Die Frühfranzösisch-Pflicht wird konkret. Innenminister Alain Berset lässt das Sprachengesetz anpassen. Im Herbst liegt der Entwurf vor.
Sprachenstreit: Jetzt greift Berset ein, NZZaS, 27.3. von René Donzé
In mehreren Kantonen gibt es Initiativen und Vorstösse gegen zwei
Fremdsprachen auf der Primarstufe - meist wollen sie das Frühfranzösisch
abschaffen. Am weitesten ist der Kanton Thurgau, wo das Parlament bereits in
diesem Sinn entschieden hat. Kommenden Freitag wird die Thurgauer
Bildungsdirektorin Monika Knill (svp.) den neuen Thurgauer Lehrplan in die
Vernehmlassung geben - ohne Französisch in der Primarschule, aber mit einem
starken Ausbau des Französisch auf der Sekundarstufe. Im Herbst wird die Regierung
den Lehrplan verabschieden. In einem Punkt werde auch nach der Vernehmlassung
nichts mehr geändert, sagt Knill: «Auf die Fremdsprachenfrage werden wir nicht
mehr zurückkommen.»
Das
ist dann allerdings der Moment, in dem der zuständige Bundesrat Alain Berset
(sp.) rasch eingreifen will. Er lässt jetzt schon eine Änderung des nationalen
Sprachengesetzes vorbereiten, um die Kantone zu verpflichten, in der
Primarschule zwingend eine zweite Landessprache zu unterrichten - in der
Deutschschweiz also Französisch oder Italienisch. «Die Vorarbeiten für eine
Anpassung des Sprachengesetzes laufen», sagt David Vitali, zuständiger
Sektionsleiter im Bundesamt für Kultur.
Das
erstaunt: Erst im Herbst schrieb der Bundesrat auf eine Interpellation von
Ständerat Christian Levrat (sp.): «Falls die Kantonsregierung des Kantons
Thurgau die entsprechende Änderung des Lehrplans beschliessen sollte, würde der
Bundesrat die Verwaltung beauftragen, eine Gesetzesänderung vorzubereiten und
die Vernehmlassung zu eröffnen.» Nun aber wird er jetzt schon aktiv, lange
bevor der formelle Beschluss im Thurgau da ist.
Vor
wenigen Tagen hat Bundesrat Berset der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK)
einen Brief geschickt. Er will von der EDK wissen, ob sie die rechtlichen
Einschätzungen des Bundesamtes für Kultur teile, wie sie in einem Bericht vom
Februar 2015 stünden. Unter anderem geht es um die Frage, ob der Bund die
Harmonisierung der Sprachenfrage schon für die Primarschule vorschreiben dürfe
oder ob die Pflicht zur Harmonisierung nur für das Ende der obligatorischen
Schulzeit gelte, wie Frühfranzösisch-Gegner sagen. Für EDK-Generalsekretär Hans
Ambühl ist klar: «Wir teilen die rechtliche Einschätzung des Bundes.»
Offensichtlich
geht es Bersets Departement darum, im Herbst eine fertige Vorlage zur Hand zu
haben. «Wir wollen bereit sein für den Fall, dass der Bundesrat zum Schluss
kommt, der Moment zum Handeln sei gekommen», sagt Vitali. «In diesem Fall geht
es darum, einen Gesetzesvorschlag bereitzuhalten, der dann in eine förmliche
Vernehmlassung gegeben werden kann.» Monika Knill warnt vor einer solchen
Einmischung: Ein Ausscheren des Thurgaus müsse «in der föderalistischen
Toleranz liegen», sagt sie. Ein Einschreiten des Bundes wäre nicht
gerechtfertigt. «Das wird zu heftigen Reaktionen in den Kantonen führen und
schadet dem nationalen Zusammenhalt.»
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