13. Januar 2017

FDP-Kantonsrat lanciert die Idee der gemischten Fremdsprachen

Manchmal ist man unsicher: Ist es ein Jux, ein PR-Gag oder wirklich ernst gemeint. Ein Luzerner Kantonsrat will das Dilemma um die Frühfremdsprachen lösen, indem er einen gemixten Fremdsprachenunterricht vorschlägt. Da die Schüler ja ohnehin nichts lernten, könne man Französisch und Englisch vermischen und so einen spielerischen ersten Kontakt zu den Fremdsprachen schaffen. Ob dazu zwei Lehrkräfte - je eine für Französisch und Englisch - im Zimmer stehen, sei prüfenswert. Wichtig aber: lustbetontes Lernen! Genau dies steht seit der Einführung der Primarfremdsprachen als Prämisse (oder als Fluch) über jeder Lektion. Die Debatte um die Fremdsprachenpolitik lässt vergessen, wozu Kinder überhaupt zur Schule gehen. Doch nicht etwa, um etwas zu lernen! Die diversen Jobs der Erwachsenen sind wichtiger. (uk) 
Gaudenz Zemp möchte Französisch und Englisch künftig "mixen", Bild: Bildmontage lwo
"Es geht darum, auch unkonventionell zu denken", Zentral plus, 12.1. von Pascal Zeder


Englisch und Französisch als Primarschulfächer abschaffen und neu zusammengefasst als «Fremdsprachen» unterrichten: Dieser unkonventionelle Vorschlag macht FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp. Eine Schnapsidee? Nicht unbedingt, sagen Lehrerverband und Hochschule.

Eine neue Idee soll die Diskussion um die Fremdsprachen auf der Primarstufe aufmischen: Gaudenz Zemp, Kantonsrat der FDP, lanciert eine Anfrage, in der er von der Regierung wissen möchte, ob man die Fächer Englisch und Französisch nicht zusammen unterrichten könnte, im Rahmen von gemixtem Fremdsprachenunterricht (Mixed-Language Teaching). Dies würde die Aufteilung in zwei Fächer aufheben und es entstünde das neue Fach «Fremdsprachen».

Zemp schreibt in seiner Anfrage: «Der Entscheid, welche Sprache (Französisch oder Englisch) zu bevorzugen ist, lässt sich offensichtlich sehr schwer fällen.» Er konstatiert: «Man steckt da in einem eigentlichen Dilemma.» Da es auf Primarstufe weniger um Grammatik geht, soll der «Erwerb spielerisch gefördert werden». So könnten «beide Sprachen gemixt in einem einzigen Fach» unterrichtet werden.
Kennenlernen der Sprachen von Mitschülern
Zemp präzisiert auf Anfrage: «Es geht darum, auch unkonventionell zu denken.» Mit dem heutigen System würden die Vorgaben nicht erreicht, sagt Zemp. «Nur ein Drittel der Schüler erreicht die Ziele im Französisch. Irgendetwas muss sich ändern.» Zemp will dabei den Fokus mehr auf lustbetontes Lernen setzen. Dabei sollen auch die interkulturellen Kompetenzen der Schüler gefördert werden – denn diese würden auch in der Wirtschaft immer gefragter, so der Direktor des Gewerbeverbands.

Wie aber sieht das konkret aus? Stehen Französisch- und Englischlehrperson gleichzeitig im Schulzimmer? Grundsätzlich sei er auch gegenüber Team-Teaching nicht abgeneigt, man müsse diese Möglichkeiten prüfen. Aber man müsse auch ausserhalb der jetzigen Formen denken: «Man könnte auch eine Sprache von Mitschülerinnen und Mitschülern thematisieren – eine Woche eine fremde Kultur genauer beleuchten wäre eine wertvolle Erfahrung.»
Der Lehrerverband sieht offene Fragen
Annamarie Bürkli, Präsidentin des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands (LLV), sieht ebenfalls Handlungsbedarf: «Die Anforderung an die Primarschüler sind momentan schon sehr hoch. Die Schüler werden aufgrund ihrer Noten nach der sechsten Primarklasse in Sekundarschulniveaus aufgeteilt. Das führt zu noch grösserem Leistungsdruck.»

Zemps Vorstoss sehe man grundsätzlich positiv, die Forderungen erinnern an die Grundidee des Französischunterrichts: «Man wollte damals auch die französische Kultur spielerisch näherbringen. Doch dann wurden die Forderungen nach mehr Leistung und Sprachfähigkeit immer lauter und für diese Aspekte fehlte die Zeit.»

«Wir beim LLV fragen uns, inwiefern können die Schülerinnen und Schüler entlastet werden», sagt Bürkli. Deshalb sei der Ansatz interessant, der Teufel stecke aber im Detail: Konsequenterweise müsste man dann keinen Sprachunterricht im üblichen Sinne mehr machen. Ein solches Fach ginge mehr in die Richtung von «Natur, Mensch, Gesellschaft» (NMG). Dadurch wäre aber die Leistung nicht mehr oberstes Ziel, sondern eine erste Begegnung mit Fremdsprachen.

Wäre dies nicht der Fall und würde man zusätzlich zu Sprachvergleichen und interkulturellen Aspekten noch Sprachfähigkeiten fordern, so wäre dies keine Entlastung für die Schülerinnen und Schüler. Dabei wären konkrete Sprachfächer erst ab Sekundarstufe für Bürkli kaum problematisch: «Forschungen haben gezeigt, dass Kinder ohne fachspezifischen Sprachunterricht die Defizite in der Sekundarschule oder dem Gymnasium innerhalb kürzester Zeit wieder aufholen.»
Hochschule setzt schon heute auf Verbindung der Fremdsprachen
Das Modell, das Zemp vorschlägt, sei nicht neu, sagt Michael Eisner, Fachleiter Französisch an der PH Luzern: «Man kennt solche Ansätze im In- und Ausland unter dem Begriff ‹Éveil aux langues›, ‹language awareness› oder ‹Sprachbetrachtung› seit Längerem.» Man arbeite dort viel mit Sprachvergleichen, man suche Parallelen und man beziehe die Herkunftssprache mit ein. «Das Ganze passiert sehr spielerisch, also im Grunde entspricht das Gaudenz Zemps Anfrage.»

«Eine Fremdsprache auf der Primarstufe» - Initiative wird debattiert
Die Debatte, wie viele Fremdsprachen auf der Primarstufe gelernt werden sollen, ist momentan im politischen Gespräch: Die Volksinitiative «eine Fremdsprache auf der Primarstufe» fordert das Gesetz so anzupassen, dass im Kanton Luzern auf Primarstufe bloss noch eine Fremdsprache unterrichtet wird. Dabei soll nicht festgelegt werden, ob dies Französisch oder Englisch sein wird. Unterstützt wird die Initiative unter anderem vom LLV und ein überparteiliches Komitee aus Politikern von links bis rechts. Die Initiative wird Ende Januar debattiert (hier der Artikel dazu).

Schwierigkeiten sieht Eisner beim Erlernen der einzelnen Sprachen: «Man müsste schon genau abklären, inwiefern sich eine Beschränkung auf ein Fach ‹Fremdsprachen› auf die späteren Sprachfähigkeiten der Lernenden auswirkt.» Denn bei Sprachvergleichen und spielerischer Näherbringung von Fremdsprachen würden die Primarschülerinnen und -schüler in der Regel Deutsch sprechen. «Man kann von einem Sprachanfänger nicht erwarten, dass er Sprachvergleiche in einer Fremdsprache durchführt», sagt Eisner. Dies könnte dann im späteren Sprachlernen vor allem für schulisch schwächere Kinder ein Nachteil sein, weil Sprachpraxis zu einem bestimmten Teil wegfällt.


Die Hochschule bewegt sich ohnehin bereits in die von Zemp geforderte Richtung. Laut Eisner ist Mehrsprachigkeitsdidaktik Teil der Ausbildung. In Zukunft soll das bei der Primarstufenausbildung verstärkt vorgelebt werden. Dabei soll ab Herbst 2017 ein Modul extra für Primarstufenstudierende angeboten werden, welche sowohl Englisch wie Französisch belegen. Dieses Modul werde von der PH im Team-Teaching geführt. Damit sollen Verbindungen zwischen den beiden Sprachen vorgelebt und die Studierenden motiviert werden, solche Sprachvergleiche auch auf die Primarstufe herunterzubrechen.

1 Kommentar:

  1. Diese Ideologie ist bereits in die LP21-Lehrmittel eingedrungen. Ein gutes Beispiel ist das Französischlehrmittel: "Mille feuilles": Das tönt dann so: "Durch Bewusstheit für andere Sprachen und Kulturen den Blick auf die eigene Sprache und aufs Französische schärfen". Sogenannte "Parallelwörter" "entschlusseln": "Du untersuchst, wie man in verschiedenen Sprachen eine Aussage verneint."

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