17. September 2017

Heilige Kuh Bildung

Traditionellerweise gibt es in der Schweizer Politik wohl keine Kuh, die so heilig ist wie die Bildung – vergleichbar sind fast nur Armee, Landwirtschaft und Verkehr. Es gehört darum auch ganz selbstverständlich zum Mantra von Bildungslobby und Bildungsindustrie (zu der auch ich gehöre), sich für Bildungsoffensiven sowie für Gratisbildung auszusprechen. Sich nicht politisch korrekt zu äussern, ist heikel. Ich mache es trotzdem.
Die allerheiligste Kuh in der Schweiz ist die Bildung, NZZaS, 17.9. von Peter V. Kunz


Wenn es um die Finanzierung des schweizerischen Bildungssystems geht, wird jeweils entspannt zum Staat geschaut, der als Hauptfinancier auftritt. Deshalb sind die Volksschulen unentgeltlich, ähnlich verhält es sich mit den meisten Mittelschulen, und bei den Hochschulen entsprechen die Studiengebühren pro Tag etwa dem Preis eines halben Päckchens Zigaretten. Diese Tatsachen werden zu wenig geschätzt von Schülern, Studierenden, Eltern, Lehrern und Professoren. In der Schweiz leben wir in einem Bildungsparadies!

Dies wird nicht ewig so weitergehen. Dass weder staatliche Ressourcen noch der Goodwill der Bevölkerung unbeschränkt sind, auch im Bildungsbereich, sollte lieber früher als später erkannt werden. Es geht heute nicht mehr nur darum, dass die Bildungskosten weniger wachsen, sondern dass sie sogar gesenkt werden könnten. Der Bundesrat plant – unter dem Aufschrei von Medien und Bildungspolitikern – eine eigentliche Kürzung bei den Bildungsausgaben, was nicht allein die ETH, sondern ebenso kantonale Hochschulen treffen wird.

Aber würde ein solcher Paradigmenwechsel wirklich das Ende der Schweiz und ihres angeblich einzigen Rohstoffes bedeuten? Verlieren wir unseren zentralen Standortvorteil, wenn der Staat seine Ausgaben im Bildungsbereich ebenfalls kritisch hinterfragt? Ich persönlich denke: Nein. Allfällige Kürzungen von Staatsausgaben führen nicht zwangsläufig zu einer Bildungsdefensive. Sozusagen als Gegenmassnahmen sollten wir zwei liberale Grundprinzipien zur Finanzierung im Bildungsbereich vermehrt zur Anwendung bringen: das Verursacherprinzip sowie das Wettbewerbsprinzip.

Das Verursacherprinzip: Die Leistungsempfänger des Bildungsangebots müssen verstärkt zur Leistungsfinanzierung herangezogen werden, damit die Eigenverantwortlichkeit auch in diesem Bereich stärker betont wird. Es bedarf dazu keiner amerikanischen Verhältnisse. Aber nur schon angemessene Erhöhungen von Schul- und Studienge­bühren in der Schweiz, die heute noch weit unter dem internationalen Durchschnitt liegen, dürften die meisten Finanzierungsprobleme lösen.

Dadurch werden weder die soziale Gerechtigkeit noch der Zugang zur Bildung für alle infrage gestellt. Von der Unentgeltlichkeit oder Fast-Unentgeltlichkeit unserer Bildung profitiert heute jedermann, unbesehen davon, ob er finanziell bedürftig ist oder nicht. Dies erscheint widersinnig. Ein ausgebautes Stipendienwesen kann hingegen soziale Ungerechtigkeiten verhindern.

Das Wettbewerbsprinzip: Bildungsinstitutionen – gerade Universitäten – müssen sich vermehrt um nichtstaatliche Finanzierungen, sogenannte Drittmittel, bemühen, und zwar im Wettbewerb mit- und gegeneinander. Dass dabei Privatpersonen sowie Unternehmen als Ansprechpartner im Vordergrund stehen, darf – ausser aus ideologischen Gründen – nicht stören.

Sponsoring ist nicht per se schlecht oder abzulehnen. Es gibt ausreichend Möglichkeiten, unangemessene Einflüsse auf die Universitäten abzuwehren und die Käuflichkeit von Lehrstühlen zu verhindern. Respekt sowie Anerkennung der privaten Sponsoren sollten jedoch ebenso selbstverständlich sein wie eine umfassende Transparenz, die Verhinderung von privaten Mitsprachen bei Professorenberufungen oder die Einflussnahme auf Forschungsfelder und Forschungsergebnisse.

Dass der Leistungsabbau im Bildungsbereich angesichts der starken Lobby politisch tatsächlich durchgesetzt wird, glaube ich nicht. Ein Leistungsausbau – sozusagen für alles und jedes – erscheint mir wenig sinnvoll. Mit dem Status quo können wir in der Schweiz ganz gut leben. Immerhin: Nicht alle Investitionen in die Bildung, gerade jene in Glas und Stahl (Stichwort: Bildungstempel), erscheinen wirklich bildungsbedingt. Dort gäbe es sicherlich Sparpotenzial. Investieren wir mehr in Menschen als in Gebäude!

Solche liberalen Ansichten sind heutzutage vielleicht noch nicht mehrheitsfähig. Und ich rechne durchaus mit Anfeindungen aus meinem beruflichen Umfeld. Selbst in der Rechtsfakultät der Universität Bern dürfte ich eher eine Minderheitsmeinung vertreten. Ich möchte zwar die heilige Kuh Bildung nicht schlachten und sie nur teilweise auf Diät setzen. Aber es bedarf doch nicht immer nur staatlicher Futtermittel! Dasgilt übrigens auch für die meisten anderen heiligen Kühe.


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