22. Mai 2016

Millionen sollen Männer ins Schulzimmer locken

In den nächsten Tagen erscheinen Inserate in Pendlerzeitungen, gleichzeitig gibt es Kino-Werbung in der Stadt Zug. Gezeigt wird ein Mann im Karohemd, der lächelnd eine geometrische Figur misst: «Jetzt die Zukunft neu vermessen: im Lehrberuf schnuppern!», lautet der Slogan dazu. Die Kampagne will Männern den Umstieg in den Lehrerberuf schmackhaft machen. Sie wirbt für die Website www.umstieg-lehrberuf.ch. Dort können sich Interessierte für Schnuppertage anmelden, an denen sie Lehrer bei der Arbeit begleiten und sich am Unterricht beteiligen dürfen. «Es geht uns darum, Barrieren abzubauen», sagt Christa Kappler von der PH Zürich, die das Projekt mit einer Zuger Kollegin leitet.




Männliche Vorbilder sind wichtig, Bild: Thomas Tolstrup. Jetzt gibt's Männerförderung, NZZaS, 22.5. von René Donzé

Die Umsteiger-Kampagne ist Teil eines grösseren Projekts. Unter dem Dach des Vereins «Männer an die Primarschule» (MaP) werden in den nächsten Monaten verschiedene weitere Aktionen gestartet. Neben Berufstätigen sollen auch Gymnasiasten, Leiter von Sport- und Jugendverbänden und Berufsberatungen angesprochen werden. Auch für die Jungen gibt es Schnupperangebote.
Begründet wird die Notwendigkeit der Männerförderung mit der Statistik: An den Schweizer Primarschulen unterrichten rund 18 Prozent Männer. 1995 waren es noch 30 Prozent. Auf der Oberstufe sind die männlichen Lehrkräfte mit 46 Prozent auch schon in der Minderheit, und selbst in den noch eher männerlastigen Gymnasien gehen die Prognosen des Bundes davon aus, dass das Verhältnis bald ändert. Mittlerweile gilt das Unterrichten an der Primarschule als Frauenberuf, wie das Bundesgericht festgehalten hat. Umso weniger wählen junge Männer diesen Beruf.

Bereicherung für Schüler

Darum engagiert sich auch das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) für die MaP-Projekte: «Sie fördern die geschlechtsuntypische Berufswahl und tragen so zur Chancengleichheit bei», sagt Direktorin Sylvie Durrer. Eine halbe Million Franken investiert das EBG in den Verein MaP. Weitere 175 000 Franken fliessen in ein Projekt, das Männer für die schulische Heilpädagogik interessieren soll. Dort liegt der Männeranteil bei 10 Prozent. «Es ist eine Bereicherung, wenn Schülerinnen und Schüler weibliche und männliche Lehrkräfte als Rollenvorbilder erleben», sagt Durrer
Das EBG finanziert die MaP-Projekte zu rund 60 Prozent. Den Rest steuern die daran beteiligten Organisationen bei – vor allem mit Eigenleistungen. Nebst Pädagogischen Hochschulen engagieren sich Fachstellen und der Lehrerverband Schweiz LCH in dieser Sache. Der LCH sieht in der Feminisierung des Lehrerberufs zwar keine Gefahr: «Das tönt wie eine Krankheit. Ist es natürlich nicht», heisst es in einem Positionspapier. «Kinder und Jugendliche werden in der Schule von Frauen genauso gut unterrichtet, wie von Männern.»
Allerdings weist es der LCH nicht von der Hand, dass Lehrerinnen tendenziell einen Unterricht machten, der eher den Mädchen als den Buben entgegenkomme. Es gebe jedoch keine wissenschaftlichen Belege für Nachteile in der Entwicklung von Knaben, die ausschliesslich von Frauen geschult wurden. Wichtig sei eine angemessene Vertretung der Männer im Schulteam auch, weil gemischte Teams «zu einer fruchtbaren Teamkultur Erhebliches beitragen», so der LCH.

Ein Generationenprojekt

Eine Einschätzung, die Beat Ramseier, Leiter der Koordinationsstelle des Vereins MaP, teilt. «Es braucht in der Pädagogik die weibliche und die männliche Sicht.» Die Projekte seien dazu da, verschiedene Massnahmen zu testen, wie Männer wieder vermehrt für den Beruf motiviert werden können. «Das erreicht man nicht von heute auf morgen, es ist ein Generationenprojekt», sagt Ramseier. Entsprechend bescheiden ist auch das Ziel der Umsteiger-Kampagne von Kappler: Im ersten Jahr sollen rund 40 Männer in der Schule schnuppern, sagt sie. Einige von ihnen schreiben sich danach für einen Quereinsteiger-Lehrgang an den PH ein, so die Hoffnung.



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