17. Februar 2017

Bande zwischen Volksschule und Öffentlichkeit gelockert

Kürzlich berichteten Forschungsbeauftragte der Pädagogischen Hochschule Bern und dem Zentrum für Demokratie in Aarau über die grossen Umwälzungen durch die radikalen Schulreformen auf lokaler Ebene und ihre grundlegenden Auswirkungen auf die demokratische Verankerung der Volksschule (Limmattaler Zeitung vom 11.2.2017: Bedrängte lokale Schulbehörden). Sie weisen darauf hin, dass in der öffentlichen Diskussion die Ebene der Gemeinden und Schulen vergessen wird, auf der HarmoS, Lehrplan 21, Pisa-Studie und andere Reformen umgesetzt und Schulqualität täglich geschaffen werden muss.
Demokratische Verankerung der Volksschule vor ihrer Auflösung, 17.2. von Peter Aebersold

Den Anstoss für die demokratisch bedenklichen Veränderungen sehen sie in der Einführung professioneller Schulleitungen in praktisch allen Kantonen, womit neben der direktdemokratisch gewählten Miliz-Schulbehörde (Schulpflege, Schulkommission), die in ehrenamtlicher Arbeit die Schule bisher führte und beaufsichtigte, eine zweite Instanz installiert wurde. Dabei wurden der Schulbehörde die operative Führung und viele Kompetenzen weggenommen und auf die von der Exekutive eingesetzten und gesteuerten Schulleitungen übertragen.

Die Einführung von Schulleitern und der Abbau der Miliz-Schulpflegen erfolgte offensichtlich im Hinblick auf die radikalen Reformen, wie dem Lehrplan 21 und Vorgaben der Wirtschaftsorganisation OECD wie die „Kompetenzorientierung“ nach Weinert. Die Schulleiter müssen mit Hilfe der Mitarbeitergespräche künftig darüber wachen, dass die Lehrer als „Lernbegleiter“ nicht mehr unterrichten, sondern nur noch „begleiten“ und die „Lernumgebung“ für das „selbstgesteuerte Lernen“ bereitstellen. Die Lehrer haben statt mit persönlicher Beziehungen (vor allem mit den Eltern und untereinander) immer mehr mit einer privatwirtschaftlichen Befehlsstruktur (Sitzungen, Mitarbeiterbeurteilung, Evaluation und sogenannte Qualitätssicherung) zu funktionieren.

Inzwischen zeigt sich, dass die Einführung der Schulleiter ein erster Schritt war, um die traditionelle, eigenständige Milizbehörde und steuerberechtigte Schulgemeinden abzuschaffen. In vielen Gemeinden wurde sie in ein nur noch beratendes Organ der Gemeindeexekutive oder das Schulpräsidium als Schulvorstand in die politische Exekutive integriert umgewandelt. Das milizförmig aufgebaute Gemeindewesen ist neben der Schule auch in anderen Bereichen (Gesundheitswesen, Wasser, Strom, service public usw.) den politischen Veränderungen durch die neoliberale Globalisierung (Öffnung von neuen globalen Märkten durch Privatisierung) verbunden mit Demokratieabbau (als sogenannte Handelshemmnisse) ausgesetzt.

Unter dem Vorwand, dass immer weniger Bürger ein Ehrenamt für die Gemeinde übernehmen würden, versucht die politische Gemeindeexekutive operative Aufgaben an sogenannte professionelle Gemeindeverwaltungen oder private Firmen auszulagern, wobei immer „Kostenneutralität“ vorgegaukelt wird. Was manche als schleichende Professionalisierung und Verrat am Milizprinzip kritisieren, bezeichnen andere als einen unumgänglichen Schritt, um zumindest das „Herzstück des Milizsystems“ am Leben zu erhalten können.

Durch den Abbau der Milizbehörden wird engagierten Bürgern als Volks- und Elternvertreter die Möglichkeit genommen, verbindlich auf die Schule Einfluss zu nehmen. Sie können nicht mehr bei Schulzuteilungen, Umteilungen und Übertrittsentscheiden, über die Verfügung disziplinierender Massnahmen, die Anstellung des Schulpersonals oder die Formulierung des Schulprogramms mitbestimmen. Beratende Kommissionen oder Elternräte haben keine verbindlichen Mitwirkungsmöglichkeiten in diesen Bereichen.

Mit der Abschaffung der kollegialen Schulbehörde geht auch die parteipolitische Abstützung verloren, weil die politische Verantwortung für das Schulwesen in einer einzigen Person, dem Schulvorstand in der Gemeindeexekutive, gebündelt ist. Die Legitimierung der Schule in der Öffentlichkeit ist immer weniger gewährleistet. Wenn einer der grössten Ausgabenposten vom Volk nicht mehr beeinflusst werden kann, wenn Steuergelder nicht mehr bei den Schülern und Lehrern ankommen, wenn Bildung abgebaut und die Pisa-Resultate immer schlechter werden, wenn das nötige Vertrauen für den Schulbetrieb in der breiten Bevölkerung nicht mehr sicher gestellt ist, dürften es Investitionen in die Schule immer schwerer haben, vom Stimmbürger abgesegnet zu werden.


Um einen Teil der verloren gegangenen Verankerung im Volk zurückzugewinnen, ist im Kanton Zürich die Initiative «Lehrplan vors Volk» lanciert worden. Der Erlass des Lehrplanes soll von der Verordnungsebene (Bildungsrat, Exekutive) auf die parlamentarische Ebene (Legislative) verschoben werden. Der Kantonsrat soll über den Lehrplan beraten und entscheiden und das Volk hätte mittels Referendum das letzte Wort.

1 Kommentar:

  1. Die Volksschule "gehört" dem Volk. Diese sollte nicht ohne Not geändert werden. Wenn man sich die politischen und juristischen Fallstricke vergegenwärtigt, die in der Sprachen- und Lehrplanfrage ausgelegt wurden, dann wird schnell klar, wie sich die Machtverhältnisse verschoben haben. Haben die Schulkinder davon profitiert?

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