21. August 2016

Aesch beginnt später mit dem Unterricht

Eltern und Schüler forderten Mitsprache bei Einführung eines neuen Stundenplans - vergeblich.
In Aesch wollen nicht alle, dass die Schule später beginnt, Bild: Florian Bärtschinger
Lange Gesichter zu 20-ab-achti-Schule, Basler Zeitung, 13.8. von Daniel Wahl

Normalerweise ist der erste Schultag nach den Sommerferien ein Freudentag – besonders für all jene Kinder, die es kaum erwarten können, neugierig die Luft und Atmosphäre in einem neuen Schulhaus schnuppern zu dürfen. Nicht so in Aesch. Dort machen viele Sekundarschüler die Faust im Sack. Vergeblich haben sie vor den Sommerferien Unterschriften gegen die Einführung einer 20-ab-achti-Schule gesammelt, wie sie die Schulleitung will, was die BaZ Ende Mai an die Öffentlichkeit gebracht hat. Landesweit sorgte der zeitlich nach hinten verschobene Schulbeginn für Schlagzeilen.

Nach der Zustellung der Stundenpläne in den Sommerferien haben auch die Eltern festgestellt: Am Entschluss, den Morgenmuffeln entgegenzukommen, die vor acht Uhr müde in den Schulbänken hängen, wurde nicht gerüttelt; der Schulbeginn ist grundsätzlich von 7.30 auf 8.20 Uhr verlegt worden. Die Zeit orientiert sich halb am Biorhythmus der Schüler und halb am Busfahrplan. Zwar hat die Schulleitung um Leiter Carol Rietsch nach dem Protest der Schüler und der Intervention des Schulrats ein paar Korrekturen angebracht. «Nur» acht von 19 Sekundarschulklassen haben keinen einzigen freien Schulnachmittag mehr, an denen sie sich mit Kameraden verabreden oder in die Badi gehen können. Dafür werden wiederum Schüler an einzelnen Wochentagen doch schon um 7.30 Uhr in die Schule gebeten.
«Nicht ernst genommen»
Die Einführung dieses neuen Stundenplanregimes, das sich am «chronobiologischen Rhythmus» der Schüler –am typischen morgendlichen Verschlafen-sein in der Jugendzeit – orientieren soll, versuchten betroffene Eltern zu verhindern. Der Preis war ihnen und ihren Kindern zu hoch. Die Familien von Ralph Huber und Niklaus Wasem, welche die Interessen von mindestens 30 Familien in Aesch vertreten, haben sich vor den Sommerferien mit Schulleiter Carol Rietsch getroffen. «Wir wurden mit seligem Lächeln empfangen; ernst genommen wurden wir nicht», sagt Ralph Huber, Vater von zwei Kindern, Unternehmer und früheres Gemeindekommissionsmitglied. «Vielmehr stellen wir jetzt fest, dass die 20-ab-achti-Schule dennoch und erst noch ‹halbbatzig› eingeführt worden ist.» «Es kommt den Familien mit berufstätigen Eltern gar nicht entgegen, wenn die Erwachsenen vor acht aus dem Haus müssen, während ihre halbwüchsigen Kinder noch nach acht Uhr in der Wohnung herumlümmeln», ergänzt Niklaus Wasen, Vater von zwei Kindern im Alter von zwölf und 15 Jahren. Ja, es hat in einem Fall sogar dazu geführt, dass eine Frau ihren 50-Prozent-Job aufgeben muss, weil er mit der neuen Aescher Stundenplanregelung nicht mehr unter einen Hut zu bringen ist, weiss Huber.

Schulen mit spätem Schulbeginn sind aus Amerika bekannt. Diese Colleges führen jedoch einen Mittagstisch mit kurzem Mittag, ab 15 Uhr steht konsequent Sport auf dem Plan, was dem Biorhythmus der Schüler mutmasslich entspricht. «Aber für die konsequente Einführung eines Stundenplans mit spätem Schulbeginn kommt unser Schulsystem mit den Pflichtstunden, Freifächern, den Turnstunden und so weiter technisch und organisatorisch an seine Grenzen», sagt Carol Rietsch. Eine konsequente Umsetzung sei nicht machbar.
Wie viele Unterschriften die Schüler ihm abgegeben haben, will der Schulleiter nicht wissen. Und wie gross der Protest an der Schule war, teilt man nicht mit. Schulratspräsidentin Astrid Marty geht auf die konkrete Frage gar nicht ein. Rietsch erklärt: «Wir haben die Schüler nach Erscheinen des BaZ-Artikels in der Aula orientiert und konnten die Wogen glätten.» Oft hätten die Schüler schon um 15.30 Uhr schulfrei und nicht erst um 17 Uhr, wie ursprünglich befürchtet wurde. «Wir haben ausgeglichene Stundenpläne und schaffen gute Lernvoraussetzungen; ich stehe dahinter», sag er.
Brief an Monica Gschwind
Für betroffene Eltern ist das kein Trost. «Irgendwie ist alles noch schlimmer gekommen», meint Ralph Huber. Inkonsequenter Schulbeginn, kaum freie Nachmittage, keine Blockzeiten – und die Einführung eines Mittagstischs sei ihnen frühestens im Dezember in Aussicht gestellt worden: «Es kommt mir vor als würde der Linksverkehr für die Personenwagen eingeführt. Bei Erfolg wird man in einem halben Jahr den Linksverkehr auch für Lastwagen beschliessen.» Weil die Eltern beim gewählten Schulrat bis jetzt kein Gehör fanden, haben sich gegen dreissig Personen mit einem dreiseitigen Brief an Bildungsdirektorin Monica Geschwind gewandt und beklagen dort: «Wir befinden uns mit den öffentlichen Schulen in einem Umfeld eines Quasimonopols mit neunjährigem Konsumzwang, wofür wir Kunden über Steuern auch dafür bezahlen.» Es scheine deshalb wichtig, bei solchen Änderungen angehört zu werden.

Auf die Frage, weshalb der Schulrat die Schule nicht aufgefordert hat, die Eltern bei der umstrittenen und einschneidenden Stundenplanänderung einzubeziehen, verweist Präsidentin Astrid Marty lediglich auf die Verantwortung der Schulleitung. Diese sei «gesetzlich abschliessend zuständig für die Stundenpläne». «Wir haben aber eine Umfrage bei Schülerinnen und Schülern, Erziehungsberechtigten und Lehrpersonen in Auftrag gegeben.» Man werde bei Bedarf den Einfluss so weit möglich geltend machen, dass die Ergebnisse in den neuen Stundenplan 17/18 einfliessen werden», teilt Marty mit. Ein Jahr zu spät.


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