7. Juli 2017

Mehrheitsfähiger Kompromiss

Mit dem Gegenvorschlag zur Lehrplan-Initiative des Komitees Starke Schule Baselland (BaZ von gestern) hat die Regierung einen Kompromiss verabschiedet, mit dem sie in der Volksabstimmung bestehen kann. Die Vielzahl an Urnengängen in den Kantonen zeigt auf, dass es die Stimmberechtigten begrüssen, wenn die Lehrpläne der Kantone aufeinander abgestimmt werden. Dieses Koordinationsinstrument ist der Lehrplan 21, ein von 21 Kantonen verabschiedeter Katalog von Kompetenzbeschreibungen. Bildungsdirektorin Monica Gschwind hat erkannt, dass sich der Lehrplan 21 in der politischen Realität durchsetzt. Die Baselbieter Regierung schlägt deshalb mit dem Gegenvorschlag zur Lehrplan-Initiative vor, den Lehrplan 21 zu übernehmen und für das Baselbiet praktisch tauglich auszugestalten.
Ein mehrheitsfähiger Kompromiss, Basler Zeitung, 7.7. von Thomas Dähler


Die Reformgegner müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Stimmberechtigten bisher überall in der Schweiz geweigert haben, sich generell gegen Neuerungen in der Schule auszusprechen. Nirgends in der Schweiz sind die Schulen qualitativ derart top, dass sie überhaupt keine Reformen vertragen. Kritik an der Vielzahl an Reformen führt nur zu einem Resultat, wenn sie sich spezifisch gegen ein Vorhaben richtet. Erfolgreich war im Baselbiet bisher nur die Initiative, mit welcher sich die Reformkritiker konkret gegen die Abschaffung der traditionellen Fächer Physik, Chemie, Biologie, Geografie und Geschichte wehrten.

Brauchbar im Schulalltag
Der Gegenvorschlag der Regierung zur Lehrplan-Initiative trägt dem Rechnung. Er kombiniert die heutigen Lehrpläne mit den Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans 21. «Die Stufenlehrpläne enthalten Stoffinhalte, Themen und Kompetenzbeschreibungen», steht im vorgeschlagenen neuen Bildungsgesetz-Paragrafen, ergänzt durch den Beisatz «nach Jahreszielen und Anforderungsniveaus differenziert». Dies soll den Baselbieter Lehrplan zu einem brauchbaren Instrument im Schulalltag machen, auch wenn dies nicht im Sinne der Erfinder des Lehrplans 21 ist.

Dazu muss man wissen, dass der Lehrplan 21 ursprünglich den Umbau des traditionellen humanistischen Bildungssystems anvisiert hat. Angestossen hat diese utilitaristische Instrumentalisierung der Ausbildung einst der frühere Zürcher Erziehungsdirektor Ernst Buschor, als er in den 90er-Jahren in seinem Kanton der Schulverwaltung das New Public Management aufdrückte und die Schulen zu Corporate Identities erklärte – mit Lehrkräften als Anbieter von Dienstleistungen, mit Eltern und Schülern als Kunden: eine Schule, die wie die Wirtschaft Angebot und Nachfrage zur Maxime erhebt. Im Zentrum des Lehrplans 21 stehen deshalb Kompetenzen und selbstgesteuertes Lernen. Der Fokus liegt auf den Tests und nicht auf dem Schulstoff. Genau dies könnte im Baselbiet mit dem Gegenvorschlag zur Lehrplan-Initiative anders werden.

Der Lehrplan 21 formuliert die zu erreichenden Kompetenzen uneinheitlich – mal als praktische Fertigkeit (zum Beispiel «Prozentrechnungen ausführen können»), mal als blosses intellektuelles Vermögen (zum Beispiel «historische Phänomene einordnen»). Dies korrigiert die vorgesehene konkrete Stoffliste. Der Lehrplan 21 formuliert Kompetenzen, die nach jeweils drei oder vier Jahren erreicht sein müssen. Dies wird mit dem geplanten konkreten Zeitplan für jedes Schuljahr aufgefangen werden, sodass in Zukunft nicht schon das Zügeln von Allschwil nach Laufen zum Problem wird. Der Lehrplan 21 fokussiert auf Ideologien und will den Schüler zu einem ethisch korrekt denkenden Menschen erziehen. Dem setzt die Regierung in ihrer Vorlage die Anforderungen der beruflichen Grundbildung entgegen, die zu erfüllen sind, damit die Schüler nach Schulabschluss eine Lehre antreten oder in eine Mittelschule wechseln können. Kurz: Wissen und Schulstoff sollen die Kompetenzbeschreibungen auf dem Boden der Realität verankern.

Auch die Initianten lenken ein
Der Umstand, dass der regierungsrätliche Gegenvorschlag eine Brücke zwischen dem heute gültigen praxisnahen Lehrplan und dem neuen Deutschschweizer Einheitslehrplan schlägt, macht ihn mehrheitsfähig. Konsequenterweise lehnt denn auch die Regierung die Lehrplan-Initiative des Komitees Starke Schule Baselland ab. Die Initiative geht zu weit. Sie verlangt, dass die Stufenlehrpläne «ausschliesslich Stoffinhalte und Themen» enthalten. Kompetenzbeschreibungen würden lediglich in einem Anhang aufgenommen, als «Hilfestellung» für die Lehrer.


Sogar die Initianten begrüssen heute den Gegenvorschlag.

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