1. April 2016

Eymann reagiert auf Artikel

Ein kürzlich in der Basler Zeitung erschienener Artikel hat den EDK-Präsidenten Christoph Eymann zu einer Replik bewogen. Darin wirft Eymann dem Autor Unsachlichkeit vor. Ausserdem bezweifelt er die Qualität der im Artikel zitierten Studien.
Gespräche statt Studien, Basler Zeitung, 1.4. von Christoph Eymann


Mit Schule ist es wie mit Fussball; alle können mitreden, schliesslich sind alle zur Schule gegangen. Es sollen auch alle mitreden. Es wäre wichtig, diese Diskussionen sachlich zu führen. Das macht Herr Dähler in seinem Artikel «Ein Flop, den niemand sofort stoppen will» leider nicht.

Im Moment scheint ein Streit der Studien zu herrschen. Gerade im Bildungsbereich gibt es starke Reflexe, alles evaluieren zu lassen, Studien in Auftrag zu geben. Meistens verlangt dies die Politik. Das Bildungswesen soll rechtfertigen, was mit dem Geld geschieht. So weit, so gut; ich behaupte, dass es im Bildungsbereich eher zu viele Studien gibt, weniger wäre oft mehr. Studien sind dann gerechtfertigt, wenn sie zu neuen Erkenntnissen führen und zeigen, wo und wie man etwas verbessern kann.

Wir in Basel-Stadt nehmen Studien zur Kenntnis, vertrauen aber in erster Line auch auf den Dialog mit den Lehrpersonen. Wir sind mit der Kantonalen Schulkonferenz und der Gewerkschaft im Austausch. Natürlich sind die Meinungen unterschiedlich. Natürlich wird hart diskutiert. Aus jedem Gespräch mit den Delegationen der Lehrerschaft lernen meine Mitarbeitenden und ich aber. Wir erfahren, wie es in der Praxis aussieht. Wir hören, ob und wo Handlungsbedarf besteht. Wir müssen ab und zu auch zugeben, dass ein erkanntes Problem nicht oder nicht sofort lösbar ist. Persönliche Gespräche können durch Studien nicht ersetzt werden.
Vorsicht bei Studien
Dennoch können wissenschaftlich erhobene Resultate hilfreich sein. Sie müssen aber gewissen Qualitätskriterien entsprechen. Zu den Studien, die von Herrn Dähler im BaZ-Artikel vom 29. März zitiert werden: Die Universität Aarhus hat untersucht, was die internationale Forschung zum gleichzeitigen Lernen von mehreren Fremdsprachen in der Schule sagt. Dabei hat sie nur Studien berücksichtigt, die qualitativ genügen. Erste Feststellung: Es gibt wenig Studien zu dieser Fragestellung und noch weniger, die qualitativ gut sind.

Stefan Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung, hat den Bericht aus Dänemark für die Schweiz ausgewertet. Er – nicht die Erziehungsdirektorenkonferenz, wie die Basler Zeitung irrtümlich meint – schreibt in einem Artikel, dass damit unter anderem gezeigt werde, dass als Argumente für das ­Verbannen des Französischunterrichts aus der Primarstufe keine Forschungsergebnisse ins Feld geführt werden können. Das ist eine wichtige Feststellung, denn in der aktuellen Diskussion wird andauernd unter Bezug auf wissenschaftliche Studien gegen das Modell 3/5 (3. Klasse erste Fremdsprache/5. Klasse zweite Fremdsprache) argumentiert. Zum Beispiel in der ­Studie Pfenninger; auch Herr Dähler kommt in seinem Artikel auf diese zu sprechen. Zu dieser Studie: Sie fand keinen Eingang im oben erwähnten Bericht der dänischen Forschungsstelle, weil sie offensichtlich qualitativ nicht genügte. Aus ihr können keine Erkenntnisse für die aktuelle Dis- kussion abgeleitet werden. So weit die Wissenschaft.
Dann erwähnt Herr Dähler auch noch die kürzlich publizierte Fremdsprachenevaluation der Bildungsdirektorenkonferenz Zentralschweiz. Für ihn ebenfalls ein Beweis dafür, dass das Modell 3/5 nicht funktioniert. Das ist wenig differenziert.

In der Zentralschweiz beginnen die Schülerinnen und Schüler mit Englisch in der 3. Klasse. Bereits in der 8. Klasse erreichen im Englisch rund zwei Drittel von ihnen – ohne 20 Prozent Gymnasiastinnen und Gymnasiasten – im Schreiben und Lesen die Ziele, die per Ende der obligatorischen Schule zu erreichen sind. Das ist ein sehr gutes Ergebnis für den schulischen Fremdsprachenunterricht. Im Französischen, das im 5. oder 7. Schuljahr einsetzt, ist die Zielerreichung – bei insgesamt deutlich weniger Lernzeit als im Englischen – klar weniger gut.

Wenn man dieses Ergebnis aus Sicht der Region Basel interpretieren will, dann lässt sich der Schluss ziehen, dass es offensichtlich besser ist, mit Französisch in der 3. Klasse zu beginnen. Die Ziele im Englischen scheinen dagegen auch mit weniger Lernzeit realistisch. Wir verfügen über ein eigens für unsere Lernenden von Fachleuten aus der Schule und der Pädagogischen Hochschule entwickeltes, sehr gutes Lehrmittel und haben bereits viel in die Weiterbildung der Lehrpersonen investiert. Wir werden den Französischunterricht in den kommenden Jahren (2017 und 2020) evaluieren. Das wird erste Beurteilungen ermöglichen. Bis dahin lassen wir uns nicht von solchen Flop-Artikeln verunsichern. Wir sind den Schülerinnen und Schülern schuldig, nicht auf Stammtischniveau Diskussionen zu führen. Mit aller Sorgfalt und im engen Dialog mit den Lehrpersonen werden dann die Folgerungen erarbeitet. Wenn Korrekturbedarf ge-geben ist, dann muss eben korrigiert werden. Das aber in Ruhe, damit die Schule nicht beschädigt wird. Dazu braucht es auch keine Fülle von Volks- initiativen, über welche in gewissen Kantonen kaum noch jemand den Überblick zu haben scheint.
Als Fortschritt zu werten
Erste vereinzelte Rückmeldungen von Lehrpersonen deuten darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler an den neuen Sekundarschulen im Kanton Basel-Stadt motivierter Französisch lernen. Sie sprechen frei, wenn auch mit Fehlern. Dies ist als Fortschritt gegenüber dem Fremdsprachenunterricht mit dem alten Lehrmittel zu werten. Denn auch mit den Lehrmitteln «Bonne Chance» oder «Envol» war der Weg zum Erlernen von Französisch schwierig und die am Ende der Schulzeit erreichten Sprachkompetenzen sehr unterschiedlich.


Und zu guter Letzt: Keiner erwartet, wie das Herr Dähler in seinem Artikel formuliert, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schule mit 15 Jahren «eine Fremdsprache können». Es geht darum, Grundkompetenzen zu erwerben, auf denen man in der weiteren Schullaufbahn aufbauen kann. Die Konkurrenz, gegen welche die heutigen Schülerinnen und Schüler sich später im Arbeitsmarkt werden durchsetzen müssen, ist eine internationale. Wir haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass unsere Jugend mithalten kann. Dazu darf man auch etwas von ihr fordern.

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