Der Kanton Aargau verschiebt den Entscheid zu den Fremdsprachen an der Primarschule.
Vorläufig kein Frühfranzösisch, Basler Zeitung, 23.8. von Thomas Dähler
Die Aargauer
Kantonsregierung hat beschlossen, bis 2020 keine Änderung am
Fremdsprachenunterricht in den Aargauer Primarschulen vorzunehmen. Der Kanton
Aargau wird damit, wie aus der Medienmitteilung vom Freitag hervorgeht, die von
der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK)
verlangte Harmonisierung des Sprachunterrichts vorläufig nicht umsetzen und
Französisch weiterhin erst ab der sechsten Klasse unterrichten.
Einen definitiven
Entscheid hat die Aargauer Regierung in der Frage der Reihenfolge der
Fremdsprachen gefällt: Der Aargau bleibt bei Englisch als erster Fremdsprache.
«Mit Englisch als erster Fremdsprache ist der Kanton Aargau kongruent mit dem
Kanton Zürich sowie der gesamten Ost- und Zentralschweiz», begründet die
Regierung das Verdikt. Die Zugehörigkeit zum Bildungsraum Nordwestschweiz mit
den Kantonen Solothurn, Basel-Landschaft und Basel-Stadt und die damit
verbundenen Sprachen-Koordinationsprobleme werden in dem Communiqué mit keinem
Wort erwähnt.
Die Ankündigung von
Bundesrat Alain Berset, eine Bundesregelung in der Frage des
Fremdsprachenunterrichts auf Primarschulstufe zu prüfen, hat damit bereits eine
erste Reaktion verursacht – allerdings ganz und gar nicht im Sinne des
Vorstehers des Departements des Innern. Die Weigerung, bis 2020 in der
Sprachenfrage eine Anpassung vorzunehmen, begründet der Aargauer Regierungsrat
unter anderem damit, dass die Situation bis 2020 auf Bundesebene unklar sei.
«Bis dahin wird sich auch zeigen, ob der Bund bezüglich der Volksschulbildung
und des Sprachenunterrichts in die Bildungshoheit der Kantone eingreifen wird»,
schreibt die Regierung in Aarau. Was sie dabei nicht sagt: Jeder materielle
Entscheid zum Französischunterricht könnte in der gegenwärtigen Situation auf
Bundesebene als Zustimmung oder Ablehnung der von Berset angestrebten
Bevormundung durch Bundesbern interpretiert werden.
Lehrplanentscheid im Februar
Immerhin: Die Aargauer
Regierung anerkennt trotz ihres vorläufigen Neins, dass beim
Französischunterricht in der Primar- und Sekundarschule Handlungsbedarf
besteht. Aus dem Bericht an den Aargauer Grossen Rat geht hervor, dass eine
Änderung auf das Schuljahr 2020/2021 möglich wäre, weil zu diesem Zeitpunkt
auch der neue Aargauer Lehrplan eingeführt werden könnte. Gesichert ist dies
aber noch nicht. Im nächsten Februar stimmen die Aargauerinnen und Aargauer
über die kantonale Volksinitiative Ja zu einer guten Bildung – Nein zum
Lehrplan 21 ab. Der Ausgang der Abstimmung ist offen. 2009 hat der Aargau das
Reformpaket «Bildungskleeblatt» an der Urne verworfen und damit erreicht, dass
der Beitritt zum Harmos-Konkordat im Aargau nicht mehr erwogen wird.
Der Kanton Aargau ist
heute weit davon entfernt, die von der EDK beschlossene Koordination des
Fremdsprachenunterrichts zu erfüllen. Gemäss dieser unterrichten die Kantone
eine erste Fremdsprache in der Primarschule ab der 3. Klasse und eine zweite ab
der 5. Klasse. Im Aargau wird zwar ab der 3. Klasse Frühenglisch unterrichtet.
Der Französischunterricht aber beginnt in der 6. Klasse mit vier
Wochenlektionen. Für Realschülerinnen und -schüler endet der Französischunterricht
zudem nach einem Jahr schon wieder. In der Realschule, einem von drei Niveaus
der Aargauer Sekundarschule, ist Französisch fakultativ.
Bildungsraum vor dem Aus
Der Aargauer
Nicht-Entscheid ist auch für die Kantone Baselland, Basel-Stadt und Solothurn
von Bedeutung. Die vier Kantone bilden ihre Lehrkräfte für die Primar- und
Sekundarschule gemeinsam an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz aus.
Diese wird deshalb nicht darum herumkommen, die angehenden Lehrerinnen und
Lehrer auch in den Sprachen auf die weiterhin unterschiedlichen Schulmodelle
vorzubereiten.
Der Hinweis der Aargauer
Regierung auf die Koordination mit dem Kanton Zürich zeigt auch auf, dass der
einst beschlossene Bildungsraum Nordwestschweiz für den Aargau keine Bedeutung
mehr hat. Die Differenz mit der Reihenfolge Englisch vor Französisch bleibt mit
dem Entscheid auf Jahre hinaus bestehen. Dass im Bildungsraum Nordwestschweiz
Ernüchterung eingekehrt ist, zeichnet sich schon seit Längerem ab. Seit Mitte
2015 haben die vier Kantone zu keiner einzigen Frage mehr eine gemeinsame
Mitteilung verfasst.
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