlich begleitenden Coachs sei nicht vorgesehen.
 
Es zeigte sich auch, dass die Einführung des sogenannten altersdurchmischten Lernens ebenfalls kein Thema für unsere Schulen ist. Sie werden weiterhin in Jahrgangsklassen oder - in den kleineren Schulgemeinden - in bewährten Mehrjahrgangsklassen geführt, beispielsweise erste und zweite Klasse zusammen. Eine Einführung der Basisstufe (Kindergarten und 1./2. Klasse zusammen) war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen. Ebenso wird der Landsgemeindebeschluss von 2008 respektiert; das erste Kindergartenjahr wird freiwillig bleiben.
 
In der Fremdsprachenfrage hat sich der Kanton Appenzell Innerrhoden öffentlich klar positioniert. Laut Landammann und Erziehungsdirektor wird ohne Not nichts an dieser Strategie geändert: Auf der Primarstufe soll nur eine Fremdsprache unterrichtet werden, die zweite soll auf der Oberstufe folgen.
 
Dass sich der Kanton Appenzell Innerrhoden weiterhin zurückhaltend gegenüber jährlichen Standardtests auf eidgenössischer Ebene verhält, wurde von mir positiv aufgenommen.
 
Ich hoffe, mit den geführten offenen Diskussionen einen Beitrag für eine moderate Entwicklung unseres Bildungswesens geleistet zu haben und danke für die konstruktiven Gespräche.


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