21. Mai 2017

Formfehler bei Handschlag-Affäre

Solche Urteile sind schwer verständlich: Zwei Schüler aus dem Dunstkreis muslimischer Sektierer verweigern einer Lehrerin frech und systematisch den Handschlag. Die Schule und die Behörden, die den pseudoreligiös begründeten Krawall im Klassenzimmer beenden wollen, brummen einem der Bengel eine Portion gemeinnützige Arbeit und einige Stunden Schulsozialarbeit auf. Doch auf dem Rechtsweg gibt es kein Durchkommen: Am Ende entgeht der Schüler nicht nur den Disziplinarmassnahmen, sondern er schafft es dank den Rechtsmitteln möglicherweise sogar, den rechtskräftigen Entscheid hinauszuzögern – und so der Lehrerin bis zum Ende der Schulzeit seine Verachtung zu zeigen. Zum Dank gibt's von der Beschwerdeinstanz 2000 Franken Parteientschädigung auf die Hand.
Peinlich - aber korrekt, NZZ, 20.5. Kommentar von Daniel Gerny


Ein Schildbürgerstreich aus dem multikultigeschädigten Basel? Mitnichten. Gefällt hat den Entscheid die durch und durch bürgerliche Baselbieter Regierung in ihrer Eigenschaft als Beschwerdeinstanz. Das Gremium ist für alles andere als für sozialromantische Fröhlichkeit bekannt. Wer den dreizehnseitigen Entscheid in seiner vollen Länge liest und sich nicht auf einige – auf den ersten Blick irritierende – Teilstücke beschränkt, erkennt: In der Sache selbst erhält die Schule auf ganzer Linie recht. Der Entscheid lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es gibt keinen Grund für Empörung.

Wenn Lehrpersonen das in der Schweiz übliche Verhalten einforderten, entspreche dies nicht nur den verbindlichen Regeln, an die sich die Schüler zu halten hätten, stellt die Regierung glasklar fest. Die Einforderung des Händedrucks – «eine in der hiesigen Gesellschaft übliche Geste» – geschehe im Rahmen der Ausbildung der sozialen Kompetenzen und sei somit Gegenstand des Lehrplans. Die Integrationsfunktion der Schule sowie die Gleichstellung der Geschlechter begründeten das öffentliche Interesse. Und schon die überaus sensible Reaktion der Bevölkerung auf die Affäre zeige, dass der Eingriff, gemessen an seiner Schwere, verhältnismässig sei. Deshalb sei das schulische Handschlag-Obligatorium gerechtfertigt.

Doch auch wenn der materiellrechtliche Befund eindeutig ist: Es ist richtig, dass für die Betroffenen keine disziplinarischen Folgen und Anwaltskosten entstehen, wenn Formfehler vorliegen. Das trifft hier zu, weil die Schule keinen konkreten Vorfall beanstandete. Dies erscheint ärgerlich, doch es ist der Preis für rechtsstaatliche Sauberkeit: Obrigkeitliches Handeln soll nur Wirkung entfalten, wenn es regelkonform erfolgt. Auch notorische Falschparkierer können nur für konkrete Übertretungen und nicht für ihr allgemeines Faible bestraft werden.

Die Mängel sind deshalb nicht im Beschwerdeentscheid zu suchen. Das eigentliche Unvermögen ist der Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind (fdp.) zuzuschreiben, die jede Entschlossenheit vermissen liess, als der Fall vor einem Jahr ins Rollen kam. Von Anfang an handhabten sie und ihr Departement die Handschlag-Affäre ungeschickt und berieten die betroffene Schule schlecht. Solche Fehler lassen sich nachträglich schlecht ausbügeln. Weil die Diskussion über allgemeinverbindliche Regeln an Schweizer Schulen inzwischen intensiv geführt wird, hält sich der Schaden zwar in Grenzen. Doch die Peinlichkeit bleibt.


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