27. März 2016

Thurgau will in Fremdsprachenfrage hart bleiben

Die Frühfranzösisch-Pflicht wird konkret. Innenminister Alain Berset lässt das Sprachengesetz anpassen. Im Herbst liegt der Entwurf vor.
Sprachenstreit: Jetzt greift Berset ein, NZZaS, 27.3. von René Donzé


In mehreren Kantonen gibt es Initiativen und Vorstösse gegen zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe - meist wollen sie das Frühfranzösisch abschaffen. Am weitesten ist der Kanton Thurgau, wo das Parlament bereits in diesem Sinn entschieden hat. Kommenden Freitag wird die Thurgauer Bildungsdirektorin Monika Knill (svp.) den neuen Thurgauer Lehrplan in die Vernehmlassung geben - ohne Französisch in der Primarschule, aber mit einem starken Ausbau des Französisch auf der Sekundarstufe. Im Herbst wird die Regierung den Lehrplan verabschieden. In einem Punkt werde auch nach der Vernehmlassung nichts mehr geändert, sagt Knill: «Auf die Fremdsprachenfrage werden wir nicht mehr zurückkommen.»
Das ist dann allerdings der Moment, in dem der zuständige Bundesrat Alain Berset (sp.) rasch eingreifen will. Er lässt jetzt schon eine Änderung des nationalen Sprachengesetzes vorbereiten, um die Kantone zu verpflichten, in der Primarschule zwingend eine zweite Landessprache zu unterrichten - in der Deutschschweiz also Französisch oder Italienisch. «Die Vorarbeiten für eine Anpassung des Sprachengesetzes laufen», sagt David Vitali, zuständiger Sektionsleiter im Bundesamt für Kultur.
Das erstaunt: Erst im Herbst schrieb der Bundesrat auf eine Interpellation von Ständerat Christian Levrat (sp.): «Falls die Kantonsregierung des Kantons Thurgau die entsprechende Änderung des Lehrplans beschliessen sollte, würde der Bundesrat die Verwaltung beauftragen, eine Gesetzesänderung vorzubereiten und die Vernehmlassung zu eröffnen.» Nun aber wird er jetzt schon aktiv, lange bevor der formelle Beschluss im Thurgau da ist.
Vor wenigen Tagen hat Bundesrat Berset der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) einen Brief geschickt. Er will von der EDK wissen, ob sie die rechtlichen Einschätzungen des Bundesamtes für Kultur teile, wie sie in einem Bericht vom Februar 2015 stünden. Unter anderem geht es um die Frage, ob der Bund die Harmonisierung der Sprachenfrage schon für die Primarschule vorschreiben dürfe oder ob die Pflicht zur Harmonisierung nur für das Ende der obligatorischen Schulzeit gelte, wie Frühfranzösisch-Gegner sagen. Für EDK-Generalsekretär Hans Ambühl ist klar: «Wir teilen die rechtliche Einschätzung des Bundes.»

Offensichtlich geht es Bersets Departement darum, im Herbst eine fertige Vorlage zur Hand zu haben. «Wir wollen bereit sein für den Fall, dass der Bundesrat zum Schluss kommt, der Moment zum Handeln sei gekommen», sagt Vitali. «In diesem Fall geht es darum, einen Gesetzesvorschlag bereitzuhalten, der dann in eine förmliche Vernehmlassung gegeben werden kann.» Monika Knill warnt vor einer solchen Einmischung: Ein Ausscheren des Thurgaus müsse «in der föderalistischen Toleranz liegen», sagt sie. Ein Einschreiten des Bundes wäre nicht gerechtfertigt. «Das wird zu heftigen Reaktionen in den Kantonen führen und schadet dem nationalen Zusammenhalt.»

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