4. März 2017

Kein Einheitsmodell für Zürcher Tagesschulen

Der Kanton Zürich will die Tagesschulen fördern – und gibt ihnen erstmals eine Gesetzesgrundlage.
Betreuung und Unterricht aus einer Hand, NZZ, 4.3. von Walter Bernet


 Es ist keineswegs so, dass es im Kanton ausserhalb der Hauptstadt noch keine Tagesschulen gäbe. Aber sie sind noch dünn gesät, sehr dünn angesichts der Tatsache, dass nicht wenige in ihr das Schulmodell der Zukunft sehen, weil es einen wesentlichen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie leisten kann. Zu ihnen gehört auch der Zürcher Regierungsrat, der die Förderung der Einführung von Tagesschulen zum Legislaturziel erklärt hat. Die Sache hat bis heute allerdings einen Haken: Im Volksschulgesetz kommt die Tagesschule gar nicht vor. Bildungsdirektorin Silvia Steiner hat diesen Makel jetzt behoben. Der Regierungsrat hat die von ihr beantragten Änderungen des Volksschulgesetzes genehmigt. Vorausgegangen war ein Vernehmlassungsverfahren, in welchem das Grundanliegen auf viel Zustimmung gestossen war. Das nächste Wort hat der Kantonsrat.

Schlankes Gesetz
Am Freitag hat Silvia Steiner das neue Gesetz den Medien präsentiert. Man reagiere damit auf eine gesellschaftliche Entwicklung, die in den letzten zehn Jahren zur Verdoppelung der Betreuungsplätze im Kanton auf 30 000 geführt habe. Tagesschulen anzubieten, habe sowohl aus volkswirtschaftlichen wie aus pädagogischen Gründen Sinn, sagte Steiner. Im Volksschulgesetz werden jetzt die Rahmenbedingungen festgelegt, innerhalb deren die Gemeinden ihre Tagesschulen aufbauen und betreiben können. Und: Erstmals werden im Gesetz Begriffe wie Tagesschule und Tagesstrukturen definiert.

Leitender Gedanke war es, den Gemeinden möglichst viel Handlungsspielraum einzuräumen. Vorausgegangen war die Stadt Zürich, die im Rahmen eines Pilotprojektes seit Sommer ihr Modell mit verkürzten Mittagszeiten testet. Es erhält jetzt eine gesetzliche Grundlage. Ein Weinländer Dorf oder eine rasch wachsende Agglomerationsgemeinde muss die Möglichkeit haben, ihr eigenes Modell zu entwickeln. Das für alle Formen geltende Kriterium ist die Verbindung von Unterricht und Betreuung. An einigen Grundprinzipien wird nicht gerüttelt. So bleiben Tagesschulen ein freiwilliges Angebot. Es soll vermieden werden, dass mit der Schulform die Familien- und Lebensmodelle vorgegeben werden. Die Schulen können zwar gewisse Betreuungsangebote für obligatorisch erklären, zum Beispiel die Mittagsbetreuung an Tagen mit Unterricht am Nachmittag. Eltern haben aber das Recht, ihre Kinder abzumelden, wenn keine Schule ohne diese Verpflichtung angeboten wird.
Euphorisch sei sie gestimmt, sagte Steiner, und zwar nicht nur, weil sie von der Tagesschule überzeugt sei. Es sei das erste Gesetzesvorhaben aus ihrer Direktion, das ganz in ihrer Amtszeit entstanden sei. Es überzeuge dank seiner Schlichtheit und seiner Schlankheit; es beschränke sich auf wenige Eingriffe ins bestehende Volksschulgesetz.

Auf Vorbilder bauen
Fünf Gründe nannte Steiner für die Einführung von Tagesschulen. Erstens führe die Vernetzung von Betreuung und Unterricht zu besseren Schulleistungen. Zweitens führe der Verzicht auf den Wechsel zwischen Hort und Schule zu mehr Ruhe im Alltag der Kinder. Drittens profitierten alle Kinder, besonders aber solche aus benachteiligten Familien, von der Betreuung bei den Hausaufgaben. Diese sind fertig, wenn die Kinder nach Hause gehen. Viertens böten sich mehr Gelegenheiten, aus dem Alltag zu lernen, zum Beispiel Tischsitten. Und schliesslich profitierten die Gemeinden von neuen Möglichkeiten, ohne dass etwas erzwungen werde.

Marion Völger, Chefin des Volksschulamts, stellte eine Reihe von Instrumenten vor, die den Schulen als Hilfsmittel bei der Umsetzung eigener Projekte zur Verfügung stehen. Dazu gehört ein Leitfaden, welcher Orientierung bei der Planung und Führung einer Tagesschule gibt. Ausserdem findet sich auf der Website des Amts ein Berechnungstool für den Personalbedarf, die Betreuungskosten usw. Und schliesslich ist ein Netz von Kontaktschulen, das bisher aus fünf Schulen besteht, im Aufbau. Eine von ihnen, die Tagesschule Bubental in Wallisellen, die seit letztem Sommer stufenweise in der bestehenden Infrastruktur aufgebaut wird, präsentierte ihre Lösung. Dank dem seit Jahren eingespielten Team, das ganz hinter dem Versuch steht, scheint das Projekt besser gestartet zu sein, als man erwarten konnte.


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