Kinder
hüpfen mit nummerierten Zetteln in der Hand in einem mit Kreide aufgemalten
Parcours von Feld zu Feld. Was anmutet wie eine Partie Himmel und Hölle, ist
womöglich der Informatik-Unterricht der Zukunft. Fachleute plädieren dafür,
spielerisch mehr Grundlagenwissen statt Anwendung zu vermitteln.
Wie Informatik Schule macht, sda, 10.8.
Der
Lehrplan 21 bringt neben einheitlichen Lerninhalten für Deutschschweizer
Volksschulen auch das neue Fach "Medien und Informatik" verbindlich
in die Schulstuben. Und in Zeiten des Fachkräftemangels drängen Organisationen
aus Wirtschaft und Bildung darauf, die Schulkinder früh auf einen von Informationstechnologie
geprägten Alltag vorzubereiten.
Unter dem
Motto "Informatik macht Schule" fordert eine Gruppierung, dass die
Informatik auf allen Stufen verankert und ausreichend mit Lektionen dotiert
wird. "Für uns ist es wichtig, dass das Schulfach eine kreative Tätigkeit
ermöglicht", sagt Patrick Burkhalter, Verwaltungsratspräsident der
Softwarefirma Ergon Informatik, der eine treibende Kraft hinter dem Aufruf war.
Es soll
in der Schule nicht in erster Linie darum gehen, den Computer bedienen zu
lernen. Die Kinder sollen vielmehr Grundlagen der Informatik verstehen und
analytisches Denken üben. Dies sei heute in den meisten Berufen unentbehrlich.
Tüfteln und entwickeln
Juraj
Hromkovič, Professor für Informationstechnologie und Ausbildung an der ETH
Zürich, will, dass Kinder im Informatik-Unterricht tüfteln und selbst etwas
entwickeln können. "Da ist die Schule heute zu passiv", sagt der
Forscher, der sich seit Jahren für die Vermittlung von Informatikkompetenz im
Kindesalter einsetzt.
Aber
solcher Unterricht ist anspruchsvoll und braucht genügend Zeit. Der Lehrplan 21
gibt keine Lektionenzahl vor, die Kantone sind in der Gestaltung ihrer
Stundentafeln frei. Oft sehen sie erst ab der Sekundarstufe eigene Gefässe vor.
Jüngeren Kindern sollen die Kompetenzen in anderen Fächern vermittelt werden.
Im Kanton
Basel-Stadt, der den Lehrplan 21 bereits 2015 einführte, gehen die Schulen die
Umsetzung des Informatik-Unterrichts in der sechsjährigen Übergangsfrist
"unterschiedlich und erprobend" an, wie das Erziehungsdepartement auf
Anfrage mitteilt. Ein Hemmnis sei zum Teil die aktuelle IT-Infrastruktur.
Burkhalter
und seine Mitstreiter sähen es gerne, wenn Kinder bereits ab der Primarstufe
ein bis zwei Lektionen pro Woche in "Medien und Informatik"
unterrichtet würden. Hromkovič schlägt vor, mit wenigen Stunden anzufangen und
auszubauen, sobald der Unterricht von hoher Qualität ist.
Begeisterte Kinder
"Auf
jeden Fall kann man kann nicht mehr vor der Informatik weglaufen", sagt
Hromkovič weiter. Die kantonalen Erziehungsdirektoren arbeiten darauf hin, dass
Informatik am Gymnasium zum Pflichtfach wird. Nicht zuletzt dadurch komme auch
in der Romandie, die nicht dem Lehrplan 21 folgt, einiges in Bewegung. So
engagiere sich die ETH Lausanne (EPFL) in der Vermittlung von Informatik in der
Schule.
Der
Mehrwert einer grundlegenden Informatikbildung liegt für Hromkovič indes nicht
nur im Fachwissen. Kinder lernen, konstruktiv etwas zu gestalten, haben dabei
auch Erfolgserlebnisse. "Dies ist eine Bereicherung für alle Fächer und
die Allgemeinbildung", ist der Forscher überzeugt.
Dass die
Kinder sich von solchem Unterricht begeistern lassen, hat der ETH-Professor
schon mehrfach erfahren. In über 100 Primarschulen hat er mit seinen
Assistenten Blockkurse geleitet. "Wir hatten jeweils Mühe, die Kinder in
die Pause oder nach Hause zu schicken, wenn sie ihre Projekte noch nicht
abgeschlossen hatten", so Hromkovič.
Geforderte Lehrkräfte
Der
Unterricht war auf die Schülerinnen und Schüler ausgelegt, diente aber
gleichzeitig den Lehrkräften als Fortbildung. Hromkovič hat Verständnis dafür,
dass nicht alle Lehrpersonen in Jubel ausbrechen, wenn sie sich nun im Rahmen
ihrer angestammten Fächer auch noch mit Informatik beschäftigen sollen. Seine
Kurse hätten viele Ängste in der Lehrerschaft abgebaut.
Für die
Lehrerbildung sind in der Schweiz die Pädagogischen Hochschulen zuständig, und
nicht alle sähen es gerne, wenn sich die ETH einmischt, so Hromkovič. Er bemängelt,
dass die Informatik an manchen PH zu kurz komme.
Der
Auftrag, Informatik an Lehrkräfte zu vermitteln, sei für die Pädagogischen
Hochschulen neu, sagt Rahel Tschopp, Weiterbildungsverantwortliche der PH
Zürich. Das Interesse an der ersten Lehrerweiterbildung für die Mittelstufe war
gross: Der Kurs im Umfang von 90 Arbeitsstunden, der ab August 530 Lehrpersonen
offensteht, war im Nu ausgebucht.
Die
Lehrerbildung ist dennoch eine der grossen Herausforderungen für die
Implementierung des Moduls "Medien und Informatik". Auch die
Plattform "Informatik macht Schule" warnt, mit einer
"Schnellbleiche" sei es nicht getan. Sie appellierte an die Kantone
und die pädagogischen Hochschulen, sie sollten zusammenarbeiten um gute
Unterrichtsmaterialien bereitzustellen.
Hromkovič
sagt dazu. "Es existiert bereits alles. Man muss es nur nehmen."
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