4. Dezember 2016

Umstrittene Lohnnachzahlung

Ende Jahr erhalten alle Volksschullehrkräfte, die schon Ende Juli 2011 im Monatslohn angestellt waren, einen halben Monatslohn ausbezahlt. Schön für sie. Weniger schön für die Gemeinden, die 80 Prozent davon zahlen müssen. Paradoxerweise handelt es sich bei der überstürzt verfügten Massnahme um eine Art präventive Sparübung der Zürcher Regierung – eine Sparmassnahme, über die sich die Gemeinden allerdings ziemlich aufregen, obwohl auch sie dadurch längerfristig Kosten sparen.
Kurzfristige Massnahme stösst bei den Gemeinden auf Widerstand, Bild: C. Ruckstuhl
Vom Kanton überrumpelte Gemeinden, NZZ, 3.12. von Walter Bernet


Aufs Mal statt gestaffelt
Doch der Reihe nach: Im Februar 2011 überarbeitete die Regierung die Lehrpersonalverordnung gründlich. Unter anderem wurde der personalrechtliche Schuljahresbeginn vom 15. August auf den 1. August vorverlegt, weil ein neues System für die Personaladministration eingeführt wurde. Dadurch dauerte das Schuljahr 2010/2011 besoldungstechnisch nur 11,5 Monate. Alle damals beschäftigten Volksschullehrerinnen und -lehrer hatten deshalb einen BVK-berechtigten halben Monatslohn zugut. Ausbezahlt werden sollte er nach dem Willen des Regierungsrats jeweils bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also gestreut auf bis zu 40 Jahre.

So wurde das bisher auch gehandhabt. Berechnet wurde er aufgrund des beim Austritt bezogenen Lohns und des Beschäftigungsgrads Ende Juli 2011. Stein des Anstosses ist nun, dass die Regierung diese Bestimmung Ende Oktober äusserst kurzfristig geändert hat. Alle ausstehenden Nachzahlungen sollen jetzt auf einen Schlag Ende 2016 ausbezahlt werden. Mit dem Beschluss will die Regierung sich abzeichnende Mehrausgaben verhindern. Sie ergeben sich einerseits aus den ab nächstem Jahr höheren BVK-Beiträgen mit erwarteten Mehrkosten von 0,3 Millionen Franken, anderseits aus dem ab Sommer 2017 geltenden neuen Berufsauftrag der Lehrpersonen: Kindergärtnerinnen werden dann zwar lohnmässig etwas höher eingestuft, aber gleichzeitig wird ein Pensum, das 2011 100 Prozent ausmachte, nur noch mit 88 Prozent angerechnet. Die Kombination von beidem würde die Lohnnachzahlung um 15 Prozent verteuern – Mehrkosten: 0,4 Millionen Franken. Mit den vorgezogenen Nachzahlungen können Gemeinden und Kanton also sparen. Es bestünden dafür noch ausreichende Rückstellungen von Kanton und Gemeinden von hochgerechnet 21,3 Millionen Franken, schreibt die Regierung. 4,3 Millionen davon sind beim Kanton für die Nachzahlungen reserviert. Damit seien die 20 Prozent, die der Kanton an die Löhne zahlen müsse, gedeckt; die laufende Rechnung werde nicht tangiert.

Das mag für den Kanton gelten. Aus kommunaler Sicht sieht es anders aus. Das jedenfalls stellte der verärgerte Winterthurer Stadtrat und Schulvorsteher Stefan Fritschi (fdp.) diese Woche im «Landboten» fest. 1,5 Millionen Franken werde das Volksschulamt der Stadt für die Lohnnachzahlungen verrechnen, bestätigte Fritschi auf Anfrage. Winterthur habe 2011 keine Rückstellungen gemacht, da dies im Regierungsbeschluss auch nicht verlangt worden sei. Die Auszahlungen sollten sich ja – entgegen dem damaligen Winterthurer Wunsch – auf viele Jahre verteilen. Fritschis Kritik richtet sich in erster Linie gegen die ungenügende Form der Kommunikation einer nicht budgetierten Belastung in Millionenhöhe. Man habe aus dem Amtsblatt vom 4. November von der Belastung der Nachzahlung per Ende Jahr erfahren. Zudem moniert er, dass der Gemeindeanteil von 80 Prozent nicht dem Gemeindeanteil von 2011 – 54 Prozent – entspreche. So wie Winterthur gehe es wohl auch andern Gemeinden, sagt Jörg Kündig, Gemeindepräsident von Gossau, FDP-Kantonsrat und Präsident des Gemeindepräsidentenverbandes. Auch er kritisiert in erster Linie das wenig durchdachte Vorgehen.

Enger Fahrplan
Die Chefin des kantonalen Volksschulamts, Marion Völger, räumt ein, dass die Frist sehr knapp war. Man habe die Entwicklung im Zusammenhang mit dem neuen Berufsauftrag erst im Sommer realisiert. Die Massnahme noch rechtzeitig vom Regierungsrat beschliessen zu lassen, sei ein ambitioniertes Vorhaben gewesen. Vor den Herbstferien habe man den Vorstand des Verbandes Zürcher Schulpräsidien (VZS) vorinformiert, aber die eigentliche Information sei erst nach dem Regierungsbeschluss möglich und an der VZS-Mitgliederversammlung vom 17. November geplant gewesen. Die Publikation im Amtsblatt habe man nicht steuern können. Generell seien Kanton und Gemeinden in dieser Sache im gleichen Boot. Alle müssten sparen. Dass man wie schon bisher den Verteilschlüssel zwischen Kanton und Gemeinden von 20 zu 80 Prozent anwende, ergebe sich aus der Bestimmung im Regierungsbeschluss vom Februar 2011, wonach die Lohnzahlung am Ende der Anstellung fällig werde.

Vera Lang, Präsidentin des VZS und Kreisschulpflegepräsidentin Glatttal in Zürich, bestätigt die Vorinformation. Man habe damals deutlich gemacht, dass man inhaltlich nicht Stellung nehme, weil die Änderungen in der Kompetenz der Regierung lägen. Der inhaltliche Akt sei das eine, der späte Zeitpunkt der Kommunikation etwas anderes. Letztere kritisiert auch sie.


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